Van der Bellen an Kurz: "Nichts sagen ist zu wenig"

Van der Bellen an Kurz: "Nichts sagen ist zu wenig"
Innerhalb einer Woche rügt Präsident Alexander Van der Bellen mehrmals die Regierung – auch, weil die Opposition auslässt.

Ungewöhnlich viel Gegenwind bekommt die Regierung momentan zu spüren. Nicht von der Opposition im Parlament – wie man es vermuten würde. Österreichs wortgewaltigster Oppositionsführer sitzt derzeit ausgerechnet in der Hofburg.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen scheint „not amused“ zu sein. Auslöser für seinen Unmut ist vor allem FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky. Der EU-Parlamentarier unterstellte Kommissionschef Jean-Claude Juncker, beim NATO-Gipfel betrunken gewesen zu sein. Offiziell wurde Junckers auffälliges Taumeln beim Gipfeltreffen mit seinem Ischias-Leiden begründet. Vilimsky forderte Juncker auf, den „Hut zu nehmen, da es Alkoholprobleme“ gebe und Juncker die EU zur „Lachnummer“ mache.

Niemand aus der Regierung forderte mehr Sensibilität in der Sprache bei Vilimsky ein. ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz schwieg. Detto war FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache still. Das brachte Van der Bellen offenbar auf die Palme.

„Unflätige Art“

Seine Empörung artikulierte Alexander Van der Bellen in den Vorarlberger Nachrichten mit selten offenen Worten: „Es gab ein klares Bekenntnis zum europäischen Kurs. Und jetzt, während der EU-Ratspräsidentschaft, kommt Harald Vilimsky in einer Art daher, die ich noch nicht erlebt habe.“ Er beschimpfe Juncker in einer „unflätigen Art“ und niemand aus der Bundesregierung reagiere darauf, kritisierte der Bundespräsident. Auch dass keine Stellungnahme abgegeben wird, missfällt Van der Bellen: „Zu sagen, dazu nichts zu sagen, das empfinde ich als zu wenig.“

Warum schweigt Kurz, der vorgestern in Kalifornien Arnold Schwarzenegger traf, tatsächlich, wenn die FPÖ ihre Attacken gegen Journalisten und Jean-Claude Juncker reitet oder antisemitische Codes aussendet? Es existiert ein Agreement zwischen Kurz und Strache, wie sie in solchen Causen vorgehen. Juncker selbst reagierte auf Vilimsky Rücktrittsaufforderung mit Ironie: „Auf Euren Kleinkram lach ich“, sagte er in Anspielung auf ein literarisches Zitat. Der EU-Politiker feixte zudem, er wundere sich, wie viele Experten für Ischias es in Österreich gebe.

Aber Vilimsky ist nicht der einzige Blaue, der von Van der Bellen einen Rüffel bekam. Zuerst kritisierte das Staatsoberhaupt den Asyl-Kurs von Innenminister Herbert Kickl. Dann forderte VdB die Regierung auf, den „Investitionsstau beim Bundesheer“ aufzulösen. Bei der Eröffnungsrede der Bregenzer Festspiele stellte sich der Bundespräsident hinter regierungskritische Medien. In unserer liberalen Demokratie brauche es Journalisten, die Ungereimtheiten aufdecken, kritisieren, Zusammenhänge beschreiben und dem Wahrheitsgehalt von Gerüchten nachgehen.

Angesichts so viel Maßregelung schäumen die Blauen vor Wut. Der „unflätige“ Vilimsky nennt Van der Bellen einen „frustrierten Grünen“, er werde „auch weiter ehrlich sagen, was er sich denke“. Schützenhilfe für Vilimsky kam aus den eigenen Reihen: Der zweite FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker forderte, Van der Bellen solle seine „grüne Sommerbrille“ wieder abnehmen und zur „notwendigen Ausgewogenheit“ zurückkehren.

Zur Regelmäßigkeit sollen derlei Wortmeldungen nicht werden. In der Tiroler Tageszeitung richtete er einen Appell an die Opposition: „Generell möchte ich sagen, dass es für die Oppositionsparteien an der Zeit wäre, ihre Rolle zu finden. Denn es ist nicht die Aufgabe des Bundespräsidenten, diese Lücke auszufüllen.“

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