U-Ausschuss: FPÖ ortet Skandal und zieht vor Verfassungsgericht

Zusammenfassung
- Der Antrag der FPÖ auf einen Untersuchungsausschuss wurde von der Regierung mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Untersuchungsgegenstand weder bestimmt noch abgeschlossen sei.
- Die SPÖ und Neos schließen sich der Ablehnung an, wobei Neos-Abgeordneter Scherak eine Klärung durch den Verfassungsgerichtshof als sinnvoll erachtet.
- Die Grünen bemängeln Formfehler im Antrag der FPÖ, betonen jedoch das Kontrollrecht über einzelne Fehler.
Der von der FPÖ angestrebte ÖVP-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss kommt vorerst nicht. Die Koalitionsfraktionen haben am Mittwoch das von der FPÖ im Nationalrat eingebrachte Verlangen auf Prüfung diverser Corona-Maßnahmen und des Todes des früheren Sektionschefs Christian Pilnacek wie angekündigt bestritten. Der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats hat mit Koalitionsmehrheit entschieden, das Verlangen der Freiheitlichen als "zur Gänze unzulässig" zurückzuweisen.
Die FPÖ kündigte zuvor an, den Verfassungsgerichtshof um Klärung zu ersuchen.
Nach Meinung der Koalitionsparteien entspricht das Verlangen der Blauen in mehrfacher Hinsicht nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. So könne man mit einem Untersuchungsausschuss nicht mehrere, unterschiedliche Vorgänge untersuchen, die keinen inhaltlichen, personellen oder zeitlichen Zusammenhang hätten, halten sie im "Bestreitungsantrag" fest. Eine "substantiierte, nachvollziehbare" Begründung, was die Corona-Maßnahmen mit dem Fall Pilnacek zu tun haben sollen, ist ihnen zufolge dem Verlangen nicht zu entnehmen.
Zudem vermissen sie einen Plan, welchen konkreten Missständen der Untersuchungsausschuss überhaupt nachgehen soll, zumal die behauptete "systematische Unterdrückung von Kritik an Regierungshandeln" von der FPÖ nicht näher ausgeführt werde. Ein "hinreichend bestimmter" Untersuchungsgegenstand sei aber allein schon für die Frage von Aktenanforderungen wichtig.
Das Verlangen der Blauen entspreche nicht der verfassungsrechtlichen Vorgabe, dass der Untersuchungsgegenstand ein "bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes" sein müsse, begründete Andreas Hanger (ÖVP) die Entscheidung. Die ÖVP stützt sich auf Rechtsgutachten von Christoph Bezemek und Mathis Fister, die ein rechtlich korrektes Ansuchen der Freiheitlichen bezweifeln. Der Untersuchungsgegenstand sei vage und unbestimmt, so Bezemek. Fister nennt das Verlangen unzulässig, weil es weder einen "bestimmten" noch einen "abgeschlossenen" Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes betrifft.
FPÖ-Verlangen als "zur Gänze unzulässig" zurückgewiesen
Kai Jan Krainer (SPÖ) stieß sich vor allem an der Vermengung zweier völlig unterschiedlicher Themen. Natürlich könne man den Fall Pilnacek untersuchen, und natürlich könne man auch Corona-Maßnahmen untersuchen, sagte der SPÖ-Abgeordnete im Ausschuss. Einen Zusammenhang zwischen beiden Materien könne er aber nicht erkennen.
Nicht ganz so überzeugt wie Hanger und Krainer zeigte sich Neos-Abgeordneter Nikolaus Scherak. Für ihn sei "nicht zu hundert Prozent klar", wie die Einschätzung des Verfassungsgerichtshofs ausfallen werde, sagte er. Er könne sich "schon vorstellen", dass das Höchstgericht die von der FPÖ proklamierte Klammer "für in Ordnung hält". Scherak erachtet die Klärung durch den Verfassungsgerichtshof aber in jedem Fall für sinnvoll: Damit würden die Abgeordneten auch Leitlinien für künftige U-Ausschuss-Verlangen bekommen. Dennoch zogen die Neos mit ÖVP und SPÖ mit.
Seitens der Grünen begründete Nina Tomaselli die Ablehnung des Bestreitungsantrags durch ihre Partei damit, dass ÖVP, SPÖ und Neos nicht überzeugend genug dargelegt hätten, dass der von der FPÖ vorgeschlagene Untersuchungsgegenstand rechtswidrig sei. Auch ihre Partei habe im Verlangen der Freiheitlichen "einige Formalfehler" gefunden, sagte sie, diese würden im Bestreitungsantrag aber gar nicht angeführt. Im Sinne einer Abwägung zähle für die Grünen das Recht auf Kontrolle mehr als einzelne Fehler.
Mit dem "ÖVP-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss" wollte die FPÖ zum einen die Ermittlungen rund um den Tod des ehemaligen Spitzenbeamten im Justizministerium Christian Pilnacek und zum anderen den behördlichen Umgang mit Corona-Demonstrationen und "regierungs- und maßnahmenkritischen Bürgern" durchleuchten.
In beiden Fällen orten die Freiheitlichen unzulässige politische Einflussnahmen, wobei sie vor allem die ÖVP im Visier haben. So werfen sie ihr etwa die Einschüchterung von Kritiker:innen vor.
Hafenecker ortet "Doppelmoral"
Hafenecker selbst bezeichnete die Vorgangsweise der Regierungsfraktionen Freitagfrüh als "skandalös". So habe im vergangenen Jahr die ÖVP kurz vor der Wahl mit Hilfe der Grünen einen Untersuchungsausschuss eingerichtet, "nur um der FPÖ und Herbert Kickl zu schaden". Dieser U-Ausschuss, der auch von der SPÖ und den NEOS als "Waffe gegen die Freiheitlichen" betrieben worden sei, "war derart verfassungswidrig, wie etwas nur verfassungswidrig sein kann". Eine derartige "Doppelmoral" sei "entlarvend und abstoßend zugleich".
Aufgrund der Bestreitung wurde im Geschäftsordnungsausschuss auch nicht über die Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses - die FPÖ hatte 13 Mitglieder (je 4 FPÖ und ÖVP, 3 SPÖ, je 1 NEOS und Grüne) vorgeschlagen. Ebensowenig wurden Personalia entschieden. Grundsätzlich hätte aber zwischen den Klubs Einigkeit darüber bestanden, Christa Edwards zur Verfahrensrichterin - mit Wolfgang Köller als ihren Stellvertreter - und Rechtsanwalt Andreas Joklik zum Verfahrensanwalt - mit Michael Kasper als seinen Stellvertreter - zu wählen.
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