Über 400.000 Kinder von Armut betroffen
Die Statistik Austria veröffentlicht erschreckende Zahlen: Mehr als 400.000 Kinder und Jugendliche in Österreich sind armutsgefährdet oder laufen Gefahr, aus wirtschaftlichen Gründen sozial ausgegrenzt zu werden. Für diese Kinder ist es schwer, in der Gesellschaft richtig Fuß zu fassen, und auch ihre Bildungschancen sind deutlich schlechter.
13 Prozent - also mehr als jedes zehnte Kind - unter 16 Jahren ist "von zentralen Lebensbereichen ausgeschlossen", rechnet die Statistik Austria vor. Dazu gehören etwa Zugang zu kindgerechten Büchern, tägliches Obst oder Gemüse sowie ein Platz mit "ausreichend Licht und Ruhe zum Lernen". Nur die Hälfte der Kinder aus einkommensschwachen Familien kann einmal pro Jahr auf Urlaub fahren.
Kein Geld für Freizeitaktivitäten
Fast die Hälfte (43 Prozent) der Kinder aus Haushalten mit niedrigem Einkommen übt keine regelmäßigen Freizeitaktivitäten aus, weil das Geld fehlt. Darunter fällt etwa, etwa Feste zu veranstalten oder an kostenpflichtigen Schulaktivitäten (etwa Skikurse) teilzunehmen. Auch Freunde nach Hause einladen können nicht alle Kinder (fast ein Viertel ist dazu nicht in der Lage). All das würde die "soziale Teilhabe" fördern - ist aber laut Statistik Austria "erst ab mittlerem Einkommen für fast alle Kinder leistbar".
Insgesamt sind laut Statistik 23 Prozent (408.000) der unter 20-Jährigen armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche aus Ein-Eltern-Haushalten oder mit Migrationshintergrund. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung beträgt der Anteil 19 Prozent. 18 Prozent bzw. 310.000 Kinder sind armutsgefährdet, das heißt, sie kommen aus Familien mit einem Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle. 107.000 junge Menschen sind arm im Sinne von "erheblich materiell depraviert" - ihre Familien haben etwa keine Waschmaschine, kein Telefon, kein Geld für unvorhergesehene Ausgaben oder können nicht ausreichend heizen.
All das hat Folgen für die Bildungschancen. Geld für Nachhilfe ist für 49 Prozent der Mädchen und 41 Prozent der Buben in einkommensschwachen Haushalten nicht vorhanden. Armutsgefährdete Kinder besuchen öfter eine Hauptschule, und nur wenige Eltern können sich für ihren Nachwuchs einen Studienabschluss vorstellen (20 Prozent der Kinder im Vergleich zu 53 Prozent in Familien mit hohem Einkommen). So bestehe die Gefahr, dass Armut vererbt wird, warnt die Statistik Austria.
NGOs sind alarmiert
Bundesjugendvertretung und Armutskonferenz haben sich am Montag bestürzt über die aktuellen Zahlen zur Kinderarmut gezeigt und Maßnahmen gefordert. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) wiederum verwies in seiner Reaktion auf sinkende Gesamtzahlen und den Stellenwert der Erwerbstätigkeit sowie der Sozialtransfers. Hundstorfer blickte bis 2008 zurück, als die Wirtschaftskrise ins Rollen kam. EU-weit sei der Anteil der armutsgefährdeten Menschen von 24 auf 25 Prozent gestiegen, in Österreich dagegen von 20,6 auf 19,2 Prozent gesunken. "Das Ziel, das sich die österreichische Regierung im Rahmen der Europa 2020-Strategie gesetzt hat, nämlich innerhalb von 10 Jahren bis 2018 die Zahl der armuts- und ausgrenzungsgefährdeten Menschen in Österreich um 235.000 zu senken, ist durchaus noch erreichbar", meint der Minister. Wesentlich für die Armutsvermeidung seien Erwerbstätigkeit und berufliche Qualifizierung. Und Sozialleistungen hätten eine "eminent stabilisierende Funktion", ohne sie würden etwa mehr als die Hälfte der alleinerziehenden und kinderreichen Familien "in die Armut abrutschen".
Die Armutskonferenz kritisierte, dass Kinderarmut "mittlerweile einfach in Kauf genommen" werde. Sie wandte sich gegen "Hetze gegen Mindestsicherungsbeziehern" und "im Budget veranschlagte Kürzungsvorschläge im Sozialen". Gegen Kinderarmut müsse man mit existenzsichernden Einkommen der Eltern ankämpfen und integrative Angebote für sozial benachteiligte Kinder schaffen. Einkommensschwache würden vor allem von Dienstleistungen, die sie im Alltag unterstützen, profitieren.
Die Bundesjugendvertretung bezeichnete die aktuellen Zahlen zur Kinderarmut als "alarmierend". Die Regierung müsse "nachhaltige, treffsichere Maßnahmen" setzen. Dazu zählt die BJV die geplante Ausbildung "bis 18", weiters neben der konkreten finanziellen Unterstützung - mit gleich hohen Kinderzulagen bei der Mindestsicherung österreichweit - ein Vorgehen gegen soziale Ausgrenzung.
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