U-Ausschuss: Hürden auf dem Weg zum deutschen Modell

Die Grünen wollen den Druck erhöhen und U-Ausschüsse zum Recht der Minderheit machen.

Offiziell verhandeln SPÖ und ÖVP; offiziell denken sie in der Gruppe „Verfassung/Demokratie“ gerade nach, ob Untersuchungsausschüsse nun doch zu einem Recht der Minderheit werden. Immerhin hat man das versprochen, und mit Deutschland seit Jahren ein leuchtendes Beispiel für diese parlamentarische Praxis.

Die Opposition, allen voran die Grünen, zweifelt freilich am Reformwillen der Größeren. Und deshalb wiederholte der Chef-Verhandler der Grünen, Dieter Brosz, gestern eine bereits ventilierte Drohung: „Wenn die Regierungsparteien den U-Ausschuss nicht zum Minderheitenrecht machen, lassen wir unsere Zustimmung bei Verfassungsgesetzen offen“, sagte Brosz zum KURIER.

Die Drohung hat besonders bei EU-Gesetzen Gewicht, wo die Regierung auf die FPÖ als Beschaffer einer Zweidrittelmehrheit nicht immer zählen kann.

Was aber wären die wesentlichen Änderungen, würde Österreich das Modell des Bundestags übernehmen?

Quoren In Deutschland sind alle wichtigen Entscheidungen (Einsetzung, Zeugenladung, etc.) Minderheitenrecht. Derzeit genügen 25 Prozent der Stimmen, künftig vielleicht 20 (s. re.).

Streitschlichtung In Deutschland werden Streitfälle im U-Ausschuss vom Verfassungsgerichtshof entschieden. In Österreich gibt es keine „externe“ Instanz, strittige Fragen wurden oft zum internen Konflikt Regierung gegen Opposition.

Nicht zuletzt das Auftreten von Oppositionsmandataren wie Stefan Petzner oder Peter Pilz, die Zeugen im jüngsten U-Ausschuss hart und bisweilen untergriffig befragten, gilt für manchen Regierungsvertreter als Argument gegen eine Reform. Für Brosz ist das lächerlich: „Peter Pilz als Grund für eine Nicht-Reform zu missbrauchen ist schwach. Außerdem haben wir immer gesagt, dass die Verfahrensordnung und damit die im Ausschuss geltenden Regeln natürlich geändert werden können.“ So stellen etwa in Deutschland die Regierungsparteien den Vorsitzenden (in Österreich traditionell die Opposition). Brosz: „Wenn es die Regierung ernst meint, könnten wir die Reform in wenigen Wochen beschließen.“

Kommt die Große Koalition wieder, ist die Opposition im Bundestag aus Grünen und „Linken“ kleiner als in den letzten 40 Jahren: Mit 127 der 631 Abgeordneten hat sie nur zwanzig Prozent. Damit fällt sie unter das Quorum für fast alle Minderheitenrechte außer der „Aktuellen Stunde“. Diese von jeder Fraktion beantragbare Debatte von einer Stunde ohne Abstimmung wird von der Opposition viel genutzt.

Für alle anderen Minderheitenrechte braucht sie derzeit zumeist 25 Prozent: Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, die Prüfung eines neuen Gesetzes auf Verfassungsmäßigkeit durch das Verfassungsgericht in Karlsruhe und die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg auf Vereinbarkeit mit EU-Recht.

Schon die erste Große Koalition von Kanzlerin Merkel hatte dafür das Quorum von einem Drittel auf das Viertel der Bundestagsstimmen abgesenkt. Da hatte die Opposition noch 27 Prozent. Für eine Sondersitzung braucht sie aber weiter ein Drittel.

Alle sind sich unter Führung des alten und neuen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) einig, dass mit dem Schrumpfen der Opposition deren Rechte nochmals gestärkt werden: Wahrscheinlich ist das weitere Absenken des wichtigen Quorums auf 20 Prozent.

Die Grünen wollen dafür Gesetze ändern, die Kommunisten sogar die Verfassung, was aber juristisch wie politisch als chancenlos gilt. Die Union, der nur fünf Stimmen zur Absoluten Mehrheit fehlen, ist zurückhaltend. CDU-Vizechef Thomas Strobl, auch Chef des zuständigen Ausschusses, will nur eine „behutsame“ Änderung der Bundestags-Geschäftsordnung: „Exzessive Minderheitenrechte sind nur schwer zurückzuschrauben, die können später bei extremistischen Parteien problematisch sein.“ Die künftige Regierungspartei SPD laviert zwischen vagen Ankündigungen und Positionen in den diskreten Verhandlungen. Ein Ergebnis wird nicht vor dem Beschluss für die Große Koalition erwartet.

Kommentare