Türkis-Blau startet mit tiefrotem Steuergeschenk

Strache, Kurz, Launsky-Tieffenthal.
Erster Arbeitstag, neue Inszenierung: Kurz und Strache starten mit einer Charmeoffensive und einem gemeinsamen Regierungssprecher. Anfang Jänner gibt es eine erste Arbeitsklausur.

Am Montag die Angelobung in der Hofburg, am Dienstag der erste Ministerrat im Bundeskanzleramt, am Mittwoch schon der erste Auftritt im Parlament. Türkis-Blau ist Realität. So schnell geht das.

Die "Zeit für Neues" und die "Veränderung", für die die Wähler stimmten, zeigen sich in der Aufmachung und an den ersten Projekten. Ein hochprofessionelles Team ist da am Werken, es ist an fast alles gedacht. Sogar ein Weihnachtsgeschenk – eine Entlastung für Geringverdiener – hat die neue Regierung mit im Gepäck. Ein klassisch rotes Packerl, wenn man so will.

Wir nehmen unseren Kritikern von Anfang an den Wind aus den Segeln, lautet die kaum verhüllte Botschaft.

Auch die neue Inszenierung signalisiert den Willen zur radikalen Veränderung: Im Steinsaal des Kanzleramts herrscht nicht mehr das lockere Eintrudeln zur Regierungssitzung, wo die Minister der einen Partei den Ministern der anderen Unfreundlichkeiten ausrichten – und so für Schlagzeilen sorgen.

Jetzt gibt es einen "Door Step" wie in Brüssel, bei dem die Regierungschefs aus ihren großen Autos steigen und der wartenden Journalistenschar vorbereitete Statements in die Mikrofone spenden.

Kontrollierte Botschaft

Auch in Wien dürfen die Journalisten hinter einem Absperrband warten. Aber: Die Minister gehen oder laufen vielmehr vorbei, bleiben vielleicht stehen, sagen vielleicht etwas, meistens beides nicht.

Der Vorteil liegt aber auf der Hand: Die türkis-blaue Botschaft bleibt so viel eher die eine türkis-blaue Botschaft und mutiert nicht zur früheren rot-schwarzen Kakophonie.

Dann folgt das lange Warten auf Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache im angrenzenden Kongress-Saal. Eine gute Stunde vergeht und sie kommen zu dritt.

Der neue Kanzler, der neue Vizekanzler und der neue Regierungssprecher, Karrierediplomat Peter Launsky-Tieffenthal. Ein weiterer Höhepunkt also. Den Regierungssprecher hat man sich von Berlin abgeschaut, auf das man sonst eher herunterschaut, wenn es etwa um die Flüchtlinge geht.

Und die Inszenierung geht auf. Kurz, Strache, Launsky-Tieffenthal versprühen jene Harmonie, um die sich die neue Regierung so bemüht. Hinter den Männern hängen beim Pressefoyer nach dem Ministerrat gleich 24 Fahnen. Wieder wähnt man sich in Brüssel bei einem EU-Gipfel. Aber es sind drei Mal die EU-Flagge, drei Mal Rot-Weiß-Rot, je zwei Mal alle neun Bundesländer-Fahnen.

Verkündet wird Dreierlei: Die besagte Entlastung im Inland, Geld für Flüchtlingshilfe vor Ort in Jordanien, die Errichtung einer Gedenkstätte in Weißrussland für im Weltkrieg ermordete Juden. Kurz und Strache gehen auf Details ein, Launsky-Tieffenthal bleibt vorerst die wohl-temperierte Moderatoren-Rolle.

Verkündet werden auch Interna: Wer die Regierungskoordinatoren sind (Gernot Blümel für die ÖVP, Hubert Fuchs für die FPÖ). Und die erste Koalitions-Klausur am 4./5. Jänner. Spätestens da geht die Arbeit so richtig los.

Oder wie Strache den Anspruch formuliert: "Es ist uns ernst mit der Entlastung der Kleinverdiener. Wir wollen rasch und zügig diese Ernsthaftigkeit auch umsetzen."

Regierung gibt Debüt im Ministerrat

Türkis-Blau startet also mit einer Entlastungsmaßnahme. Konkret sollen Arbeitnehmer, die weniger als 1948 Euro brutto verdienen, in Zukunft weniger in die Arbeitslosenversicherung einzahlen müssen als bisher. 620.000 Menschen würden davon profitieren, sagt der neue Finanzminister Hartwig Löger und rechnet pro Arbeitnehmer mit einer Entlastung um rund 300 Euro im Jahr. Legistisch umsetzen muss die Entlastung die neue blaue Sozialministerin Beate Hartinger-Klein.

Schon jetzt gibt es hier für Geringverdiener eine Ermäßigung. Seit Mitte 2008 gilt: Wer weniger als 1342 Euro verdient, ist bei der Arbeitslosenversicherung ganz befreit. Zwischen 1342 und 1464 Euro zahlt man ein Prozent vom Bruttolohn, dann zwei Prozent bis 1648 Euro und über dieser Schwelle drei Prozent. Nochmals drei Prozent zahlen die Arbeitgeber.

Diese Schwellenwerte werden nun angehoben, so dass mehr Menschen in den Genuss des verringerten Beitragssatzes kommen. Ob die Entlastung nur den Arbeitnehmern oder auch den Arbeitgebern zu Gute kommen wird, ist offen. Die Minister Löger und Hartinger-Klein erarbeiten erst die Details.
Die SPÖ kritisiert die unklare Gegenfinanzierung. Noch ist tatsächlich nicht bekannt, wie viel die Entlastung kostet und wer sie zahlt. Die Roten befürchten, dass durch die Abschaffung der Notstandshilfe und das degressive Arbeitslosengeld (weniger im Zeitablauf) nur umverteilt wird. Nach dem Motto: Wir nehmen es den Arbeitslosen und geben es den Kleinverdienern.

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