Tschetschenische Community fürchtet Abschiebungen nach Russland

Exilpolitiker widerspricht Einschätzungen von Innenminister Kickl, der sich mit russischem Amtskollegen getroffen hat.

Die Nachrichten über das Treffen von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Kolokolzew, die sich am Dienstag auch um schnellere Abschiebungen nach Russland drehten, sind in der tschetschenischen Community mit großer Sorge beobachtet worden. Dies erklärte der Exilpolitiker Khuseyn Iskhanov in einem Telefonat mit der APA.

"Es gibt Angst vor Abschiebungen, die Menschen sind in Sorge und sie verstehen nicht, was passiert", sagte Iskhanov, der selbst vor 13 Jahren politisches Asyl in Österreich bekommen hat und in Wien den tschetschenischen Kulturverein Ichkeria leitet. Da viele von geschätzt 35.000 in Österreich lebenden Tschetschenen über keine österreichische Staatsbürgerschaft verfügten, hingen sie praktisch in der Luft und die Regierenden könnten zu jedem Zeitpunkt die Reisepässe für Flüchtlinge entziehen oder sie nicht verlängern, befürchtet er.

"Österreichs Regierung soll nicht vergessen, dass es bei uns keinen Bürgerkrieg, sondern zwei äußert blutige Kriege zwischen Russland und der tschetschenischen Republik Itschkerien in den Jahren 1994 bis 2006 gab. Menschen haben Tschetschenien verlassen, weil sie sich Russland nicht unterwerfen wollten", sagte der Exilpolitiker am Mittwoch, der als prominenter Anhänger einer tschetschenischen Eigenstaatlichkeit und enger Mitstreiter des 2005 vom russischen Geheimdienst getöteten Präsidenten Aslan Maschadow war.

Der Community-Vertreter kritisierte gleichzeitig einen "Populismus" führender FPÖ-Politiker, der Tschetschenen in "Schreckfiguren" verwandeln wolle. "Dass man einer ganzen Gruppe mit 35.000 Menschen, aus der 40 bis 50 in den Krieg nach Syrien aufgebrochen sind, den Vorwurf von Jihadismus macht, ist wie alle Österreicher zu 'Fritzls' zu erklären", sagte er und betonte, dass das Kapitel Syrien mittlerweile abgeschlossen sei. Auch das Verhalten von 50 fehlgeleiteten Halbwüchsigen, die auf den Straßen Wiens für Unruhe sorgten, auf die gesamte Volksgruppe zu beziehen, sei falsch.

Angst vor Kadyrow 

Iskhanov widersprach gegenüber der APA Aussagen von Innenminister Kickl, der am Montag in Moskau die Rückkehr insbesondere von Tschetschenen nach Russland als sicher dargestellt hatte. "Ich habe von vielen Fällen gehört, kann jedoch aus verständlichen Gründen öffentlich keine Namen nennen, dass nach der Rückkehr Milizen von Ramsan Kadyrow (Chef der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Anm.) kommen und alles Mögliche mit ihnen machen", sagte er. Im tschetschenischen Regime, das mit russischer Hilfe errichtet worden sei, würden Kadyrow zudem keine Grenzen gesagt, sagte er und erinnerte an russische Medienberichte, wonach 2017 mehr als 20 Homosexuelle in Tschetschenien von Behördenvertretern ermordet worden seien.

Unsicher seien seine Landsleute aber auch in ganz Russland. "Sehr viele russische Polizisten haben in Tschetschenien gekämpft. Wenn bei ihnen dort etwa ein Freund gefallen ist, beziehen sie diese Erinnerungen auf jeden Tschetschenen", erklärte Iskhanov.

"Wir wollen wie die Österreicher, dass unsere Kinder eine gute Zukunft haben und in Frieden leben", sagte der Exilpolitiker, der hohe Barrieren bei der Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft beklagte. Da es in tschetschenischen Familien traditionell viele Kinder gebe, seien ihre Eltern trotz Berufstätigkeit oftmals auf Sozialhilfe angewiesen. Das Fehlen eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts schließe jedoch nach den gültigen Regeln die Erlangung der Staatsbürgerschaft aus, klagte er.

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