Arbeitsmarkt-Expertin: Teilzeit-Bashing ist auch Frauen-Bashing

Arbeitsmarkt-Expertin: Teilzeit-Bashing ist auch Frauen-Bashing
Eine neue Erhebung zeigt die Veränderungen rund um Teilzeit-Arbeit. Eine Expertin spricht von einem "segregierten Arbeitsmarkt".

Zusammenfassung

  • Neue Erhebung zeigt Trend zur Teilzeit und flexiblen Arbeitszeitmodellen aufgrund von Corona und Rezession.
  • Arbeitsmarkt-Expertin Manuela Vollmann bezeichnet den Arbeitsmarkt als segregiert und betont, dass Teilzeit häufig Frauen betrifft.
  • Vollmann sieht Teilzeit-Bashing als Frauen-Bashing und fordert eine gerechte Verteilung von Care-Arbeit zwischen Geschlechtern.

Trotz der angespannten Lage am Arbeitsmarkt gibt es in Österreich viele offene Stellen - beim AMS wird von 61.000 Jobinseraten landesweit gesprochen. Einer neuen Auswertung zufolge liegt die Zahl der reinen Vollzeitstellen momentan bei 65 Prozent. Das sei ein Minus von zehn Prozent innerhalb von zehn Jahren, wie Ö1 berichtet.

Es gäbe demnach einen Trend hin zur Ausschreibung von Teilzeit-Stellen, beziehungsweise dem Vermerk, dass der Job in Voll- oder Teilzeit ausgeübt werden könne. 

Ein Sprecher des Arbeitsmarktservice erklärt, dass diese Entwicklung besonders seit 2022 spürbar sei. Gründe dafür seien die Covid-Pandemie sowie die Rezession. 

Auch Jobplattformen abseits des AMS wie Stepstone oder Karriere.at bemerken diese Tendenz. Als weitere Gründe für die vermehrte Ausschreibung von flexiblen Arbeitszeitmodellen wird angegeben, dass Unternehmen Schwierigkeiten hätten, geeignetes Personal zu finden. So solle sein Anreiz geschaffen werden. Diese Anzeigen würden in Folge rund 40 Prozent mehr Bewerbungen generieren.

Teilzeitrate auch branchenabhängig

Je nach Branche gäbe es laut dem AMS Unterschiede - im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Bildungsbereich ist die Teilzeitquote höher als in anderen Bereichen. Im Handel sind die Hälfte aller Stellen als Teilzeit ausgeschrieben. Auch im IT-Bereich ist ein Teilzeittrend zu beobachten.

Die Arbeitsmarkt- und Gleichstellungsexpertin Manuela Vollmann ordnete im Ö1-Morgenjournal die aktuellen Zahlen ein und erklärte, dass die Teilzeit-Debatte auch immer ein Frauenthema sei. "Wir müssen differenziert hinschauen und sagen in welchen Branchen das so ist. Das sind Branchen in denen vorwiegend Frauen arbeiten. Nicht immer ganz freiwillig. Wir haben einen segregierten Arbeitsmarkt", meint die Expertin.

Das führe dazu, dass Firmen in diesen Branchen darauf reagieren, dass Frauen in Österreich nach wie vor die Versorgungsarbeit wie Kindererziehung und den Haushalt verantworten müssen und auf diese Gegebenheiten mit Teilzeitangeboten antworten.

"Den Frauen bleibt sehr häufig auch nichts anderes übrig", sagt Vollmann. Firmen hätten auch gesehen, dass sie die Arbeitskräfte sehr flexibel einsetzen können, was nicht immer zum Vorteil der Frauen geschehe.

Work-Life-Balance

Auf das Thema der Work-Life-Balance angesprochen sieht die Expertin die Entwicklung hin zum Wunsch nach einer verkürzten Arbeitszeit in den veränderten Lebensbedingungen und auch in der Familiendynamik begründet: "Wir können jetzt lange darüber jammern, dass das so ist. Ich sehe das positiv." 

Es gehe darum, so lange wie möglich gesund und zufrieden zu bleiben und die Ressourcen sinnvoll einzusetzen. Viel mehr Frauen seien mittlerweile beschäftigt und deren Kinder hätten auch gesehen, wie fordernd eine Doppelbelastung mit Care-Arbeit und Erwerbsarbeit sei, was für sie den Trend zu mehr Work-Life-Balance begründet.

Frauen-Bashing rund um Teilzeit

Auch auf die Aussage von Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, dass Teilzeit zu attraktiv sei, reagiert die Expertin: "Wir brauchen dringend einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel. Teilzeit ist für unsere Frauen insofern schlecht, weil sie weniger Karrierechancen haben, weniger verdienen und demnach auch weniger Pension bekommen." Es sei aber wichtig, dass man den Bedarf nach mehr Teilzeit auch ernst nehme. Es brauche eine gerechtere Verteilung der unbezahlten Arbeit zwischen Frauen und Männern, denn laut ihr sei "Teilzeit-Bashing im Moment auch Frauen-Bashing", das sei keine gute Möglichkeit in die Zukunft zu schauen. Von dem eingebrachten Malus-System halte die Expertin nichts.

Vollmanns Lösungsansatz sieht einen raschen Wiedereinstieg von Frauen nach der Karenz vor: "Indem wir Elternzeit anbieten. Sprich, beide Elternteile reduzieren ihre Arbeitszeit und gehen in Elternteilzeit. Der Staat zahlt einen Lohnausgleich und das Unternehmen zahlt die Leistung." So würden wir als Staat und Gesellschaft sagen, dass uns die faire Verteilung von Care-Arbeit ein Anliegen ist.

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