Doskozil: Tägliche Obergrenze "ergibt sich automatisch"

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil
Angesichts der Streitereien in der Koalition sorgt der Neo-Minister für versöhnlichere Töne.

Wieso werden die Fingerabdrücke von Flüchtlingen am Grenzübergang nicht gespeichert? Wer ist schuld an der lückenhaften Registrierung? Diese Fragen sorgten in den vergangenen Tagen für gehörig Zwist in der Koalition. Rote Landeschefs kritisierten die schwarze Innenministerin, diese spielte den Ball postwendend zurück.

Nun kündigte Johanna Mikl-Leitner neue Maßnahmen an: eine tägliche Obergrenze. "Der nächste Schritt ist, dass wir in zehn Tagen damit beginnen, fixe, kapazitätsorientierte Tageskontingente einzuführen", so Mikl-Leitner. Dieses Mal sorgt der Vorschlag aber nicht umgehend für Missmut zwischen den Koalitionspartnern. Beim neuen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil trifft der Vorschlag auf Zustimmung. "Kontingentierungen" würden sich aber durch die neuen Maßnahmen an der Grenze "automatisch" ergeben, so Doskozil gegenüber der APA.

"Durch die geplanten restriktiveren Maßnahmen wie Registrierung, Durchsuchung und Fingerprints ergibt sich eine Entschleunigung des Zustroms. Dabei muss dann auch entschieden werden, wird der Flüchtling zurückgewiesen, bleibt er in Österreich oder darf er nach Deutschland weiterreisen. Das passiert in Abstimmung mit Slowenien und Deutschland. Aus diesem Vorgehen heraus ergeben sich automatisch Kontingentierungen", so der Minister.

Sein Ressort stehe in enger Kooperation mit dem Innenministerium, um das Grenzmanagement zu verstärken und die am Asylgipfel festgelegten Ziele zu erreichen. Es laufen dazu Gespräche zwischen dem Generalstabschef und dem Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit. Dieser meldete sich am Donnerstag auch selbst zu Wort forderte erneut eine Gesetzesänderung zur Speicherung von Fingerabdrücken an der Grenze. Wenn man die Prints aller Migranten, auch jener, die nach Deutschland weiterreisen wollen, speichern will, brauche es eine solche, so Konrad Kogler zur APA. Die SPÖ signalisierte dazu bereits Zustimmung.

Kurz unterstützt neuen Kollegen

Von der ÖVP kommt einstweilen ebenfalls Unterstützung für den versöhnlichen Kurs des Verteidigungsministers. Außenminister Sebastian Kurz unterstützt Doskozils Vorschlag, Bundesheer-Angehörige zur Sicherung der EU-Außengrenze nach Griechenland zu schicken (siehe Interview unten). "Verteidigungsminister Doskozil kann hier auf meine Unterstützung zählen", sagte Kurz in einer Stellungnahme am Donnerstag gegenüber der APA. "Eine ordentliche Sicherung der EU-Außengrenzen würde die nationalen Grenzen entlasten" so Kurz weiter. Die Idee eines Europas ohne Grenzen nach innen sei nur mit einem ordentlichen Schutz der EU-Außengrenzen zu bewahren. "Gleichzeitig ist natürlich auch klar, dass Griechenland bereit sein muss, sich helfen zu lassen."

Für den neuen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil gibt es heute eine Premiere: Er trifft in Amsterdam seine Amtskollegen der EU. Dabei geht es um einen Informationsaustausch und die sicherheitspolitische Herausforderung der Flüchtlingskrise. Dem KURIER gab er vorab ein Interview mit der zentralen Forderung: EU-Kommission und Frontex müssen rascher arbeiten.

KURIER: Herr Minister, glauben Sie in der Flüchtlingsfrage überhaupt noch an eine gemeinsame europäische Anstrengung?

Hans Peter Doskozil: Wir dürfen Europa nicht aufgeben. Das Flüchtlingsproblem lässt sich nur gemeinsam nachhaltig lösen. Bis es so weit ist, setzen wir nationale Maßnahmen wie den verstärkten Grenzschutz.

Griechenland wird wegen seines unzureichenden Schutzes der EU-Außengrenze heftig kritisiert. Dauert Ihnen der Aufbau der Hotspots zu lange?

Ja. Manche haben noch immer nicht verstanden, dass Europa vor der größten Herausforderung seit Jahrzehnten steht. Nach meinen Informationen agieren EU-Kommission und Frontex viel zu bürokratisch. Dieser Einsatz ist kein 08/15-Einsatz, er ist nicht wie jeder andere. Wir müssen neue Wege gehen. Man sollte diskutieren, den Prozess wie bei einer zivil-militärischen EU-Mission aufzusetzen. Es braucht eine gemeinsame europäische Überwachungskapazität. Das könnte eine EU-Mission von zivilen Beamten und Soldaten sein.

Was heißt das konkret?

Es braucht eine klare EU-Kommandostruktur. Wie diese ausschaut, das gilt es zu entscheiden.

Würde Österreich dann auch Soldaten schicken?

Österreich hat für Frontex bereits 100 Beamte angemeldet, davon 50 Bundesheer-Angehörige. Die stehen bereit. (Sie wurden von Frontex aber noch nicht abgerufen, Anm. d. Red.).

Die EU hat ein Flüchtlingsabkommen mit der Türkei vereinbart. Macht die Türkei genug?

Die Türkei ist säumig und muss alles daran setzen, dass die Überfahrten nach Griechenland nicht mehr stattfinden. Allein im Jänner kamen mehr als 60.000 Flüchtlinge von der Türkei nach Griechenland.

Die Auslandseinsätze des österreichischen Bundesheeres werden international gelobt. Halten Sie an diesem Engagement fest?

Das Niveau möchte ich halten. Die Sicherheitspolitik steht auf zwei Beinen: Innere und äußere Sicherheit. Es gibt kein Ausspielen von Inlands- und Auslandsaufgaben. Die Einsätze im Inland, wie der Assistenzeinsatz an der Grenze, und die Auslandseinsätze sollten eine Balance bilden.

Planen Sie verstärkte Auslandseinsätze?

Auslandsoperationen sind wichtig, um das Sicherheitsumfeld zu stabilisieren. Nur so können Migrationsströme in Zukunft reduziert werden. Es geht darum, dort für Stabilität zu sorgen, wo Krisen entstehen und Menschen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen.

Immer mehr Menschen fliehen aus Afrika. Wollen Sie mehr Soldaten nach Afrika schicken?

Afrika gewinnt immer mehr an Bedeutung für Europa und Österreich. Man denke nur an Klimawandel und Terrorismus. Das Vordringen des IS oder von Boko Haram ist gefährlich. Damit die Probleme nicht nach Europa exportiert werden, muss auf verschiedenen Ebenen für Stabilität gesorgt werden. Es geht auch um die Entwicklungszusammenarbeit. Menschenwürdige Zustände vor Ort sind nötig, damit Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren können.

Der Balkan ist seit vielen Jahren ein Schwerpunkt des Bundesheeres. Bleibt es dabei?

Der Balkan bleibt unser Schwerpunkt. Der derzeitige politische Stillstand in der Region macht eine weitere militärische Präsenz am Balkan notwendig. Die Region muss auch auf der politischen Agenda der EU bleiben.

Was erwarten Sie von Ihrem ersten EU-Treffen in Amsterdam?

Mir ist es wichtig, so kurz nach meinem Amtsantritt im europäischen Kreis präsent zu sein. Die Krisen, die wir aktuell vorfinden, brauchen europäische Solidarität. Dafür ist eine gemeinsame Sicherheitsstrategie erforderlich, weil sich Europa klar werden muss, welche Sicherheitsinteressen es im globalen Kontext verfolgen will. Daraus leitet sich ein Bild möglicher Bedrohungen ab.

Wie stehen Sie zur NATO?

Österreich hat als Mitglied des NATO-Programmes "Partnerschaft für den Frieden" keine Berührungsängste mit der NATO. Ein NATO-Beitritt ist ja kein Thema. Die Zusammenarbeit mit der NATO ist aber wichtig, um die militärische Zusammenarbeitsfähigkeit zu erhalten. Ich freue mich, NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Amsterdam kennenzulernen.

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