Studienplätze für Medizin: Rektoren gegen ÖVP-Vorschlag

Studienplätze für Medizin: Rektoren gegen ÖVP-Vorschlag
Eine Verdoppelung sei ein "völlig falscher Ansatz". Rektor der Med-Uni Innsbruck: "Bringt keine einzige Landärztin ins Waldviertel."

Die Rektoren der drei österreichischen Medizin-Universitäten halten die unter anderem von ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz erhobene Forderung nach einer Verdoppelung der Medizin-Studienplätze für einen "völlig falschen Ansatz". Österreich habe genügend Ärzte - die Probleme bei der ärztlichen Versorgung entstünden woanders..

Österreich bilde im internationalen Vergleich überdurchschnittlich viele Studenten aus, betonte etwa der Rektor der Medizin-Uni Wien, Markus Müller, in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinen Kollegen: "Österreich hat de facto genügend Ärzte. Wir haben aber Verteilungsprobleme zwischen ländlichem und städtischem Bereich und ein Verteilungsproblem, was verschiedene Disziplinen betrifft - etwa Allgemeinmedizin in ländlichen Gegenden. Das Problem wird nicht vor, sondern erst nach dem Studium erzeugt."

Studienplätze für Medizin: Rektoren gegen ÖVP-Vorschlag

Medizin-Uni-Rektoren Samonigg, Fleischhacker und Müller (von links).

Rektoren: Arztberuf attraktiver machen

"Es gibt ein zentrales Missverständnis von politischer Seite", betonte der Rektor der Medizin-Uni Innsbruck, Wolfgang Fleischhacker. "Eine Verdoppelung der Plätze bringt keine einzige zusätzlich Landärztin ins Waldviertel oder ins Lesachtal." Der Hauptgrund für die abnehmende Attraktivität Österreichs für Jungärzte seien fehlende Basisausbildungsplätze nach dem Studium. Hierzulande würden Absolventen auf einen Platz warten müssen. "In Garmisch-Partenkirchen, das sind 45 Autominuten von uns, können sie am Montag nach dem Abschluss anfangen."

Dazu käme die mangelnde Attraktivität von Kassenstellen, so Müller. Viele Ärzte wollten keine "Drei-Minuten-Medizin" praktizieren, als Landarzt für einen Hausbesuch auf einer entfernten Alm mit im Schnitt 30 Euro abgespeist werden und ihre Kinder in einem Umfeld ohne Kindergarten aufwachsen lassen. "Das Wahlarztproblem wird nicht dadurch gelöst, dass wir mehr Studenten ausbilden", so auch Fleischhacker.

Österreich "exportiert" Ärzte

Für "nahezu absurd" hält auch der Grazer Rektor Hellmut Samonigg eine Verdoppelung der Plätze. Diese Forderung solle nur von allem ablenken, was bisher versäumt wurde. Selbst wenn man sie realisiere, wären die ersten Absolventen dieser Maßnahme frühestens in elf Jahren einsatzfähig. "Dann ist die anstehende Pensionierungswelle längst vorbei." Tatsächlich ein "dramatisches" Problem sei dagegen die Unterversorgung mit Pflegekräften, so Müller und Samonigg.

Und schließlich müsse Österreich an der Standortqualität arbeiten. Laut AMS seien in Österreich knapp 500 Ärzte als arbeitslos gemeldet, Österreich sei ein Netto-Exporteur von Ärzten, so Samonigg. In der Schweiz seien 35 Prozent der dort tätigen Ärzte im Ausland ausgebildet worden, in Österreich liege dieser Prozentsatz bei vier Prozent, betonte Müller.

Auch Ärztekammer gegen Verdoppelung

Auch die Ärztekammer spricht sich gegen eine Verdoppelung der Medizin-Studienplätze aus. Vielmehr müssten die Arbeits- und Rahmenbedingungen für Ärzte verbessert werden, sagte Präsident Thomas Szekeres zur APA. Von zehn Medizin-Absolventen würden derzeit nur sechs in Österreich zu arbeiten beginnen. "Wenn wir die Platzzahl verdoppeln, produzieren wir für das Ausland. In Deutschland und der Schweiz gibt es zu wenige Absolventen. Die würden sich freuen."

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