Es würde kein ruhiger Dienstag in den SPÖ-Gremien werden. So viel war am Montag sicher, als bekannt wurde: Hans Peter Doskozil hat die SPÖ-Mitgliederabstimmung hauchzart vor Andreas Babler und Pamela Rendi-Wagner gewonnen.
Kurz darauf schlugen die Kandidaten ihre Pflöcke ein: Doskozil forderte, dass die roten Delegierten ihn beim SPÖ-Parteitag am 3. Juni zum neuen Vorsitzenden machen sollten. Babler hatte sich wiederum bis zuletzt dagegen ausgesprochen. Sein Wunsch: Sollte die Mitgliederabstimmung eng ausgehen, fordere er eine Stichwahl unter den Mitgliedern.
Im SPÖ-Präsidium eskalierte dazu die Debatte bald nach Sitzungsbeginn.
Ludwig gegen Doskozil
Das Match lautete: die Wiener SPÖ rund um Bürgermeister Michael Ludwig gegen den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Denn die Wiener stellten sich auf die Seite von Babler. Noch in der Nacht auf Dienstag soll es lange Telefonate mit Vertretern aus den Bundesländern gegeben haben. Dabei wollten die Wiener ihre Parteikollegen von einer Stichwahl per Mitgliederentscheid überzeugen.
Im Präsidium soll dann Ludwig Doskozil vorgeworfen haben, die SPÖ zu spalten. Die Reaktion des Burgenländers: Wenn er so kontroversiell gesehen werde, müsse er seine Kandidatur beim Parteitag zurückziehen. Offenbar sei, so merkte Doskozil spitz an, Babler für die Wiener der bessere Kandidat, um die Partei zu einen.
Kurz darauf folgte der Rückzug vom Rückzug: Die Bundesländer, die Doskozil unterstützen, baten den Burgenländer, doch zu kandidieren. Das sollen Oberösterreich, Niederösterreich, Steiermark, Salzburg, Kärnten, Tirol und natürlich das Burgenland gewesen sein.
Kaiser hilft Doskozil
Auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser – ursprünglich ein Unterstützer Rendi-Wagners, aber auch ein Freund von Andreas Babler – soll sich für ein Antreten Doskozils ausgesprochen haben. Sein Argument: Es könne doch nicht sein, dass Babler als Zweiter der Mitgliederabstimmung alleine beim Parteitag antrete.
Dadurch entstand eine unübliche Situation: Das Präsidium ging diesmal ohne einheitliche Meinung in den Parteivorstand, wo weiterhin heftig debattiert wurde.
Wien und die Babler-Gruppe forderten den Mitgliederentscheid per Stichwahl. Die beiden Kandidaten sollten diesmal im Vorfeld unterschreiben, dass sie das Ergebnis akzeptieren und am Parteitag nicht gegen den Sieger antreten – egal, wie knapp das Ergebnis ist.
➤ Mehr lesen: Parteitag nach unklarem Ergebnis vor Verschiebung?
Niederlage für Wien
Genau darüber stimmte der Bundesparteivorstand dann ab. Am späten Nachmittag gab es ein Ergebnis: Der Antrag auf eine weitere Mitgliederabstimmung erhielt (knapp) mit 25 zu 22 Stimmen keine Mehrheit. Stattdessen beschloss der Vorstand, dass es am 3. Juni am Sonderparteitag zwischen Hans Peter Doskozil und Andreas Babler zu einer Kampfabstimmung kommt. Beide stehen auf einem Stimmzettel: Doskozil auf dem ersten, Babler auf dem zweiten Platz. Doskozil hatte sich im Vorfeld eigentlich gegen eine solche Kampfabstimmung ausgesprochen. „Ich habe einen Schritt zurückgemacht und akzeptiere die Stichwahl zwischen Andreas Babler und mir“, sagte er nach der langen Vorstandssitzung.
Vor der Abstimmung soll Landeshauptmann Peter Kaiser eine Brandrede gegen den Wiener Plan, erneut eine Mitgliederbefragung zu fordern, gehalten haben. Er selbst konnte nicht mehr mitstimmen, weil er nach Brüssel musste, sprach sich dabei ganz klar für Doskozil aus. Bis auf Vorarlberg, einen Oberösterreicher und den Wiener Block stellten sich dann alle Vorstandsmitglieder hinter den Kärntner und stimmten gegen die neuerliche Mitgliederbefragung. Für so manchen Funktionär war das fast schon ein Match Wien gegen Bundesländer. Einer meinte: „Wir haben gewonnen.“
Entscheidend war auch, dass der Niederösterreicher Franz Schnabl eine namentliche Abstimmung verlangt haben soll. Nicht zuletzt deshalb, weil auch rund 20 Personen an der Vorstandssitzung teilnahmen, die gar nicht stimmberechtigt waren. Noch-Bundesparteivorsitzende und Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner soll übrigens für den Wiener Plan gestimmt haben, ihr Stellvertreter im Nationalratsklub, Jörg Leichtfried, dagegen. Gegen den Vorstoß aus der Bundeshauptstadt soll auch Peter Kostelka gewesen sein.
Angst vor Abrechnung
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig erklärte sein Verhalten nach der Vorstandssitzung so: Es wäre „logisch“ gewesen, die Mitglieder per Stichwahl abstimmen zu lassen. Und zwar umso mehr, da es drei etwa gleich starke Gruppen gegeben habe. Er nehme die knappe Entscheidung aber zur Kenntnis, so der Bürgermeister. Wen er nun wählt, will er von den Inhalten der Kandidaten abhängig machen.
Nach der Sitzung haben einige Funktionäre davon gesprochen, dass sie im Präsidium und im Vorstand noch nie so eine vergiftete Atmosphäre erlebt hätten. Wobei vor allem die Attacken der Wiener gegen Hans Peter Doskozil erwähnt wurden.
Deswegen besteht auch die Sorge, dass der Sonderparteitag am 3. Juni nicht zu einer Einigung in der SPÖ führt, sondern viel mehr für eine Abrechnung genutzt wird. Der ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer und Parteiinsider Josef Kalina warnt in einem Gespräch auf Kurier.TV davor: „Es besteht die Gefahr für eine hohe Emotionalisierung und eine Abrechnung. Ich habe viele Parteitage in meiner aktiven Zeit erlebt. Da kann sich ja jeder Delegierte zu Wort melden, rausgehen auf die Bühne und eine Brandrede halten. Das werden einige wahrscheinlich auch tun. Was ich aber schon hoffe, ist, dass die Entscheidungsträger mäßigend wirken. Und dass sie auch auf das hinwirken, was das eigentliche Ziel sein muss. Dass nämlich vor der Nationalratswahl in knapp einem Jahr jemand an die Spitze gestellt wird, mit dem man eine Wahl gewinnen kann. Ich hoffe, dass die Vernunft über so manche Emotion die Oberhand behält.“
Kalina, der nun als Kommunikationsberater tätig ist, hält die abgelaufene Mitgliederbefragung grundsätzlich für einen guten Schritt. „Da haben 72 Prozent der Mitglieder teilgenommen, das ist sehr beachtlich. Und es sind wegen dieser Befragung rund 9.000 bis 10.000 Menschen neu der SPÖ beigetreten.“ Seiner Meinung nach müsste jetzt aber auch das Ergebnis akzeptiert werden. Kalina: „Da halte ich es mit der Demokratie. Wer Erster ist, ist Erster. Das ist im Sport so, das sollte auch in der Politik so sein.“ Es werde jetzt eine Entscheidung bei einem Sonderparteitag geben. Er hätte es aber für klüger gehalten, wenn man sich schon jetzt auf Doskozil geeinigt hätte.
Doskozil: Stimme reicht für Wahlkampf im Bund
Doskozil selbst erklärte im ZIB2-Interview, dass er hinter Andreas Babler stehen werde, falls dieser die Kampfabstimmung am Sonderparteitag in Linz gewinnt. Unwirsch reagierte er allerdings, als ihn Wolf auf seine Stimme ansprach. Er habe mit dieser Stimme Wahlkämpfe im Burgenland als auch österreichweit im Vorfeld der Mitgliederbefragung geführt. Hans Peter Doskozil: „Zurufe von außen brauche ich da nicht, weder von Parteifreunden noch von Nicht-Parteifreunden.“
Kommentare