Strache: "Dann könnten wir es wie Orban machen"
Der blaue Dunst in der Pyramide zu Vösendorf hängt tief, die eng aneinandergereihten Biertische sind vollgeräumt mit Gösser-Dosen, Weißen Spritzern und überquellenden Aschenbechern. Schlager um Schlager dröhnt durch die Halle, Österreich-Fahnen aller Größen werden geschwenkt. Und als FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache schließlich durch die blaue Menge gen Bühne marschiert, um die freiheitliche Gefolgschaft auf das neue Jahr einzuschwören, sind die Klänge martialisch wie immer.
Die gleiche Prozedur wie jedes Jahr also beim traditionellen FPÖ-Jahresauftakt?
Keineswegs. Denn weil die Freiheitlichen nun in der Regierung sitzen, fallen auch die Neujahrs-Rundumschläge eher zaghaft aus: Die ÖVP, deren Chef Sebastian Kurz beim letzten Neujahrstreffen noch "Kopiermaschine", "falscher 30er", "Dampfplauderer" und "schön gekleidete heiße Luft" geschimpft wurde, kam gut weg, Strache war voll des Lobes über die Koalition. Auch die beiden wahlkämpfenden Gastgeber aus Niederösterreich, Walter Rosenkranz und Udo Landbauer, schlugen kaum scharfe Töne an.
"Jammer-Sozialisten"
Ins Visier nimmt Strache demnach den einzig verbliebenen Gegner am Polit-Parkett: die SPÖ. Dass diese der FPÖ nun vorwerfe, im Sozialbereich – etwa in der Debatte um die Abschaffung der Notstandshilfe – umzufallen, nennt er "schäbig". SPÖ-Chef Christian Kern schimpft er eine "Prinzessin" – und FPÖ-Wähler warnt er wortreich davor, nun Sympathien für die Roten aufkommen zu lassen: Weil die "Jammer-Sozialisten" zwölf Jahre nichts zuwege gebracht hätten (kein Wort der Kritik an der mitregierenden ÖVP), "würde selbst Bruno Kreisky heute FPÖ wählen", tönt Strache.
Das kommt allerdings nicht bei der gesamten Basis gut an. Ein Wiener Blauer, der gerade Würstel und Bier bestellt, hat keine Freude damit, dass künftig auf das Vermögen Arbeitsloser zugegriffen werden soll. "Da ist die FPÖ umgefallen, weil ÖVP-Bonzen das so wollten", klagt er.
Strache kontert Kritik
Strache versucht derlei abzuwiegeln: "Wer unschuldig arbeitslos ist, den lassen wir niemals im Stich. Das ist mein Versprechen!", ruft der heisere Parteichef in die Menge, um später auch die Kritik am Zwölf-Stunden-Tag abzutun.
Als Erklärung für möglichen Unmut an der blauen Basis führt Strache an, dass man ja schließlich nicht alleine regiere: "Hätten wir die absolute Mehrheit, könnten wir es wie der Orbán machen, aber die haben wir nicht", spielt er auf den ungarischen Premier an. "Schau, jetzt gibt er a bissl Gas", freut sich eine aus Kärnten angereiste Pensionistin.
Ihre Freude währte allerdings nicht lange, genau genommen nur bis zum traditionellen Schlussakkord des FPÖ-Fests: dem Anstimmen der Bundeshymne. "Jetzt singt der", so die Frau über den Töchter-mitsingenden Strache, "a scho die foische".
SPÖ: "Arbeitnehmerfeindliche Regierungspolitik"
Die SPÖ warf der FPÖ in einer Reaktion hingegen den "totalen Verrat der Arbeitnehmer und den Ausverkauf an die ÖVP" vor, wie Bundesgeschäftsführer Max Lercher sagte. Die FPÖ sei in offener Rebellion gegen den Hartz-IV-Kurs, und Strache versuche alles um abzulenken.
Kreisky würde sich jedenfalls bei dieser FPÖ-Politik im Grabe umdrehen, meinte Lercher. "Die Wahrheit ist, dass Jörg Haider heute wahrscheinlich SPÖ wählen würde." Dieser hätte "die elitären deutschtümelnden Burschenschafter im Gegensatz zu Herrn Strache noch im Griff" gehabt und hätte den sozialpolitischen Maßnahmen der aktuellen Regierung nie zugestimmt.
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