Im April 2019 unterhalten sich zentrale FPÖ-Regierungsmitglieder in einer Chatgruppe: Vizekanzler Heinz-Christian Strache, die Minister Norbert Hofer, Mario Kunasek, Beate Hartinger-Klein sowie Herbert Kickl. Auch Harald Vilimsky und zwei Personen aus Straches Kabinett sind an Bord. Vorab: Eine Nachricht Kickls kommt im einsehbaren Teil nicht vor.
Am 19. April ist Strache jedenfalls verärgert. Der Grund: Medienmanager Wolfgang Fellner lade weiterhin Ewald Stadler zu TV-Debatten auf oe24 einladen, obwohl er ihm zugesagt habe, dies nicht mehr zu tun. Stadler war 2007 von der FPÖ zum BZÖ gewechselt. Und er betreibe im Fernsehen „FPÖ-Beschimpfung“, schreibt Strache, der Richtung Fellner meint: „Und wenn er dann wieder vorstellig werden sollte, sollten wir ihm klarmachen, dass wir ihn nicht mit Inseraten füttern, damit er permanent vorbestrafte FPÖ-Hasser einlädt und gegen uns anschreibt.“
„Sehr gut!“, antwortet Vilimsky. Vier Tage später scheint alles geklärt. „Bitte weiter bei Fellner schalten. Wir haben es geklärt! Er kommt uns entgegen! Lg“, schreibt Strache in eine weitere Chatgruppe.
FPÖ: "Nachricht hatte keinerlei Auswirkungen"
Andreas Hanger, ÖVP-Fraktionsführer im U-Ausschuss, vermutet Inseratenkorruption von FPÖ-Regierungsmitgliedern. Anlass für strafrechtliche Ermittlungen hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) aber offenbar nicht gesehen – im Gegensatz zur ÖVP-Inseratenaffäre rund um das Beinschab-Tool. Strache äußerte sich gegenüber Ö1 und der Krone, denen die Chats ebenso vorliegen, kurz: Der FPÖ stehe es frei, ihre Werbung dort zu schalten, wo sie es für sinnvoll halte. Es sei auch nicht um Regierungsinserate, sondern Inserate der Partei gegangen.
Aus der FPÖ heißt es zur Inseraten-Passage: "Was auch immer konkret damit gemeint war, Fakt ist, dass seine Nachricht keinerlei Auswirkungen hatte - im Gegensatz zum ehemaligen Bundeskanzler Kern, der damals aus persönlicher Beleidigtheit tatsächlich einen Inseraten-Boykott über die ÖSTERREICH-Gruppe verhängt hat."
„Lassen wir dunsten“: Keine Inserate für Info-Direkt
Ärger gibt es auch mit Medien, die der FPÖ nahestehen. So beschwert sich Hofer in einer Vierer-Chatgruppe am 14. April über einen Bericht auf Unzensuriert über die rege Unterstützung für die rechtsextreme Identitäre Bewegung, mit der die FPÖ unter Kickl nun wesentlich besser auskommt. „Das ist so ärgerlich!!!! Die beschimpfen uns und werden dann noch hofiert“, schreibt Hofer. „Absurd!!!!“, bestätigt Strache.
„Zur allgemeinen Beruhigung“ ruft dann FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker auf. Der Bericht sei nur fünf Minuten online gewesen und „sofort rausgenommen“ worden. Strache plädiert dennoch dafür, bei patriotischen Medien nun „endlich die FPÖ-Linie“ umzusetzen.
Am 15. April meldet sich Hafenecker wieder: „Liebe Kollegen, es bricht jetzt eine weitere Front auf, angeblich kommunizieren Ministerien zum Beispiel des Wochenblick, dass es bis auf weiteres keine Inserate mehr gibt.“ Das halte er für kontraproduktiv, schreibt Hafenecker: „Auch ein wenig journalistische Freiheit werden wir aushalten. Ich bitte wirklich darum das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten und es uns nicht mit den wenigen patriotischen Medien zu verscherzen.“
Strache antwortet, außer der rechten Plattform Info-Direkt seien „die freien Medien“ wie Wochenblick, Unzensuriert und Alles Roger „bitte nach wie vor mit Inseraten“ zu betreuen, „aber auch die Inhalte dort müssen sich rasch im Sinne der FPÖ wieder finden!“ „Und info direkt lassen wir jetzt einmal dunsten“, meint Hafenecker. Strache: „Genau!“
Auf Hofers Einwand, dass nicht alle Regierungsmitglieder bei den genannten Medien inserieren würden, stellt Hafenecker klar: „Ich werde das kommunizieren.“ Hofer und Strache einigen sich dann noch darauf, dass in Medien, die für die Identitäre Bewegung schreiben, jedenfalls nicht mehr inseriert werden dürfe.
Österreichisch-russisches Beamtentreffen?
Roland Weinert war für Strache – unter anderem als Kabinettschef – im Sportministerium tätig. Sie tauschen sich über Personalentscheidungen, Vernetzungstreffen mit Russland oder das Ibiza-Video aus. Am 8. April 2019 unterrichtet Strache Weinert darüber, dass Russland um einen Gedanken-Austausch mit jungen Beamten in Österreich ersuche. Er bittet darum, etwas über die Verwaltungsakademie zu fixieren.
Die FPÖ hatte am 19. Dezember 2016 bekanntlich einen „Freundschaftsvertrag“ mit Wladimir Putins Partei „Einiges Russland“ unterschrieben. Dieser ist nach Angaben der Freiheitlichen mittlerweile aufgekündigt. Die Chats, die bereits Donnerstagmorgen öffentlich wurden, wollte die FPÖ gegenüber der APA nicht kommentieren. Während die Partei in der Bundesregierung war, hätte es zwischen ihr und Russland jedenfalls nur "die üblichen Beziehungen im Rahmen der Regierung" gegeben, wie es auf APA-Anfrage seitens der Freiheitlichen hieß. So sei etwa der Vertrag zwischen OMV und Gazprom im Beisein von Russlands Präsidenten Putin und dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verlängert worden.
Kurz nach Erscheinen des Ibiza-Videos meldet sich Strache bei Weinert, spricht von einer besoffenen Geschichte. Er habe sich „nichts zu Schulden kommen lassen, außer die besoffene Peinlichkeitswertung zu gewinnen“, meint Strache.
ORF: „Dazu muss wer rausgeschmissen werden!!!“
Über die Abschaffung der GIS-Gebühr unterhalten sich Hofer, Strache und Vilimsky Anfang 2019. Kickl ist auch in der Gruppe, antwortet aber nicht. Die Inhalte sind weitestgehend öffentlich. ÖVP und FPÖ hatten das GIS-Ende in Sidelettern zum Koalitionsabkommen 2017 vereinbart. Im Februar 2019 schreibt Vilimsky, die VP-Landeshauptleute würden hier blockieren, weil sie um ihre Landeskulturabgaben umfallen würden. „Das kann niemand blockieren. Wir haben dazu Sideletter“, antwortet Hofer. Man einigt sich darauf, Druck aufzubauen und spätestens bis Jahresende ein Paket zu schnüren. „Unsere Wähler erwarten da von uns eine Durchsetzung“, betont Strache.
Es geht aber auch um personelle Weichenstellungen im ORF, also ein „Gesamtpaket“. Strache schreibt: „Ohne Personelles (ORF-Reform) wird trotzdem kein einziger Beitrag über uns objektiver und freundlicher werden! Dazu muss wer rausgeschmissen werden!!!“ Alexander Wrabetz, damals ORF-Generaldirektor, müsse gehen, so Strache. Ein möglicher Nachfolger aus der FPÖ, der damalige ORF-Stiftungsrat Norbert Steger, sei aber auch „eigen“.
Falls der U-Ausschuss tatsächlich stattfindet - derzeit prüft der VfGH - werden noch weitere Strache-Chats erwartet.
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