Steueraffäre: Wie die Politik mit dem Wolf tanzte
Es sind Worte, die heute wie eine Verhöhnung klingen. Er sehe sich als "oberster Anwalt der Steuerzahler". Das sagte Siegfried Wolf 2014, als er zum Aufsichtsratschef der Staatsholding ÖIAG gewählt wurde.
Dass er es mit dieser Ansage nicht allzu ernst meinte, zeigt ein Blick in seinen Strafakt der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Auf 111 Seiten lässt sich nachlesen, wie Wolf jeden Hebel bediente, um !sein Ziel", die Reduktion der Steuerschuld von elf auf sieben Millionen Euro, zu erreichen.
Zwei Teams im Ministerium
Die Chats und die Ermittlungen offenbaren nicht nur ein korruptes Sittenbild, wo bei einer Anklage nun ein Strafmaß von bis zu zehn Jahren Haft wegen Bestechung und Bestechlichkeit droht.
Im Streit um den millionenschweren Steuernachlass für Wolf bildeten sich regelrecht zwei Teams im Finanzministerium. Da das politische Kabinett von Finanzminister Hans Jörg Schelling, das dem schillernden Investor jede Unterstützung zusicherte. Dort zwei Finanzbeamte (Kabinettschef Thomas Schmid nennt sie die "Zweierbande"), die sich vehement wehrten, ihre "strengere" Rechtsansicht zugunsten des Multimillionärs abzuändern – immerhin ein Lichtblick.
Schnell drohte die Situation im Juli 2016 zu eskalieren, wodurch sich Schmid zu einer direkten Intervention "gezwungen" sah. Als Schmid die sture Haltung der Beamten an Schelling rapportierte, schrieb ihm Schelling zurück: "Die sollen die Argumente nochmals vorbringen und begründen, warum sie anderer Meinung sind. Das Verfahren am Schluss zu verlieren, wäre auch für uns blamabel."
Weil die "Zweierbande" mauerte, wurde mit allen Tricks gearbeitet. Die Schlussbesprechung der Großbetriebsprüfung von Wolf wurde so abgestimmt, dass die widerspenstige Fachvorständin nicht teilnehmen konnte. So bekam Wolf eine Reduktion von vier Millionen Euro.
Doch Wolf wollte mehr erreichen. Die sogenannten zusätzlichen Anspruchszinsen von 686.736 Euro wollte er auf keinen Fall zahlen. Wieder scheiterten die Versuche an der pflichtbewussten Abteilung im Finanzministerium. Wieder gingen die Interventionen von Wolf los.
Ende 2017 half ihm das Kabinett mit einem Erlass, bei dem laut WKStA eine Fußnote entfernt wurde: dass nämlich Nachsichten über 50.000 Euro vom Finanzministerium zu genehmigen seien. Damit war der Weg frei für Wolf, bei der zuständigen Finanzamtschefin eine Nachsicht von 630.000 Euro durch ein Jobversprechen zu erlangen.
Allerdings machte ihm dann 2019 wieder die interne Revision einen Strich durch die Rechnung.
Eine Hand wäscht schließlich die andere. Ein Prinzip, das Wolf schon lange praktiziert. "Ich kämpfe auch für euch mit allen Mitteln", hatte Wolf 2016 an Schmid geschrieben. Im August 2016 lud er auf seinem Schloss Reifnitz zu einer "Veranstaltung für Kurz" ein, in deren Rahmen er laut WKStA Gäste ansprach, für den "Tag X" zu spenden. Er verhinderte auch einen Auftritt von Christian Kern bei Magna.
Im Flüsterton mit der Politik
Das dichte Netzwerk Wolfs in die Politik reicht aber viel weiter als in die Zeit von Sebastian Kurz zurück. Es ist auch nicht die erste Affäre, in die Wolf verwickelt ist. Wolf, dem man ein ungeheures Durchsetzungsvermögen nachsagt, sucht heimlich die Verbindung zur Macht.
Der Investor spricht ruhig und vor allem sehr leise, meist flüstert er den Mächtigen seine Wünsche bei Events ins Ohr. Bei den parlamentarischen U-Ausschüssen kanzelt er die Abgeordneten ab. Gefragt nach Briefkastenfirmen, kontert Wolf flapsig: "Einen Briefkasten habe ich nur zu Hause."
Den wichtigsten Einstieg ermöglicht ihm Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Die beiden kennen einander aus Grassers Zeit bei Magna - der Ex-Finanzminister ist Firmpate von einer Tochter des Multimillionärs. Wolf ist damals der Europachef in Frank Stronachs Weltkonzern. 2002 wird Wolf in der Ära Wolfgang Schüssel in den Aufsichtsrat der Staatsholding ÖIAG bestellt. Ihm wird damals vorgeworfen, die Voest-Beteiligung der ÖIAG heimlich an Magna verkaufen zu wollen. Öffentliche Empörung verhinderte aber das Projekt.
Auch in der Eurofighter-Affäre mischt Wolf mit. Was hat der damalige Automotive-Manager mit Abfangjägern zu tun? Daimler-Chrysler ist an EADS beteiligt, und die Magna-Werke hatten damals einen Großauftrag für den Smart. Noch heute wird gegen Wolf in der Causa Eurofighter ermittelt.
2010 geht er dann nach Russland, seither lenkt er den Konzern Russian Machines des Oligarchen Oleg Deripaska. "Er ist der österreichische Schlüssel für die Oligarchen-Welt", sagt ein Insider.
Seine Verbindungen zu Russland lassen einen Interessenskonflikt aufkommen, denn bis 2015 sitzt er im Aufsichtsrat der ÖIAG, wo das Familiensilber Österreichs verwaltet wird. 2019 will ihn Sebastian Kurz als Aufsichtsratpräsident der ÖBAG.
Die mit dem Wolf tanzten, sind nicht nur ÖVPler. Auch zu Hans-Peter Haselsteiner (Neos) und Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer hat Wolf ein enges Verhältnis, er war im Aufsichtsrat der Strabag. Josef Kalina, der ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer unter Gusenbauer, ist nun der Pressesprecher des Multimillionärs.
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