Untaugliche Zivildiener: Behörde darf Zweitgutachten beim Arzt beauftragen
Von Bernhard Gaul und Leonie Tupy
Alle 18-jährigen Männer bekommen irgendwann den Stellungsbefehl, wo sie von Ärzten auf Tauglichkeit gemustert werden. Sofern die Stellungskommission eine Untauglichkeit feststellt, muss der junge Mann weder zum Bundesheer, noch zum Zivildienst.
Alle Tauglichen können sich dann entscheiden, ob sie beim Bundesheer ihren Präsenzdienst ableisten, oder doch zum (längeren) Zivildienst wechseln. Offenbar gibt es aber viele, die nach der Stellungskommission und vor Dienstantritt beim Zivildienst mit ärztlichen Gutachten ihre Untauglichkeit bescheinigen. Das soll künftig nicht mehr so einfach sein.
Denn eine Zivildienstgesetz-Novelle soll der sinkenden Tauglichkeit entgegenwirken, aber auch den Zivildienst attraktiver machen.
Zivildiener spielen längst eine wichtige Rolle im Sozial- und Gesundheitssystem. Doch die geburtenschwachen Jahrgänge, aber auch die steigende Zahl an „untauglichen“ Zivildienern, machen den Trägerorganisationen zu schaffen.
Bei den neuesten Erhebungen von 2022 zeigte sich, dass 16,9 Prozent des aktuell stellungspflichtigen Geburtenjahrgangs 2004 wegen Untauglichkeit ihren Dienst gar nicht antreten können. Zum Vergleich 2012, zehn Jahre zuvor, beim Jahrgang 1994, waren es 10,7 Prozent und im Jahr 1990, beim Jahrgang 1972, waren es gar nur 8,9 Prozent.
Zu den wesentlichen Gründen der Untauglichkeit zählen: Psychische Beeinträchtigungen wie Depressionen, aber auch Stoffwechselerkrankungen.
- Wie die Statistik Austria darlegt, wurden beim Jahrgang 2004 rund 10.700 der 36.989 Stellungspflichtigen, das sind fast 29 Prozent, Psychische- oder Verhaltensstörungen diagnostiziert, auch wenn diese nicht zwangsläufig zur Untauglichkeit führten.
- Weiters wurden Befunde zu Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten, darunter Diabetes und Adipositas, bei rund 12.400 der Untersuchten (33,5 Prozent) festgestellt, wobei es auch Jugendliche geben kann, die unter beiden Krankheiten leiden.
- Auch Sehschwächen und orthopädische Beschwerden tauchen in den Stellungsbefunden vermehrt auf, führen allerdings selten zwingend zur Untauglichkeit.
Zwang zum Zweitgutachten
Die „Zivildienstserviceagentur“, die derzeit dem Bundeskanzleramt und Staatssekretärin Claudia Plakolm unterstellt ist, will die vielen Dienstunfähigen nicht länger einfach so hinnehmen. Sie geht von 200 Personen pro Jahr aus, die eine Krankheit vortäuschen und den Zivildienst mittlerweile umgehen. Etwa, weil sie trotz angeblicher Krankheit statt des Zivildienstes laut Gesundheitskasse einer anderen Beschäftigung nachgehen.
Mit der aktuellen Novelle des Zivildienstgesetzes, die am Donnerstag beschlossen werden wird, bekommt die Behörde nun die Möglichkeit, ein Zweitgutachten bezüglich der Untauglichkeit von einem von der Behörde zugewiesenen Facharzt erstellen zu lassen.
Im Zweifelsfall zum Facharzt
Wörtlich heißt es im neuen Gesetz: „Hat die Zivildienstserviceagentur begründeten Zweifel an der durch einen Arzt oder einer Ärztin bescheinigten Dienstunfähigkeit (..), kann sie den Zivildienstleistenden anweisen, sich unverzüglich einer Untersuchung durch eine/n von der Zivildienstserviceagentur beauftragte/n Facharzt oder Fachärztin zu unterziehen. Die Kosten hierfür hat die Zivildienstserviceagentur zu tragen. Stellt der / die von der Zivildienstserviceagentur beauftragte Facharzt oder Fachärztin keine Dienstunfähigkeit (..) fest bzw. unterzieht sich der Zivildienstleistende nicht der Untersuchung, ist die Zivildienstleistung zu erbringen.“
Sprich: Wer nicht zum jenem Facharzt geht, den die Behörde angeordnet hat, muss seinen Zivildienst antreten, auch wenn ihm zuvor Untauglichkeit attestiert wurde.
Teiltauglichkeit seit 2021
Dabei wurde bereits 2021, um die schwindende Zahl der Tauglichen abzufedern, eine „Teiltauglichkeit“ eingeführt. Diese verpflichtet auch Wehrpflichtigen mit geringen Einschränkungen ihren Grundwehr- bzw. Zivildienstes abzuleisten. Die Teiltauglichen sollen je nach Einschränkung etwa Tätigkeiten im Büro oder im IT-Bereich erfüllen.
Durch die Novellierung des Zivildienstgesetzes soll die Untauglichkeit aus gesundheitlichen Gründen noch stärker reduziert werden.
Die Kosten für die veranlassten Facharztuntersuchungen soll der Bund tragen. Veranschlagt sind 150.000 Euro Mehrkosten pro Jahr. Kosten bei den Sozialversicherungsträgern sollen daher keine anfallen. Entlastet werden außerdem auch die Länder bzw. Amtsärzte, die durch die Novelle weniger Untersuchungen durchführen müssen. Die Nichtantritte aus gesundheitlichen Gründen sollen so reduziert werden.
Erleichterungen beim Zivildienst
Die Regierung will aber nicht nur die Aufnahmekriterien lockern, sondern auch dafür sorgen, dass der Zivildienst rücksichtsvoller abgeleistet werden kann: Vorgesehen ist nämlich auch, den Zivildienst zu attraktiveren, indem es künftig die Möglichkeit auf einen „Papamonat“ für Zivildiener geben soll. Idee ist, dass Familie und Zivildienst besser vereinbart werden können.
Neu ist auch die Möglichkeit, dass der Zivildienst unterbrochen werden kann, wenn es daheim auf Grund von ernsten wirtschaftlichen oder familiären Gründen erforderlich ist.
Weiter soll ein verbesserter Informationsaustausch der Behörde mit den Organisationen, die Zivildiener beschäftigen, kommen, um so eine leichtere Zuteilung, vor allem von teiltauglichen Personen, zu ermöglichen.
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