Tirols Ärzte-Chef: "Länder haben Interesse, Spitäler loszuwerden"
Tirols Ärztekammerpräsident Stefan Kastner fordert in der Gesundheitsdebatte eine tiefgreifende Strukturreform. Vorschlägen etwa von Salzburgs Landeshauptfrau Karoline Edtstadler (ÖVP), die Gesundheit in Bundeskompetenz zu geben, könne er "durchaus etwas abgewinnen", sagte Kastner im APA-Interview. Den oberösterreichischen Ärztekammer-Bezügefall mit rund 26.000 Euro für den dortigen Vizepräsidenten nannte Kastner "ärgerlich" und mahnte österreichweite Transparenz ein.
Angesichts des Wirrwarrs an Zuständigkeiten und Finanzierungsströmen wäre eine zentrale Steuerung, Planung und Finanzierung in der Gesundheit sicher angebracht, ging Kastner auch mit Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) konform. So könnte und sollte der Bund zumindest die Finanzierung der Krankenhäuser übernehmen und der gesamte ambulante Bereich "aus einer Hand" von den Sozialversicherungen getragen werden, plädierte Kastner für markante Änderungen. "Die Chance auf eine Reform ist groß, weil die Länder zum Sparen aufgefordert sind und ihnen das Geld ausgeht", erklärte Tirols Ärztekammerchef. Die Bundesländer hätten wohl ein Interesse, dass sie die "Spitäler los werden" - angesichts von acht bis neun Milliarden Euro an Abgängen.
Eine Bundesverantwortung für die Spitäler hätte auch Potenzial, die Gesundheitsversorgung über Bundesländergrenzen hinweg zu verbessern. "Solange Gastpatienten in einer Region, etwa Niederösterreicher in Wien, abgelehnt werden", sei eine Zentralisierung jedenfalls umso gerechtfertigter. Auch würde sich der Bund wohl leichter tun "in manchen Fragen der Umsetzung", konkret was etwa die Anzahl der Spitäler betrifft, so der Ärztekammerpräsident. Denn Österreich habe generell nach wie vor zu viele Krankenhäuser, die dieselben Leistungen anbieten. Eine schrittweise spezialisierte Entwicklung einzelner Krankenhäuser sei anzustreben.
Nicht Finanzierungs-, sondern Versorgungsstrom
Eine echte Strukturreform werde man aber nur dann erreichen, wenn die Patienten im ambulanten Bereich "nicht mehr dem Finanzierungsstrom folgen müssen wie bisher, sondern dem Strom, wo sie gut versorgt sind". Deshalb wäre die Finanzierung aus einer Hand durch Sozialversicherungen bzw. Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) so wichtig - "damit sich zwei Systeme nicht mehr gegeneinander ausspielen und sich die Krankenhäuser auf das konzentrieren können, was sie wirklich machen müssen." "Und ich bin davon überzeugt, dass die effizientere und volkswirtschaftlich sinnvollere ambulante Versorgung im niedergelassenen Bereich möglich ist", betonte Kastner.
"Es braucht jetzt dieses klare Bekenntnis, dass man den Schritt in den niedergelassenen Bereich gehen will", erklärte Tirols Ärztekammerchef. Die bisherigen Investitionen reichten nicht aus, es brauche ein ganzes Arsenal an Maßnahmen: "Generell stärkere Investitionen für mehr Kassenstellen, ein allgemeiner Leistungskatalog für niedergelassene Ärzte inklusive einer adäquaten Bezahlung mit dem Wegfall von Limitierungen, ein Aus für bürokratische Behinderungen durch die ÖGK, den 'Shift' von Ambulanzen in den niedergelassenen Bereich, effizientere tagesklinische Strukturen." Und gleichzeitig weitere Dinge, die Spitäler entlasten, etwa in Form von Übergangspflege und Stärkung von Strukturen im Alters- und Pflegeheimbereich.
Junge Mediziner besser abholen
Die Bereitschaft der jungen, fertig ausgebildeten Mediziner, auch in periphere Regionen in den niedergelassenen Bereich zu gehen, sei ausreichend vorhanden, war Kastner überzeugt. Man müsse nur die Rahmenbedingungen verbessern und sie früher abholen, wenn möglich schon während der Ausbildung. Zum Beispiel sei es unverständlich, weshalb es in der Facharztausbildung nur vereinzelte Möglichkeiten gebe, eine Lehrpraxis in einer Ordination oder dergleichen finanziert zu bekommen. Dies wäre aber wichtig, denn dann würden die jungen Menschen auch frühzeitig "Unternehmertum lernen".
Auch abseits von Ausbildungsfragen gebe es Probleme: So würden neue Fächer wie Rheumatologie nach wie vor "nicht komplett mit Kassenverträgen abgebildet". Und gebe es zu wenige niedergelassene Stellen für Chirurgie - was allein angesichts der Tatsache, dass mittlerweile die Dickdarmkrebsvorsorgeuntersuchung bereits ab 45 Jahren dringend empfohlen werde, fatal sei. "Wartezeiten bis zu einem Jahr" verzeichne man etwa in Tirol, kritisierte Kastner.
"Geärgert" über oberösterreichischen Bezügefall
Dass im Zuge der Wirtschaftskammer-Causa auch die Ärztekammer wegen der offensichtlichen Bezüge von Oberösterreichs-Vizekammerchef Harald Mayer mit mindestens 26.000 Euro pro Monat ins Fadenkreuz geriet, hat Kastner alles andere als gefallen. Der "ungewöhnliche" Fall hab ihn "gestört und geärgert", machte Tirols Ärztechef klar. Für die Tiroler Kammer gelte: Es gebe Aufwandsentschädigungen, aber mit diesen werde einzig und allein "der Aufwand gedeckt, den die Betroffenen haben und somit keinen finanziellen Nachteil erleiden". Zum Beispiel in seinem Fall, indem er eine Vertretung in seiner Praxis anstellen müsse, so Kastner. In Tirol sei - anders als offenbar im oberösterreichischen Fall - "keiner freigestellt für seine Ärztekammertätigkeit". Es gebe auch "kein Taxi, keinen Chauffeur, keine Firmenautos für Funktionäre", sagte der Ärztekammerchef unter Bezugnahme auf den Fall Mayer.
Vom ersten Tag seiner Präsidentschaft an seien auch Aufwandsentschädigungen und Funktionsgebühren "transparent auf die Homepage gestellt worden", unterstrich Kastner. Mit "Transparenz rauszugehen" - das empfehle er der gesamten Ärztekammer, österreichweit gesehen. Auch diese "tut gut daran, solche Sachen offenzulegen".
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