„Bei uns herrschen derzeit Chaostage“, ist aktuell von Mitarbeitern aus der Wiener Ärztekammer zu hören. Tatsächlich erfahren die internen Kämpfe, die seit Woche die Standesvertretung erschüttern, fast stündlich neue Wendungen.
Mittwochabend könnte sich das politische Schicksal des formell zweitmächtigsten Funktionärs entscheiden: In der Kuriensitzung der niedergelassenen Ärzte wird über einen Misstrauensantrag gegen Kurienobmann und Vizepräsident Erik Randall Huber abgestimmt. Erhält der Antrag eine Zwei-Drittel-Mehrheit ist Huber sein Amt los. Die Abstimmung hätte eigentlich schon vor drei Wochen stattfinden sollen, wurde aber von Huber damals noch kurzfristig von der Tagesordnung befördert. Dies ist nun nicht mehr möglich.
Es ist der vorläufige Höhepunkt des Konflikts, der losbrach, nachdem Huber Missstände in der Handelsfirma Equip4Ordi aufgedeckt hat, die zur Kurie gehört. Es geht unter anderem um zweifelhafte Prämienzahlungen und um Kreditgeschäfte. Gegen einen Manager und zwei mittlerweile entlassene Mitarbeiter der Kammer ermittelt die Staatsanwaltschaft. Zuletzt wurde ein weiterer Manager entlassen.
In Zuge der Causa hatte Huber Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart, in dessen Zeit die fragwürdigen Geschäfte erfolgten, angegriffen und ihn mangelnde Kooperation bei der Aufklärung vorgeworfen. Darauf drehten die Steinhart-Unterstützer den Spieß um und versuchen nun ihrerseits Huber aus dem Amt zu drängen.
Offenbar sehr zum Missfallen der in der Causa ermittelnden Staatsanwaltschaft, die, wie berichtet, am Montag in der Ärztekammer eine Hausdurchsuchung zur Sicherung von Datenträgern vorgenommen hat.
In der Anordnung dafür schreibt sie laut der Recherche-Plattform dossier.at: „Aus politischen Gründen verweigere die Ärztekammer derzeit den mit der Aufklärung beauftragten Personen den Zugang zu diesen Laufwerken/Geräten“.
„Vertuschung“
Die Staatsanwaltschaft ortet „vonseiten des Präsidenten und seiner politischen Unterstützer eine organisierte Vertuschungsaktion“, bei der ab 29. März die Aufklärer aus ihren Positionen entfernt werden sollen. Gemeint ist der Versuch, Huber in der Kuriensitzung abzuwählen. Damit bestehe die „akute Gefahr“, dass weitere Beweismittel vernichtet würden.
Steinhart wollte zu den Vorwürfen keine Stellungnahme abgeben. Aus seinem Umfeld heißt es aber: Auf die einzelnen Mandatare werde von der Gegenseite mit Verweis auf die Statements der Staatsanwaltschaft Druck ausgeübt, nicht an der Abstimmung teilzunehmen. Als Reaktion darauf wurde nun vom Steinhart-Lager ein Gutachten beauftragt, das dem KURIER vorliegt. Darin wird betont, dass eine Teilnahme bei der Abstimmung rechtlich unbedenklich sei.
Indes werden die laufenden Ermittlungen (wegen des Verdachts der Untreue) auf den Verdacht des schweren Betrugs ausgeweitet. Dabei geht es um ein Geschäft mit Pandemie-Schutzmaterial zwischen dem Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) und der deutschen CS Diagnostics, das offenbar über die Equip4Ordi abgewickelt wurde. Nach Platzen der Lieferung ergaben sich für die CS Diagnostics Probleme, bereits getätigte Zahlungen an den Wigev zurückzuerstatten. Die Equip4Ordi sprang mit einem Kredit über eine Million Euro ein.
Im Zuge der verworrenen Geschäfte, die seit Längerem auch das Handelsgericht Wien beschäftigen, soll sich ein Manager der Equip4Ordi „fälschlicherweise und wiederholt als Bevollmächtigter des Wigev ausgegeben“ haben, heißt es in der Sachverhaltsdarstellung die Anwalt Michael Dohr für die CS Diagnostics eingebracht hat.
Pikantes Detail: Diese Anscheinsfunktion sei stillschweigend vom Wigev legitimiert worden, heißt es in dem Schreiben. Seitens des Wigev gab es dazu am Dienstag keine Stellungnahme.
Kommentare