Trotz Kritik: Staatssekretärin will Aufstockung der Medizin-Studienplätze

INTERVIEW MIT STAATSSEKRETÄRIN KÖNIGSBERGER-LUDWIG
Die Sorge der Ärztekammer wegen Abwanderung teilt Ulrike Königsberger-Ludwig nicht, unterstreicht aber "zu 100 Prozent", dass der Job attraktiviert werden müsse.

Engpässe in mehreren Bereichen des Gesundheitssystems beschäftigen Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ). Sie plant eine Reihe von Maßnahmen, wie sie im APA-Gespräch erzählt.

Da wäre erstens der geplante Ausbau der Hotline 1450, die derzeit noch wenig genutzt wird und – nach Vorstellung von Vizekanzler Andreas Babler – ein „Navi fürs Gesundheitssystem“ werden soll.

Die Gesundheitsstaatssekretärin hat nun einen Projektauftrag vergeben. Ausgebaut werden soll einerseits die Gesundheitsberatung, die rund um die Uhr über die Hotline verfügbar sein soll, sowie ein bundesweites Terminservice: Patienten könnten über die Hotline direkt einen Arzttermin buchen. Bis Ende 2026 soll das Angebot in ganz Österreich stehen.

Zudem soll ein telemedizinisches Angebot ausgerollt werden. Die Ärztekammer hat Bedenken wegen Parallelstrukturen und Klage gegen eine Ausschreibung der Österreichischen Gesundheitskasse eingereicht. Königsberger-Ludwig stellt klar: Es gehe nicht um Konkurrenz, sondern darum, Ressourcen optimal zu nutzen. Auch daran arbeite man intensiv.

"Babyboomer" gehen in Pension

Kritisch sieht die Ärztekammer auch einen Ausbau der Studienplätze. Österreich würde bloß noch mehr gut ausgebildete Ärzte an das Ausland verlieren, hieß es kürzlich. Königsberger-Ludwig teilt diese Sorge nicht. Die Kammer habe selbst gewarnt, dass die „Babyboomer“ demnächst in Pension gingen, sagt sie. 

„Wir werden uns über kurz oder lang darüber unterhalten müssen, dass man auch Medizinstudienplätze aufstockt – auch wissend, dass das in der jetzigen budgetären Situation eine echte Herausforderung ist.“

Bei den Aufnahmetests an den Medizin-Unis in Wien, Innsbruck und Graz und der Fakultät der Uni Linz im Juli gab es 12.400 Bewerber auf 1.900 Studienplätze.

„Zu 100 Prozent unterstreichen“ kann Königsberger-Ludwig den Ruf der Ärztekammer nach einer Attraktivierung des Berufs, etwa in Hinblick auf Arbeitszeiten und Familienfreundlichkeit.

Medizin wird weiblicher

Aktuell gehe es weniger um einen Ärztemangel, sondern eher um einen Mangel an Ärzten im öffentlichen System – besonders ausgeprägt im Bereich der Kinder- und Frauenärzte. Kassenplätze müssten attraktiv sein – gerade für junge Ärztinnen und Ärzte, sagt Königsberger-Ludwig und denkt an „flexible Modelle, mit Gruppenpraxen, Primärversorgungseinheiten – auch mit Anstellungen“. Berücksichtigen müsse man dabei, dass die Medizin weiblicher wird – der Anteil an Frauen ist zuletzt gestiegen.

Immer wieder kocht die Debatte hoch, ob Wahlärzte einen Beitrag im öffentlichen Gesundheitswesen leisten sollten. Die SPÖ-Staatssekretärin ist da eher zurückhaltend: Ich bin immer Fan von Anreizen und nicht von Sanktionen.“

Ihr Vorschlag: Beim Aufnahmetest zum Medizinstudium sollen Bewerber Bonuspunkte bekommen, wenn sie sich dazu verpflichten, dem öffentlichen System fünf Jahre nach Beendigung ihrer Ausbildung zur Verfügung zu stehen. Königsberger-Ludwig führt bereits Gespräche mit Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ). lin

FPÖ: "Placebo-Politik"

Kritik an den Aussagen der Staatssekretärin kam von den Freiheitlichen. FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak sprach von einer "teuren Mogelpackung" und "altem Wein in neuen Schläuchen". Die SPÖ-Pläne gegen den Ärztemangel seien "reine Placebo-Politik" und ein "völlig untauglicher Versuch, von der eigenen jahrzehntelangen Mitverantwortung am Gesundheitsdesaster abzulenken", meinte er.

"Die jungen Ärzte flüchten nicht aus dem System, weil es zu wenige Hotlines oder Primärversorgungseinheiten gibt, sondern weil sie unter einem Wust an Bürokratie ersticken, schlecht bezahlt werden und keine Zeit mehr für ihre Patienten haben", so Kaniak. 

Die FPÖ fordere u.a. eine ehrliche Evaluierung des Personalbedarfs, "finanzielle Fairness mit echten Prämien und Überstundenabgeltungen", eine "radikale Entbürokratisierung" und eine "sinnvolle Einbindung von Wahlärzten ins Kassensystem".

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