SPÖ und ÖVP plädieren für Experten-Gremium
Eine international besetzte Expertengruppe solle die Hypo-Vergangenheit aufarbeiten. Das hat Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny im KURIER vorgeschlagen. Statt eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses soll das Milliarden-Debakel also von einem Weisenrat untersucht werden.
Diesem Vorstoß können SPÖ und ÖVP einiges abgewinnen, erfuhr der KURIER, als er sich am Montag im Parlament umhörte.
"Ich kann mir das durchaus vorstellen", sagt etwa ÖVP-Chef Michael Spindelegger zum Nowotny-Vorstoß. Auch Bundeskanzler Werner Faymann sei dafür.
"Kein Polit-Tribunal"
ÖVP-Vize-Klubchef und Bauernbund-Boss Jakob Auer findet den Vorschlag auch "begrüßenswert": "Alles, was dazu beiträgt, in sachlicher Atmosphäre Licht ins Dunkel zu bringen, ist positiv. Denn wir brauchen kein Polit-Tribunal, sondern sachliche Aufklärung."
SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer erläutert im KURIER-Gespräch, er sei grundsätzlich "ein Super-Freund von U-Ausschüssen". Diese seien "das Skalpell" der Politik, aber viele würden dieses Instrument wie eine "Keule" oder einen "Bi-Händer" einsetzen. Das habe sich etwa gezeigt, als Strache im Plenum mit den Handschellen aufgetaucht ist. Es gebe laufend bereits jetzt auch "falsche Vorhaltungen und Anschüttungen". Daran sei erkennbar, dass "der U-Ausschuss schon im Vorfeld missbraucht wird", meint Krainer.
Er halte daher viel von der Idee, die die Kärntner Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle in einem Interview ventiliert hat. Fast gleichlautend wie OeNB-Chef Nowotny hat die Wissenschafterin ein unabhängiges Gremium bestehend aus internationalen Experten als Alternative zum U-Ausschuss genannt. Dieser Vorschlag gefällt Krainer.
"Gescheiter werden"
SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder hält die Idee, anstelle eines U-Ausschusses ein Experten-Gremium einzusetzen, auch für eine "durchaus gute Variante, weil man alles offenlegen kann, aber gleichzeitig den Abwicklungsprozess nicht stört". Man könne "sogar Erfahrungen gewinnen, die bei der Abwicklung helfen können", meint Schieder. Die Hypo-Causa solle "vollkommen durchleuchtet werden. Man kann nur gescheiter werden".
Das möchte die Opposition bestimmt auch, einen Weisenrat lehnt sie dennoch ab. Sie pocht weiterhin auf einen U-Ausschuss.
Die Hypo war schon drei Mal Thema eines U-Ausschusses. Zwei fanden in Kärnten statt: Weil Jörg Haider den Landtag nicht vorab über den Hypo-Verkauf an die Bayern informiert hatte, initiierten Grüne und SPÖ 2007 einen U-Ausschuss.
Nach der Verstaatlichung war die Pleite-Bank erneut Thema eines U-Ausschuss (2010 bis Ende 2011) im Landtag. Im Parlament in Wien hätte sich der Banken-U-Ausschuss (2006/2007) mit der Hypo Alpe-Adria befassen sollen, er wurde aber vorzeitig beendet.
Der Rücktritt von Hypo-Taskforce-Chef Klaus Liebscher war für Finanzminister Michael Spindelegger nicht überraschend, wie er am Montag sagte. Liebscher habe seinen Abgang schon drei Mal intern angekündigt. Bedauern klingt anders.
In Liebschers-Umfeld ist von einer schweren "inhaltlichen Frustration" des früheren Notenbank-Chefs die Rede. Die Gründe: Spindeleggers "unverantwortliche Doppelstrategie", (© Liebscher) eine Bad Bank voranzutreiben, aber die Hypo-Pleite nicht auszuschließen; seine Ansage, Anleihegläubiger trotz der Landeshaftung Kärntens zur Kasse zu bitten sowie das Engagement zusätzlicher internationaler Experten. Ein Taskforce-Mitglied sagte zum KURIER: "Es ist schon frustrierend, dass man in Österreich nur als Experte gilt, wenn man aus dem Ausland kommt."
Was sollen die zusätzlichen Experten bringen?
Das fragen sich viele Beobachter. Bis 3. März soll die Taskforce ihren Endbericht abliefern, dann sollen fünf internationale Experten bis Ende März eine Entscheidungsgrundlage aus dem Taskforce-Vorschlag erarbeiten. Also in drei Wochen leisten, was seit der Notverstaatlichung 2009 nicht gelungen ist. Ein Insider sagt: "Ich bin neugierig, was passiert, wenn die Taskforce A sagt – und die externen Experten sagen B."
Die Rede ist von Dirk Notheis, dem früheren Chef von Morgan Stanley in Deutschland. Die Investmentbank hat Bayern bei der erzwungenen Hypo-Notverstaatlichung beraten. Spindelegger sieht darin kein Problem. Notheis sei nicht persönlich involviert gewesen, nur seine Firma. Dass Österreich mit Bayern um 2,3 Hypo-Milliarden vor Gericht streitet, steht offenbar auf einem anderen Blatt.
Warum geschieht das alles erst jetzt?
Am 10. Februar scheiterte die Bankenbeteiligung. Und Spindelegger verkündete die Anstaltslösung ("Bad Bank") für die Hypo. Dann gingen die Chaostage los – Höhepunkt: Liebschers Rücktritt am Freitag. Spindelegger schiebt Kritik von sich: "Mir Zeitverzögerung vorzuwerfen, weise ich strikt zurück." Er habe mit dem Kanzler die Hypo-Taskforce ins Leben gerufen. Finanzminister sei er erst seit dem 16. Dezember 2013.
Was kosten die Heerscharen an Beratern?
Bisher fielen Beraterkosten von 230 bis 300 Millionen Euro an. Nun kommen viele Millionen dazu. Neben Dirk Notheis wird Oliver Wyman erneut engagiert. Dieser Berater hat die Hypo schon 2011 für einen siebenstelligen Betrag beraten. Und im Dezember 2013 war Oliver Wyman für ein Gutachten verantwortlich, in dem die Insolvenz-Variante als günstigste Lösung beschrieben, aber nicht nachgerechnet wurde.
Woran arbeitet das Finanzministerium?
An einer wasserdichten Lösung, wie man Anleihe-Käufer ab einem gewissen Stichtag zur Kasse bitten kann. Für OeNB-Chef Ewald Nowotny ist das "nicht unmittelbar umsetzbar". Spindelegger sagt: "Prüfen muss man es." Ein Insider meint: "Man kann versuchen, die Anleihe-Gläubiger zu beteiligen, sollte das aber nur im stillen Kämmerlein sagen. Sonst ruft man die Ratingagenturen auf den Plan." Am Montag stufte Moody’s auch Hypo-Pfandbriefe herunter – wie zuvor die Anleihen, die Bank und Kärnten.
Wird die Hypo-Pleite noch in Erwägung gezogen?
Als Drohpotenzial gegenüber Bayern und den Hypo-Gläubigern steht sie weiter im Raum. Drei unabhängige Stellen sollen noch einmal nachrechnen, welchen Schaden eine Pleite verursachen würde. Das soll den Insolvenz-Befürwortern den Wind aus den Segeln nehmen – und die Bad Bank als relativ beste der vielen schlechten Lösungen erscheinen lassen. Bisher war seitens der Notenbank von 16 Milliarden Euro an "direkten" Pleite-Kosten die Rede. Kritiker sagen, dabei handle es sich um eine Hausnummer. Der einzig "harte" Wert seien jene 2,3 Milliarden, die Bayern noch als Darlehen in der Hypo habe. Und dieses Geld könne Österreich bei einer Insolvenz einbehalten – bei einer Bad-Bank-Lösung sei es weg.
Die Zukunft der Hypo beschäftigt auch die bayerische Innenpolitik. Die SPD will in einer dringlichen Anfrage von der Staatsregierung wissen, was eine Hypo-Pleite, die Österreich nicht ausschließt, für die BayernLB und den Staatshaushalt bedeuten würde.
Die BayernLB war bis zur Notverstaatlichung der Hypo 2009 Mehrheitseigentümerin der Kärntner Problembank. Bei wichtigen Hypo-Umbaubeschlüssen, vor allem auch für eine Bad Bank/"Anstalt", haben die Bayern Mitspracherecht. Bayerns SPD will wissen, ob die Bank pleitegeht oder in eine Bad Bank ausgegliedert wird. Die geschätzten vier bis 19 Milliarden an möglichem Hypo-Schaden seien auch für Bayern ein Problem; die Hypo steht bei der BayernLB selbst mit 2,3 Milliarden in der Kreide, zusätzlich zu den 3,75 Milliarden, die das Hypo-Abenteuer der BayernLB die Steuerzahler gekostet hat, argumentiert die SPD.
Im Prozess gegen Ex-Vorstände der BayernLB wegen des Hypo-Debakels wurde am Montag der Ex-Chefkontrolleur und bayerische Sparkassenpräsident Siegfried Naser als Zeuge vernommen. Er trug den Milliardenkauf der Hypo mit. Laut Naser haben die Kontrolleure der BayernLB "keine Fehler" gemacht. "Wir wussten: Der Vorstand lügt uns nicht an."
Die Regierung sucht Wege, Inhaber von Anleihen der Hypo, die vom Land Kärnten eine Rückzahlungsgarantie haben, zu einem teilweisen Verzicht auf ihr Geld zu bewegen. Der KURIER erklärt die wichtigsten Begriffe.
Anleihe
Wenn ein Unternehmen Geld für Investitionen braucht, kann es dies aus eigenen Mitteln bezahlen, einen Kredit aufnehmen oder eine Anleihe begeben. Diese Anleihe ist ein Wertpapier, das Unternehmen (Emittent) ist der Schuldner, der Käufer dieser Anleihe der Geldgeber. Anleihekäufer gewähren also eine Art Kredit, bekommen dafür Zinsen und am Ende der Laufzeit das Geld zurück. Geht das Unternehmen pleite, verlieren sie das ganze oder einen Teil des Geldes. So wie Konzerne finanzieren sich Banken, Bundesländer, Städte oder Staaten über Anleihen.
Haftung
Übernimmt ein Staat eine Haftung für eine Anleihe, sagt er dem Anleihekäufer damit: Wenn das Unternehmen oder die Bank nicht zurückzahlt, springe ich ein. Diese Anleihen gelten daher als besonders sicher. Nur wenn auch der Garantiegeber – also Bundesland oder Staat – pleitegeht, verlieren die Anleihekäufer Geld. Im Fall der Kärntner Hypo hieße das: Kärnten muss pleite gehen, dann müssen die knapp zwölf Milliarden Euro an Anleihen der Hypo, für die das Land haftet, nicht zurückgezahlt werden. Wenn ein Land Anleihen, für die es haftet nicht tilgt, hat das negative Folgen für seinen finanziellen Zustand. Wenn es nämlich neue Anleihen begibt, werden die Käufer sagen: Die Rückzahlung ist unsicher, daher kaufe ich die Anleihen nur, wenn ich hohe Zinsen dafür bekomme. Argentinien oder Zypern haben zuletzt Anleihen nicht ausgezahlt.
Mündelsicher
Landesgarantierte Anleihen wie jene der Hypo Kärnten gelten per Gesetz sogar als mündelsicher. Das heißt, Kapitalvermögen für entmündigte Personen oder Minderjährige darf in diesen Papieren angelegt werden. Tatsächlich sind Hypo-Anleihen in mündelsicheren Investmentfonds. Zahlt Kärnten oder die Republik diese Hypo-Anleihen nicht zurück, bricht der Staat eigene Gesetze.
Pfandbrief
Das ist eine Anleihe, die mit Grundstücken oder Immobilien besichert ist. Begeben werden solche Anleihen vor allem von Hypothekenbanken. Die Hypo Kärnten hat 1,2 Mrd. Euro an Pfandbriefen begeben. Diese dürfen nur jene emittieren, die ein gesetzliches Pfandbriefrecht haben.
Noch, so heißt es vonseiten der Regierungsspitze, sei eine Insolvenz der Hypo-Alpe- Adria-Bank-International ja nicht vom Tisch. Noch werde geprüft, ob die Republik die schwer marode Bank nicht doch lieber "krachen" schickt, wie es nicht wenige Bürger wünschen und formulieren würden, statt sie wie geplant "abzuwickeln".
Doch das hätte einen gewaltigen Haken. Bernhard Felderer, Chef des Staatsschuldenausschusses und profunder Kenner der Materie, erwähnte eines der größten Probleme einer Insolvenz in einem ORF-Interview in einem Nebensatz: Die Bankenaufseher in Kroatien und Bosnien-Herzegowina hätten durchblicken lassen, dass sie im Falle einer Pleite der Bank ihre jeweiligen Landes-Hypos sofort verstaatlichen würden, erklärte Felderer.
System-relevant
Es ist davon auszugehen, dass auch die Behörden in allen anderen Ländern am Westbalkan, in denen die Hypo-Töchter nach wie vor tätig sind, genau so handeln würden. Für die Mutter-Hypo in Klagenfurt, und damit den Steuerzahler, wären die Folgen durchaus problematisch. Denn damit wären die einzigen noch wertvollen Teile der Bank, die für gutes Geld verkauft werden könnten, weg.
In der Öffentlichkeit am Balkan ist eine mögliche Insolvenz kein Thema. Die Banken arbeiten normal, einige werfen wieder Gewinne ab. Seit der Notverstaatlichung wird versucht, die Teilbanken in Slowenien, Kroatien, Serbien, Bosnien und Montenegro für einen möglichen Verkauf fit zu machen, indem alle negativen Werte herausgelöst und in die Mutter oder andere Abwicklungsinstitute transferiert werden.
Die Bank bestätigt, dass sowohl für die Gruppe als Ganzes als auch für die Einzelbanken bereits Verkaufsgespräche geführt werden. Verbindliche Angebote sind für Anfang des zweiten Quartals terminisiert.
Über mögliche Verkaufspreise gibt es nur Spekulationen, vielleicht zwei Milliarden könnten lukriert werden. Das Problem sei, dass die Zeiten, eine Bank zu verkaufen, alles andere als gut sind, ist aus Bankenkreisen zu erfahren – überhaupt bei einer Bank, die schon einmal verkauft wurde, und dann notverstaatlicht werden musste.
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