Nowotny für Weisenrat anstelle von U-Ausschuss

Nowotny für Weisenrat anstelle von U-Ausschuss
Notenbank-Chef: Internationale Experten sollen die heikle Vergangenheit der Hypo Alpe-Adria aufarbeiten.

Nationalbank-Chef Ewald Nowotny, der den Vorsitz in der Hypo-Taskforce übernimmt, schlägt eine "international besetzte Expertengruppe" zur Aufarbeitung der Hypo-Vergangenheit vor. Das falle zwar nicht in den Zuständigkeitsbereich der OeNB, sagte Nowotny im KURIER-Interview am Freitag Nachmittag, aber "als Staatsbürger" befürworte er, dass Experten diese "schwierigen Zusammenhänge objektiv aufarbeiten".

Ein U-Ausschuss sei in dieser heiklen Frage nach allen bisherigen Erfahrungen hoch problematisch. Daher könne er sich mit der Kurzformel "Weisenrat statt U-Ausschuss" anfreunden. Geholt werden sollten dafür Experten aus dem Ausland, so Nowotny, deren "Objektivität niemand anzweifeln kann und die nicht in den österreichischen Strukturen verhaftet sind".

Auch die Arbeit der Nationalbank und der Finanzmarktaufsicht könne untersucht werden, bietet Nowotny an. "Wir haben nichts zu verbergen." Die Kritik an der Arbeit der Bankenaufsicht "ärgere ihn". Diese Kritik sei Ausdruck der Mentalität "Haltet den Dieb".

Angesprochen auf den Rücktritt seines Task-Force-Kollegen und Vorgängers in der Nationalbank, Klaus Liebscher, zitierte Nowotny einen Satz aus dessen Abschiedsbrief – ...habe diese Behandlung weder verdient noch notwendig" (siehe unten) und meinte: "Ich habe für diesen Satz volles Verständnis."

Das hat Nowotny auch dafür, dass sich Finanzminister Spindelegger den deutschen Ex-Investmentbanker Dirk Notheis als Berater holt. Er wisse nicht, dass Notheis Berater der BayernLB bei der Hypo-Notverstaatlichung war, sagte Nowotny. Aber 2007, als Berater des ÖGB beim Bawag-Verkauf, habe Notheis "gute Arbeit" geleistet.

"Die Zeit drängt wirklich"

Bezüglich einer Beteiligung der Anleihegläubiger an den Abwicklungskosten zeigte sich Nowotny am Samstag im ORF-Mittagsjournal äußerst skeptisch. Dies sei "nicht unmittelbar umsetzbar", vor allem wegen der riesigen Haftungen Kärntens. Auch technisch wäre die Umsetzung problematisch.

Seine Meinung als "Staatsbürger" sei, dass aber vom Land Kärnten ein Beitrag kommen müsse. Auch andere Bundesländer sollten zur Abwicklung beitragen, indem sie auf ihren Anteil an der Bankenabgabe verzichteten.

Den 3. März nannte Nowotny als konkreten Termin für die Ausarbeitung des Anstaltsmodells: "Wir sind unter internationaler Beobachtung. Die Zeit drängt wirklich.“

Paukenschlag in der Causa Hypo: Nach dem Zerwürfnis mit der Regierung um die Insolvenz-Variante und die Behandlung der Gläubiger sowie neuen externen Beratern, schmiss Ex-Nationalbank-Gouverneur Klaus Liebscher am Freitag seine Jobs hin. In einem Schreiben an Finanzminister Michael Spindelegger begründete er seinen Rücktritt von der Taskforce und als Aufsichtsratschef der Hypo so: "Nach einem langen und mit Anstand geführten Berufsleben habe ich eine derartige Behandlung in der Öffentlichkeit weder verdient noch notwendig."

Notenbank-Chef Ewald Nowotny folgt Liebscher in der Hypo-Taskforce, Kontrollbank-Chef Rudolf Scholten folgt ihm als Hypo-Aufsichtsratsboss.

Die Bombe platzte, kurz nachdem Spindelegger erklärt hatte, wie intensiv die Taskforce arbeite, und dass er in der ersten Märzwoche ausgefeilte Modelle zur Anstaltslösung erwarte. Diese Lösung besagt, dass der Bund das gesamte Risiko der Hypo-Abwicklung inklusive der 12,5 Milliarden Kärntner Landeshaftungen übernimmt. Diese Modelle wird Spindelegger von eigens vom Finanzministerium angeheuerten Beratern nochmals begutachten lassen. Bis Ende März soll eine Entscheidung fallen.

Gläubiger-Verzicht

Andere Varianten als die Anstaltslösung arbeitet die Taskforce nicht aus, sagt Spindelegger, er betont aber gleichzeitig, er sei "kein Anhänger" der Anstaltslösung, sondern auch für andere Varianten offen. Welche das sind, sagte er nicht. Aber es werde "alles geprüft", auch, wie man Gläubiger beteiligen könne.

Spindelegger will jene Gläubiger, die jetzt billig Hypo-Anleihen kaufen, um dann in den Genuss der 100-prozentigen Haftung des Staates zu kommen, zu einem Verzicht bewegen. Wie er an diese Anleger heran kommen wolle, konnte Spindelegger nicht sagen. IHS-Chef Christian Keuschnigg sagte hingegen, Anleger unterschiedlich zu behandeln, "geht nicht", außer, sie verzichten freiwillig. Und diejenigen, die jetzt auf einen Gewinn aus den Haftungen spekulieren, würden kaum auf Geld verzichten, denn sonst würden sie ja nicht spekulieren.

Spindelegger gab am Freitag auch bekannt, dass er den deutschen Ex-Investmentbanker Dirk Notheis als Berater holt. Spindelegger begründete dies damit, dass Notheis beim Verkauf der Bawag an Cerberus (2007) gut gearbeitet habe.

Notheis hat auch eine andere Vorgeschichte: Er stolperte vor 1,5 Jahren über die Affäre um den 4,7-Milliarden-Rückkauf des deutschen Atomkonzerns ENBW vom französischen Staatskonzern EdF. Die deutsche Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Notheis wegen möglicher Beihilfe zur Untreue. Was Beobachter mehr stört, ist die Tatsache, dass Morgan Stanley 2009 die BayernLB beraten hat, als diese die Notverstaatlichung der Hypo durch Österreich erzwang. Notheis war damals Morgan-Stanley-Chef in Deutschland. Spindelegger sieht darin kein Problem.

Seitenwechsel

Jetzt soll Notheis die Seite wechseln und den österreichischen Finanzminister in genau jener Hypo-Causa beraten, bei der Österreich erneut ein Kampf mit Bayern bevorsteht. Für die Anstaltslösung braucht Österreich nämlich die Zustimmung der BayernLB. Es geht dabei auch um satte 2,3 Milliarden Bayern-Euro, die noch in der Hypo stecken, und um die vor Gericht gestritten wird, weil Österreich sie den Bayern nicht auszahlen will. Bei einer Anstaltslösung hat Österreich schlechte Karten, da wird man das Geld an München überweisen müssen, wie Spindelegger einräumte. "Derzeit verhandle ich nicht mit Bayern. Sobald wir wissen, was wir wollen, werde ich Gespräche aufnehmen", so Spindelegger. Kärnten wird laut Spindelegger auf jeden Fall zur Kassa gebeten.

Die Anstaltslösung kommt für die Hypo billiger als eine Insolvenz, vor allem weil die Folgen der Insolvenz unabsehbar sind. Daher sollte man eine Insolvenz nicht anstreben. Trotzdem sollte man sie "als letzte Möglichkeit im Köcher behalten", insbesondere um die BayernLB unter Druck zu setzen, sagte Bernhard Felderer, Präsident des Fiskalrates, am Freitagabend in der ZiB2.

Felderer glaubt, dass die Kosten für die Abwicklung der Hypo "unter vier Mrd., vielleicht zwei Mrd." betragen werden. Obwohl die Zahlen zur Verschuldung der Bank von drei Seiten mit immer dem gleichen Ergebnis berechnet wurden, beharrt die Regierungsspitze darauf, dass sie sich nicht abschätzen lassen. "Ich würde auch sagen, die Regierung hat in der Kommunikationsarbeit nicht das Beste geleistet", sagt Felderer dazu.

Die Finanzmärkte sind hoch nervös, Österreich bleibt bei den großen Ratingagenturen "auf dem Radar", sagt IHS-Chef Christian Keuschnigg. Wirtschaftsforscher Ulrich Schuh pflichtet ihm bei: "Das ist eine hochsensible Phase. Da ist es besonders wichtig, einen soliden Eindruck zu hinterlassen. Offen über die Hypo-Insolvenz zu spekulieren, hinterlässt aber einen denkbar unglücklichen Eindruck an den Finanzmärkten", so Schuh in Richtung Regierungsspitze, die eine Hypo-Pleite nach wie vor nicht ausschließt.

Hintergrund: Die Agentur Fitch hat am Freitag wider Erwarten Österreichs Bestnote, das "Triple-A" samt stabilem Ausblick, bestätigt. Am Vorabend meldete die hochseriöse Nachrichtenagentur Bloomberg, dass Fitch Österreichs Ausblick auf "negativ" setzen werde. Der entsprechende KURIER-Bericht verärgerte Finanzminister Spindelegger. "Mit Schlagzeilen die Märkte durcheinanderzubringen, ist gefährlich für die Bonität", schulmeisterte er am Freitag. Diesen Vorwurf darf das Ministerium an sich selbst richten.

Die Agentur-Meldung kam am Donnerstag um 16.42 Uhr, das Ministerium dementierte trotz Rückfrage nicht, obwohl man viele Stunden lang Bescheid wusste. Auch Notenbank-Chef Nowotny diskutierte das Thema ausführlich am Donnerstag Abend mit Journalisten, auch er wurde offenbar nicht vom wahren Sachverhalt unterrichtet. Schon am kommenden Freitag geht das Match mit den Agenturen weiter: Publiziert wird der neue Österreich-Bericht von Moody’s. Und da steht die nächste Abstufung im Raum.

Moody’s hat schon im Oktober vor dem Verlust des Triple-A gewarnt, sollte Österreich erneut gezwungen sein, notleidenden Banken unter die Arme zu greifen. Für Keuschnigg ist nicht der drastische Schuldenanstieg durch die Hypo-Abwicklung das Kernproblem, sondern die Insolvenzdebatte, respektive die Verunsicherung der Anleihe-Zeichner über den Wert der Haftungen für ihr Investment.

Auch Spindelegger will die Gläubiger an den Hypo-Kosten beteiligen, obwohl die Anleihen mit Landeshaftungen besichert sind. Keuschnigg: "Man muss zu seinen Verträgen und Versprechen stehen. Österreichs Garantien verlieren an den Finanzmärkten an Glaubwürdigkeit. Irgendwann sind diese Garantien wertlos. Das ist das Problem." Erst am Dienstag hat Moody’s sein sinkendes Vertrauen in Staatshaftungen dokumentiert und zuvor schon Kärnten und die Hypo herabgestuft. Auch Ex-Notenbank-Chef und Ex-Hypo-Taskforce-Leiter Klaus Liebscher hatte die die Regierung zuletzt vor einem Schuldenschnitt für die Anleihe-Gläubiger gewarnt. Das würde im krassen Gegensatz zu "unserer Rechtsordnung" stehen.

An diesem kalten Wintertag, Sonntag, dem 13. Dezember 2009, ging es im Finanzministerium in Wien heiß her: Es wurde ab dem Nachmittag bis spät in die Nacht mit Vertretern Bayerns die Zukunft der maroden Hypo Alpe-Adria verhandelt. Am Ende war die Bank verstaatlicht.

Bayern war fest entschlossen, aus der Bank auszusteigen. "Die Ansage war: Leute, das ist jetzt euer Problem." Österreich könne besser aufräumen als die BayernLB, die nicht alle Anteile besaß, argumentierten die Münchner. Die Verhandlungsposition Österreichs war schlecht: Die Bayern besaßen zwar die Mehrheit an der Bank, Kärnten und damit Österreich hafteten jedoch mit 19 Milliarden Euro.

Die BayernLB sei damals bereit gewesen, die Hypo mit all ihren Beteiligungen in Osteuropa in Konkurs gehen zu lassen, klagte jüngst Notenbankchef Ewald Nowotny. Ihren Frust ließen die Österreicher ihre Gäste spüren. Die bayerischen Verhandler seien in Wien erst in einem kalten Raum ohne Getränke untergebracht worden, erinnert sich ein Unterhändler. "Das gehörte zu den Psychospielchen."

Die Verhandlungen liefen holprig. Der braun gebrannte österreichische Finanzminister Josef Pröll, der gerade von einem Urlaub auf Mauritius zurückgekehrt war, sei mit Gerd Häusler, damals Verwaltungsratschef der BayernLB und einer der Chefverhandler, mehrmals aneinandergeraten, erinnern sich Teilnehmer.

Im Laufe der Verhandlungen erklärte sich Österreich bereit, die Hypo für den symbolischen Preis von 1 Euro zurückzunehmen. Auf eine Prüfung der Hypo-Bücher, eine sogenannte Due Diligence, wurde verzichtet. Zum einen habe Österreich die Bank bereits gut gekannt, berichtet ein Beteiligter. "Zum anderen fehlte dafür schlicht die Zeit."

Österreich forderte jedoch finanzielle Zugeständnisse. Sonntagnacht habe Pröll in der Kantine des Finanzministeriums mit einer Debreziner-Wurst im Mund versucht, seinen bayerischen Kollegen zu einer Milliardenspritze für die Hypo zu bewegen, erinnern sich Beteiligte. "Ich brauch a Milliarde für die Außendarstellung", soll Pröll den damaligen bayrischen Finanzminister Georg Fahrenschon angefleht haben.

Doch Fahrenschon, der mittlerweile Präsident des deutschen Sparkassenverbandes ist, ließ Pröll abblitzen. "Geh’ Josef, das macht jetzt keinen Sinn." Geworden sind es dann 800 Millionen von den Bayern, 200 Millionen von den Kärntnern und 30 Millionen von der Grazer Wechselseitigen – also haarscharf über eine Milliarde.

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