Sogar Kreisky und Taus, aber auch Figl und Renner oder Raab und Körner hatten abseits der Öffentlichkeit gute Beziehungen zueinander. Heute mangelt es schmerzhaft an derartigen Verbindungen.
Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Natürlich haben Politiker auch früher miteinander gestritten, um Posten und Ministerien geschachert, Intrigen gesponnen – aber irgendwann war Schluss mit der Streiterei, und dann haben sie sich die Hände gereicht, sind miteinander zum Heurigen gegangen und haben konstruktiv zusammengearbeitet.
So war’s bei vielen österreichischen Staatsmännern und -frauen, egal ob sie rot, schwarz oder – in manchen Fällen sogar – blau waren. Und das ist mit ein Grund für die Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik. Heute hingegen kann man sich nicht so recht vorstellen, dass Kickl, Stocker oder Babler einen ehrlichen Weg gegenseitigen Respekts beschreiten.
Dabei gäbe es jede Menge Vorbilder: Während ÖVP-Bundeskanzler Josef Klaus und sein roter Nachfolger Bruno Kreisky einander im Wahlkampf 1970 nichts schuldig blieben, schreibt Kreisky in seinen Memoiren: „Was immer man über die Regierung Klaus sagt oder über die in ihr maßgebenden Persönlichkeiten, es handelte sich um untadelige Politiker.“
Und Klaus meinte nach Kreiskys Tod: „Er konnte mit seiner Begabung und Persönlichkeit die Politik ganz auf sich konzentrieren . . . Er war, bei allem, was uns politisch trennte, ein großer, ein außergewöhnlicher Mann.“
Kreisky holt Koren
Sogar VP-Chef Josef Taus, dessen unglückliches TV-Duell mit Kreisky 1975 in Erinnerung blieb, erklärte in Interviews, „dass Kreisky ein erfolgreicher Politiker, ein gebildeter und intelligenter Mensch war, der mit Leuten gut umgehen konnte.“ Persönlich hätten sie ein durchaus gutes Verhältnis zueinander gehabt, Kreisky befragte ihn manchmal sogar zu wirtschaftspolitischen Themen.
Ex-Finanzminister Stephan Koren wiederum war ein Schwarzer, der von Kreisky geschätzt wurde. Und zwar so sehr, dass ihn der rote Kanzler 1978 als Präsident in die Nationalbank holte. In erster Linie wegen seiner fachlichen Kompetenz, aber wohl auch, um der ÖVP einen ihrer fähigsten Politiker „wegzunehmen“.
Übrigens hat der frühere ÖVP-Kanzler Alfons Gorbach einmal eine Laudatio auf Bruno Kreisky gehalten. Kreisky replizierte: „Was hätte Dr. Gorbach erst alles an Freundlichkeiten über mich gesagt, wären wir beide in der selben Partei?“
Da bin ich mir allerdings nicht so sicher, zumal Freund-Feind-Parteifreund eine in Österreich äußerst beliebte Konstellation ist. Das zeigen nicht nur die problematischen Beziehungen Kreisky-Androsch, Steger-Haider, Mitterlehner-Kurz oder Rendi-Wagner und Doskozil.
Aber zurück zu den über die Parteigrenzen hinweg funktionierenden Verbindungen: Ich kann mich noch gut erinnern, wie Erhard Busek (ÖVP) und Karl Blecha (SPÖ) vor Jahren in der ZiB 2 ein Streitgespräch führten, in dem die sprichwörtlichen Fetzen flogen. Nach der Sendung ging ich ins Innenstadtlokal Oswald & Kalb. Und wer saß dort, gut gelaunt und geradezu innig miteinander plaudernd?
Erraten: Busek und Blecha. Das war der „österreichische Weg“, der jahrzehntelang funktionierte, von dem aber heute nicht viel übrig geblieben zu sein scheint.
Zu den frühen Protagonisten dieses Weges zählte ÖVP-Obmann und Bundeskanzler Leopold Figl, der nach dem Krieg Politiker aller Couleurs zu Besprechungen in seine Villa lud. Figls Tochter Anneliese bewahrt heute noch das Gästebuch ihres Vaters auf, in das sich neben Parteifreunden auch rote Prominenz von Karl Renner bis Adolf Schärf eintrug. „Die besten Grüße des Bauernsohnes dem Bauernsohn für die Arbeit am Wohl unseres Volkes“, schrieb etwa Bundespräsident Karl Renner im Dezember 1945.
Figls Beziehungen zur roten Reichshälfte waren sogar zu gut, jedenfalls wurde er wegen seiner Kompromissbereitschaft mit dem Koalitionspartner von der eigenen Partei gestürzt.
Sein Nachfolger Julius Raab und Bundespräsident Theodor Körner (SPÖ) hatten beide – in sehr unterschiedlichen Rängen – im Ersten Weltkrieg gedient. Als Raab 1953 zu seiner Angelobung als Bundeskanzler in die Hofburg kam, nahm er Haltung an und begrüßte das Staatsoberhaupt mit den Worten: „Herr General! Oberleutnant der Reserve Julius Raab meldet sich gehorsamst zur Stelle!“
Legendär war die Freundschaft Raabs mit dem Gewerkschaftspräsidenten Johann Böhm, die als „Väter“ der Sozialpartnerschaft gelten. Als Böhm einmal mit seinen Forderungen für die Arbeitnehmer aus Raabs Sicht zu weit ging, entgegnete der Kanzler in Anspielung auf die Zustände in der Zwischenkriegszeit: „Mei liaber Freund, weil’s damals allen gleich schlecht gangen is, kann’s jetzt net allen gleich guat gehen.“
Als Sozialpartner schrieben auch Wirtschaftskammer-Präsident Rudolf Sallinger und Gewerkschaftschef Anton Benya Geschichte. Letzterer schuf die „Benya-Formel“ als Berechnungsgrundlage für Gehaltsforderungen, die den sozialen Frieden in Österreich sicherte.
Als vorbildlich erweist sich die Freundschaft zwischen Niederösterreichs ehemaligem Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) und Wiens Ex-Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), die 1992 beim Begräbnis der Fußball-Legende Ernst Happel ihren Anfang nahm. „Ich halte es für eine der vornehmsten Aufgaben der Politik“, sagt Erwin Pröll heute, „über Partei- und Landesgrenzen hinweg freundschaftliche Verbindungen zu pflegen. Die Freundschaft zwischen Michael Häupl und mir ist natürlich gewachsen und hat schwierige Problemfelder zum Vorteil beider Bundesländer überwinden können. Es ist eine Freundschaft, die weit über unsere Funktionsperioden hinaus gehalten hat und halten wird.“
Das wäre der Idealfall. Dabei muss es ja nicht immer gleich Freundschaft sein. Etwas gegenseitige Wertschätzung würde schon reichen. Doch danach schaut’s in der aktuellen Politik nicht gerade aus.
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