SPÖ-Frauenministerin: "Oft wird den Opfern die Schuld zugeschoben"

Eva-Maria Holzleitner will als SPÖ-Ministerin beim Thema „Gewalt gegen Frauen“ ein Zeichen setzen.
KURIER: Frau Holzleitner, Sie haben zuletzt mit Aussagen aufhorchen lassen, dass das Sexualstrafrecht verschärft werden soll. Zentral ist dabei der Satz, dass nur ein Ja ein Ja sein soll. Was schwebt Ihnen da vor?
Eva-Maria Holzleitner: Dieses Zustimmungsprinzip, nur ein Ja heißt auch Ja, wäre ein ganz wichtiger Ansatz, der schon in vielen europäischen Ländern etabliert worden ist. Es geht in Richtung mehr Opferschutz, mehr Selbstbestimmung, insbesondere für Frauen. Es wäre ein besserer Ansatz in partnerschaftlichen Fragen. Wir haben hier mit der Justizministerin einen Vorstoß gemacht und wollen darüber diskutieren.
Vorbilder sind meist die skandinavischen Länder. Da will man teilweise so weit gehen, dass es schriftlich ein Einverständnis geben soll, bevor man intim wird.
Da braucht sich niemand fürchten, weil wenn man sich kennenlernt und feststellt, dass da die Chemie stimmt, dann sollte es normal sein, dass man fragt, ob es ok ist, diesen Schritt gemeinsam zu wagen. Das sollte in einem guten Miteinander üblich sein. Wir wollen diese Diskussion auch auf europapolitischer Ebene führen. Es wurde ja auf EU-Ebene eine Gewaltschutzrichtlinie beschlossen, bei der zu Beginn die Diskussion in die Richtung gegangen ist, dass nur ein Ja auch Ja heißt. Leider ist das wieder rausgenommen worden. Da wollen wir in der EU eine erneute Debatte starten.
Zum ausführlichen Interview mit Ministerin Holzleitner
Falls auf dieser Ebene nichts passiert, soll es dann national umgesetzt werden?
Wir wollen in Österreich auf jeden Fall mit allen Fraktionen über diese Prinzipänderung diskutieren. Wir haben mit dem Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen gestartet, der soll bis Ende des Jahres fertiggestellt werden. Das ist ein sehr ambitionierter Zeitplan, deshalb kann es sein, dass gewisse Punkte auch darüber hinaus noch diskutiert werden müssen.
Das Prinzip „nur ein Ja ist ein Ja“ erinnert an den Prozess, bei dem es Vergewaltigungsvorwürfe bezüglich eines zwölfjährigen Mädchens gegeben hat. Da galt im Gericht nicht einmal die Linie „ein Nein ist ein Nein“. Wie sehen Sie das?
Grundsätzlich ist mir Opferschutz ein sehr wichtiges Anliegen. Mit dem Prinzip „Nur Ja heißt Ja“, wollen wir ein klares Zeichen setzen, weil wir viel zu oft sehen, dass Opfer beschämt werden, dass Opfern die Schuld zugeschoben wird. Wir kennen das bei Vergewaltigungsvorwürfen. Fragen, wie was hatte die Frau an, hat sie nicht irgendwie auch ein bisschen schuld dürfen einfach nicht mehr gestellt werden. Das ist für mich ehrlicherweise eine inakzeptable Diskussion. Sehr wichtig war da auch der Prozess von Gisele Pelicot in Frankreich, die dieses Thema ganz klar wieder vor den Vorhang geholt hat. Die Scham muss die Seite wechseln. Mir als Frauenministerin ist wichtig, dass der Opferschutz an erster Stelle steht und dass man ganz klar sagt, dass der Täter schuld ist. Dem Opfer muss dann auch der bestmögliche Schutz zugesprochen werden.
Die Justizministerin ist bei diesem Weg auf Ihrer Seite?
Die Justizministerin ist hier wirklich eine glühende Feministin und vor allem eine versierte Expertin. Deswegen arbeiten wir auch gut und eng zusammen, insbesondere im Bereich des Gewaltschutzes.
Vor wenigen Wochen ist eine große deutsche Wochenzeitung mit dem Titel „Die Welt wird wieder männlicher“ erschienen. Ist das so?
Wir merken leider an vielen Ecken und Enden einen gewissen Backlash. Einen Teil trägt Social Media dazu bei. Beim Sieg von Donald Trump ist der Wahlsieg auch von Männern gefeiert worden, die Frauen an den Herd zurückdrängen wollen. Sie haben den Slogan „Your body my choice“ skandiert. In Anlehnung an den Slogan der Frauchenrechtsbewegung „My body my choice“, also mein Körper ist meine Entscheidung im Hinblick auf Selbstbestimmung bei reproduktiven Rechten. Wir merken den Backlash, wenn es etwa um den Schwangerschaftsabbruch geht. Hier ist in den USA eine Verschlechterung zu verzeichnen.
Und wie sieht es in Österreich aus?
Wir verspüren auch in Österreich, dass wieder mehr mit traditionellen Rollenbildern gespielt wird, dass den Frauen vorgegaukelt wird, die eigenen vier Wände sind das einzige Glück, das Frauen haben sollen. Natürlich sind die Familie und das Zuhause etwas Wertvolles, aber ganz wichtig ist es, dass Frauen auf ihre Selbstbestimmung schauen, dass man eigenes Geld verdient, dass man auf das eigene Pensionskonto einzahlen kann, dass man gewisse Sicherheiten hat. Da lastet ein sehr schwerer Druck auf den Frauen, den sich insbesondere rechte Bewegungen sehr gerne zunutze machen.

Eva-Maria Holzleitner im KURIER-Studio: Keine Uni-Neugründungen.
Und in der Politik?
Wir sehen im politischen Bereich, dass Frauen nach wie vor ganz anders beurteilt werden, dass sie verstärkt Hasskommentaren ausgesetzt sind.
Wenn es um Frauenrechte geht, kommt natürlich auch die Migration ins Spiel, weil vielfach die Gleichberechtigung in anderen Kulturen noch kein Thema ist.
Deswegen haben wir auch gesagt, dass es einen Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen geben muss, damit kein blinder Fleck offenbleibt. Ich halte es für wesentlich, Frauen, die zu uns gekommen sind, zu stärken und zu sagen, dass Männer und Frauen bei uns gleich viel wert und laut Recht gleichgestellt sind.
Als Ministerin sind Sie auch für Wissenschaft und Forschung zuständig. Wie schwierig ist es in Zeiten des Sparens, die Forderungen aus diesem Bereich abzuwehren?
Ich kämpfe natürlich um jeden Euro in meinem Budget. Ich bin sehr froh, dass im Doppelbudget die Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten gehalten haben und auch weiter halten und nicht angetastet werden. Für die Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften haben wir die bereits beschlossenen Valorisierungs- und Ausbauschritte halten können. Damit wissen die Hochschulen, womit sie in den kommenden Jahren kalkulieren können. Initiativen werden wir bei der Cyber-Resilienz unserer Universitäten setzen.
Wie sieht es mit den Wünschen von Bundesländern aus, die ihre eigene Universität haben wollen?
Wir haben im Regierungsprogramm die Hochschulstrategie 2040 vereinbart. Darin ist der Passus zu finden, dass es keine neue Bundesuniversität geben wird, solange diese Strategie noch nicht erstellt ist. Es ist uns wichtig, dass die Institutionen, die wir haben, gute Arbeit leisten und dass das Budget für sie gewährleistet ist. Deswegen wir es keine Neugründungen geben.
Eva-Maria Holzleitner (32): Die Welserin ist seit 2012 SPÖ-Mitglied. 2017 wurde sie Nationalratsabgeordnete, 2021 SPÖ-Frauenvorsitzende. Seit dem 3.3. 2025 ist sie Ministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung.
Es gibt den Wunsch der Fachhochschulen, mehr Rechte und Möglichkeiten im Bereich der Doktoratsstudien und der Forschung zu erhalten. Wie sehen da die Pläne aus?
Wir werden im Rahmen der Hochschulstrategie darüber diskutieren, wohin sich welche Institution in dem Sektor entwickeln soll. Ich verstehe den Wunsch der Fachhochschulen, Forschungspersonal, Lehrpersonal, wissenschaftliches Personal selbst ausbilden zu können. Dazu braucht es das Doktorat. Es gibt bereits die kooperative Möglichkeit, gemeinsam mit Universitäten Doktorate zur Verfügung zu stellen. Diese gute Kooperation wollen wir institutionell noch stärker verankern.
Ihr Vizekanzler Andreas Babler hat der Regierung ein „Ausgezeichnet“ verpasst, wenn es um das Betragen geht. Sehen Sie das auch so?
Beim Betragen würde ich auf jeden Fall zustimmen. Die grundsätzliche Leistung wurde ja mit einem Gut beurteilt. Das halte ich auch für eine sehr ehrliche Analyse. Wir geben uns aber nicht zufrieden mit dem, wo wir jetzt stehen. Wir haben noch Luft nach oben und schauen auch dort hin. Als Wissenschaftsministerin gesprochen: Wir wollen uns an den Innovation-Leadern orientieren.
Das Gut merkt man allerdings noch nicht in den Umfragen.
Deswegen ist es auch kein Sehr gut in der Notenbeurteilung. Wir müssen schauen, dass die Punkte, die wir bereits umgesetzt haben, bei der Bevölkerung auch spürbar ankommen. Das haben wir kommunikativ noch nicht so ganz geschafft.
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