Philip Kucher über die Corona- und die Pilnacek-Fraktion in Herbert Kickls Klub, die Budgetrede von Markus Marterbauer und die neue Einigkeit in der Sozialdemokratie.
KURIER:Herr Kucher, das erste Budget der neuen Bundesregierung, seit Langem auch das erste Budget eines SPÖ-Finanzministers und schon ein Sparkurs. Wir schwer war es, den Parlamentsklub dazu zu bringen, dass er geschlossen dahintersteht?
Philip Kucher: Ein offenes Wort dazu: Es ist das größte Sparpaket in der Geschichte der Republik und eine riesengroße Aufgabe. Nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für Politiker, die diese Schulden abbauen müssen. Wir hätten es uns als SPÖ ganz einfach machen können, wenn wir es nur taktisch angegangen wären und den Scherbenhaufen andere aufräumen lassen. Wir haben jetzt ein Sparpaket auf die Reise gebracht, mit dem wir zeigen, dass es keine Massenkürzungen, sondern auch gerechte Beiträge der breiten Schultern gibt, dass Banken und Energiekonzerne auch mitzahlen. Ich glaube, dass es uns gelingen kann, die Bevölkerung mitzunehmen.
Wie zufrieden waren Sie mit dem Auftritt Ihres Finanzministers bei der Budgetrede?
Ich habe den Auftritt wirklich beeindruckend gefunden. Man merkt, dass Markus Marterbauer als Wissenschafter an Universitäten tätig gewesen ist. Er hat sehr sachlich versucht, das Budget darzulegen. Was mir auch gut gefallen hat: Marterbauer hat die Bedeutung des Kompromisses zum Thema gemacht. Diese große Sanierung kann nur im Miteinander gelingen. Es wäre schön, wenn sich alle Parteien dazu bekennen würden, mitzuhelfen, um den angerichteten Schaden wieder aufzuräumen.
Entscheidend wird sein, dass der Finanzminister auf die Budgetdisziplin schaut, weil trotz des Sparwillens wird es viele Wünsche und Forderungen geben.
Das ist eine seiner Aufgaben – und er wird es ausgezeichnet machen –, dass er sowohl in den eigenen Reihen als auch gegenüber den Koalitionspartnern wirklich schaut, dass das, was wir gemeinsam vereinbart haben, auch eingehalten wird.
Das eine ist die Budgetrede, das andere der direkte Kontakt Ihrer SPÖ-Abgeordneten in den Wahlkreisen, wo sie die Sparmaßnahmen an der Basis vertreten müssen. Wie schwierig ist es, wenn Sie zum Beispiel in Klagenfurts Fußgängerzone damit konfrontiert werden?
Es gibt natürlich angenehmere Dinge, die man den Menschen erklären will, als Einsparungen. Aber mir persönlich gibt jedes dieser Gespräche extrem viel Kraft, weil es immer erdet und zeigt, dass jedes politische Handeln konkrete Auswirkungen auf das Leben von Menschen hat. Da gilt es, nicht herumzueiern, sondern konkret zu erklären, wo wir einsparen müssen, was die Ursachen dafür sind, was in den vergangenen Jahren leider in Österreich passiert ist und wie wir als Sozialdemokratie einen Beitrag leisten, dass wir in Zukunft wieder ein ausgeglichenes Budget haben.
Wenn es dann wieder ausgeglichen ist und mehr investiert werden kann, bei welchen Punkten wäre es Ihnen besonders wichtig, dass Geld in die Hand genommen wird?
Zwei Sachen sind mir besonders wichtig. Das eine ist das Gesundheitssystem, das leider in den vergangenen Jahren deutlich schlechter geworden ist. Es gibt monatelange Wartezeiten. Es gibt viele Menschen, die in der Pflege arbeiten, die wirklich verzweifelt sind und bereits am Zahnfleisch dahergehen. Da müssen wir alles dafür tun, dass das Gesundheitssystem in Österreich wieder zu einem der besten der Welt wird und in Zukunft wieder die eCard zählt und nicht die Kreditkarte. Das Zweite hat weniger mit Geld zu tun, aber ist ebenso wichtig: die Frage des Respekts und des Zusammenhalts in der Gesellschaft. Wie wir miteinander umgehen. Das sehen wir immer öfter auch im Parlament. Herbert Kickl hat in Wahrheit seine gesamte FPÖ radikalisiert. Ich bin ein Freund davon, dass man emotional diskutiert, aber nie den Grundrespekt verliert. Dass man nach einer Sitzung, auch wenn sie noch so hitzig war, miteinander auf einen Kaffee oder ein Bier gehen kann.
Haben Sie schon einmal mit Herbert Kickl einen Kaffee getrunken?
Kaffee noch nicht. Ich glaube, wir sind beide eher die Biertrinker.
Der 43-jährige Kärntner Philip Kucher sammelte seine ersten politischen Erfahrungen als Studentenvertreter (VSStÖ) an der Universität Klagenfurt. 2009 zog er als SPÖ-Mandatar in den Gemeinderat von Klagenfurt ein. 2013 übersiedelte er als Nationalrat nach Wien. Nach dem Wechsel an der Parteispitze 2023 machte ihn Parteichef Andreas Babler zum geschäftsführenden Klubobmann im Parlament. Nach der Wahl 2024 wurde Kucher erneut Klubobmann, nachdem Andreas Babler als Vizekanzler in die neue Bundesregierung eingezogen war.
Erstmals sind ÖVP, SPÖ und Neos in einer Koalition. Wie beurteilen Sie die bisherige Zusammenarbeit dieser Dreier-Bundesregierung?
Es ist eine gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit. Das ist nicht nur auf Parteichefebene so. Bei Andreas Babler, Christian Stocker und Beate Meinl-Reisinger passt die Chemie und die Vertrauensbasis. Das leben wir auch in den Parlamentsfraktionen mit August Wöginger und Yannick Shetty. Wir haben eine sehr, sehr gute Gesprächsbasis.
Wie erleben Sie die FPÖ? In den Nationalratssitzungen hat Herbert Kickl Fundamentalopposition angesagt, in den Ausschüssen dürfte das von FPÖ-Abgeordneten aber anders gelebt werden, wie Neos-Abgeordneter Veit Dengler sagte.
Ich bin nicht der Familientherapeut der FPÖ. Aber dort gibt es natürlich auch gewisse Spannungen. Da hat man einerseits die Corona-Hardliner, die Herbert Kickl an Bord geholt hat, und andererseits jene, denen eher ein sachlicher Zugang wichtig wäre. Das ist ein Konflikt, den die FPÖ intern lösen wird müssen. Man merkt in einigen Bundesländern, dass nicht alle in der Partei mit der radikalen Sprache, mit dem radikalen Zugang von Herbert Kickl eine Freude haben.
Es gilt als gesichert, dass die FPÖ zum Tod des ehemaligen Sektionschefs Christian Pilnacek einen U-Ausschuss einberufen will. Wie bewerten Sie dieses Ansinnen?
Ich kenne das alles nur aus den Medien. Es wird seit Wochen diskutiert, auch in der FPÖ. Eine Zeit lang hat die FPÖ versprochen, einen Corona-U-Ausschuss zu beantragen. Scheinbar gibt es einen Machtkampf. Die einen wollen einen Corona-Ausschuss, die anderen einen Pilnacek-Ausschuss. Ich glaube, dass die Menschen im Moment andere Sorgen haben.
Kommen wir zur SPÖ. Seitdem die Regierung im Amt ist, hat man das Gefühl, dass die internen Streitereien plötzlich vorbei sind. Die Zwischenrufe aus den Bundesländern haben sich ziemlich aufgehört.
Wir haben die Debatten ja auch zu Genüge geführt, auch öffentlich. Ich glaube, die Herausforderungen sind so groß, dass wir uns jetzt alle an die Arbeit gemacht haben. So ein Budgetfiasko zu übernehmen ist alles andere als einfach. Wir haben das Ganze ja nicht verschuldet.
Sie haben in den parteiinternen Diskussionen eine besondere Stellung. Sie waren im Lager des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Peter Doskozil und sind danach von dessen Kontrahenten Andreas Babler zum Klubobmann befördert worden. Wie schwierig ist das? Oder wird da zu viel hineininterpretiert?
Für mich war von der ersten Sekunde an klar, auch nach den Debatten in der SPÖ, dass ich für ein gutes Miteinander meinen Beitrag leisten werde. Wir sind alle in die Politik gegangen, um das Leben der Menschen besser zu machen. Ich habe Andreas Babler erst durch die Zusammenarbeit im Parlament besser kennengelernt. Was mich bei ihm beeindruckt, ist, dass er das, was er sagt, auch lebt. Er geht extrem empathisch und wertschätzend mit Kolleginnen und Kollegen um. Das schätze ich. Die Zusammenarbeit funktioniert bestens und macht Spaß. Auch jetzt in der neuen Rollenverteilung: er als Vizekanzler und ich als Klubobmann.
Aber gerade Ihnen könnte es gelingen, Hans Peter Doskozil wieder in die SPÖ-Bundespartei hereinzuholen. Immerhin ist er der erfolgreichste Landeshauptmann.
Das ist er. Ich habe ihn jetzt schon etwas länger nicht gesehen, aber ich werde ihn bald wieder einmal im Burgenland besuchen.
Da ist noch Kärnten. Landeshauptmann Peter Kaiser regelt gerade seine Nachfolge in der SPÖ-Landespartei und im Land. Sie werden immer wieder als Nachfolger genannt. Bereiten Sie sich schon auf einen Wechsel nach Kärnten vor?
Peter Kaiser übergibt nach 15 Jahren eine bestens aufgestellte Landespartei. Er hat als Landeshauptmann in einer sehr schwierigen Zeit, Stichwort Hypo-Skandal, für das Ansehen des Bundeslandes gekämpft. Durch seinen persönlichen Einsatz hat er für Stabilität gesorgt. Er wird am 20. September nicht mehr als Landesparteiobmann kandidieren. Wir werden uns parteiintern zusammensetzen und die Nachfolgefrage freundschaftlich und persönlich ausdiskutieren.
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