Den Wienern steht damit ein Dauerwahlkampf bevor. Zwischen den beiden Urnengängen wird es, da sind sich politische Beobachter einig, wohl kaum eine Verschnaufpause geben.
Dafür werden auch die Protagonisten sorgen, die in beiden Wahlgängen aus jetziger Sicht ident sein werden: Das Duell lautet Michael Ludwig gegen Gernot Blümel.
Der Intimus von ÖVP-Obmann Sebastian Kurz ist nicht nur jetzt im Herbst an der Spitze der türkisen Liste. Bei der Wien-Wahl, das versichert die ÖVP auf Nachfrage, wird Gernot Blümel erneut als Spitzenkandidat ins Rennen gehen.
Die ÖVP hat sich in Wien selbst zum Herausforderer erkoren. Das sieht man zum einen an den Themen. Die ÖVP greift die SPÖ dort an, wo es weh tun soll: beim sozialen Wohnbau, mit dem die Roten in die Wahl ziehen wollen.
1,15 Millionen Wähler
Es zeigt sich zum anderen auch an den hohen Wahlzielen, die sich die Türkisen in Wien gesetzt haben. Der zweite Platz müsse es werden, lautet die interne Parole.
Die ÖVP weiß: Wer im Bund gut abschneiden will, der muss auch in Wien überzeugen. 1,15 Millionen Wählerstimmen sind hier zu holen.
Der zweite Platz ist in Wien stets umkämpft. Bei der Nationalratswahl im Jahr 2017 hatte die ÖVP Erfolg – knappe 0,25 Prozentpunkte vor der FPÖ. Bei der EU-Wahl gelang es mit 0,5 Prozentpunkten Vorsprung auf die Grünen. Bei der Gemeinderatswahl – damals noch ohne Kurz und in Schwarz – blieb nur der vierte Platz.
Blümel ist in einer Zwickmühle: Er muss nicht nur den Dauerwahlkämpfer geben, sondern wahrscheinlich auch Jobhopping betreiben. Läuft es nach Plan, wird er nach der Nationalratswahl erneut Minister. Alles andere wäre eine Überraschung.
Blümel hat aber versprochen, nach der Wien-Wahl in der Stadt zu bleiben, wenn es ein Amt für ihn gibt. Danach sieht es derzeit aus.
Blümel als Kurzzeit-Minister?
Rot-Türkis ist die plausibelste Variante in Wien. Ludwig (und weite Teile der SPÖ) will nicht mehr mit den Grünen; mit der FPÖ kann er schon gar nicht.
Wird die ÖVP Juniorpartner, wird Blümel Vizebürgermeister. Und mutiert so zum Kurzzeit-Minister. Im Extremfall ist er nur ein halbes Jahr im Amt.
Einer der größten Stolpersteine für Rot-Türkis in Wien, den es auszuräumen gilt, ist ausgerechnet die eigene Vergangenheit: Es müsse gelingen, einen Pakt zu schmieden, der „für die Wähler nicht nach Rot-Schwarz aussieht“, heißt es aus den Parteien. Vor allem die Türkisen wollen nicht alt und großkoalitionär wirken.
Wichtige Farbenspiele
Entscheidend dafür, wie es in Wien weiter geht, ist nicht nur das reine Ergebnis der Nationalratswahl. Es ist vor allem die Koalition, die sich im Bund findet.
Ist es Türkis-Blau, bleibt strategisch alles beim Alten. Findet sich eine neue Mehrheit, müssten die Parteien in Wien umdisponieren: Es gilt dann, neue Gegner zu definieren und neue Erzählungen aufzubauen.
Die FPÖ (mit Heinz-Christian Strache?) könnte im Fall von Rot-Blau im Bund Ludwig nicht gut attackieren.
Dass Ludwig laut auftritt, hat übrigens nicht nur damit zu tun, dass er Chefin Pamela Rendi-Wagner demonstrativ seine Unterstützung zugesagt hat. Er ist in Wien auch das bessere Zugpferd. Der SPÖ kamen zuletzt Stimmen und sogar ganze Bezirke abhanden. Für ihn ist die Nationalratswahl ein Stimmungstest.
Bei der Frage, wann die Wiener wählen, wird Ludwig jedenfalls taktieren (müssen). Aus dreierlei Gründen dürfte es ein später Termin – und ein langer Wahlkampf – werden.
Erstens: Schneidet die SPÖ im Herbst schlecht ab, braucht Ludwig Zeit, sich zu konsolidieren.
Zweitens: Ludwig beschwört das Mantra von der Kontinuität. Er wollte nie vorzeitig wählen.
Drittens: Die Grünen spielen seit dem Führungswechsel zu Birgit Hebein in der Stadtregierung kaum eine Rolle. „Endlich wieder eine rote Alleinregierung“, jubeln Partei-Granden derzeit halb scherzhaft hinter vorgehaltener Hand.
Nächstes Jahr, das weiß Ludwig, ist es damit vorbei.
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