SPÖ-Führungsdebatte: Wer ist hier der Chef?

Doskozil, Rendi-Wagner und Ludwig (v.l.n.r.) im Jahr 2019
"Wer ist eigentlich SPÖ-Chef?“ Mit diesen Worten startete die ORF-Pressestunde mit Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am zweiten Adventsonntag.
Eine Frage, die den Konflikt innerhalb der Partei auf den Punkt bringt: Pamela Rendi-Wagner ist wenig präsent und auch noch unbeliebt. Das offenbarte eine im November von ihrem internen Gegner, dem burgenländischen Landeschef Hans Peter Doskozil beauftragte Umfrage. Diese zeigte, dass die SPÖ mit Doskozil an der Spitze besser abschneiden würde, als mit Rendi Wagner – nämlich um fünf Prozentpunkte.
„Man soll die Kirche im Dorf lassen“, sagte auch Ludwig dazu. Genauso hatte tags davor Parteivorsitzende Rendi-Wagner im Ö1-Mittagsjournal die Umfrage kommentiert. „Das ist eine Umfrage unter vielen“, sagte Ludwig weiter. Er konzentriere sich auf die Wien-Agenden – und habe persönlich keine Absicht, auf die Bundesebene zu wechseln.
Daher würde er so eine Umfrage, auch nicht in Auftrag geben.
„Es gibt Gremien, wo man unterschiedliche Positionen diskutieren kann. Voraussetzung ist die Teilnahme daran“
Bürgermeister Wien
"Gehässigkeit“
Doskozil, der mit dieser Umfrage seine Partei „wachrütteln“ wollte, wie er sagte, hatte sich zuletzt überrascht gezeigt über die „sehr große Gehässigkeit“, die er infolge der Umfrage parteiintern wahrgenommen habe.
Dem widersprach Ludwig: Er sei bei allen SPÖ-Treffen präsent und merke nichts von Gehässigkeit: „Es gibt Gremien, wo man unterschiedliche Positionen diskutieren kann. Voraussetzung ist, dass man daran teilnimmt.“ Dass es Konflikte in der SPÖ beim Thema Asyl gebe, verneinte Ludwig vehement.
Wie passend, dass am Sonntag Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) in einem Video klarstellte, dass der von Bürgermeister Ludwig gewährte Notkredit über 1,4 Milliarden Euro für den städtischen Energieversorger Wien Energie „Anfang Dezember“ zur Gänze zurückgezahlt wurde.
So konnte Ludwig während der "Pressestunde" auf die Frage, ob er dasselbe heute wieder tun würde – ohne die Öffentlichkeit, die Opposition oder den Gemeinderat zu informieren: „Mit dem Wissen von heute, wäre ich noch entspannter.“ Sein Verhalten sei entsprechend der Stadtverfassung gewesen. Und er betonte, dass – obwohl die Sache von den Stadtwerken, der zuständigen Magistratsabteilung im Finanzbereich, dem Finanzressort, dem Verfassungsdienst und der Magistratsdirektion geprüft wurde – er nur wenige Stunden Zeit für die Entscheidung hatte. Ansonsten hätte er nämlich den Stadtsenat damit befassen müssen.
Ob es brisante Chatnachrichten auf seinem Handy gebe? „Nehme ich nicht an“, sagt er. Freigegeben werden die Daten, wenn der gestellte Antrag, der von unabhängigen Richtern der derzeit laufenden Untersuchungskommission geprüft werde, zulässig ist.
Aufhorchen ließ der Bürgermeister allerdings mit einem Vorstoß für einen leichteren Zugang von Asylwerbern zum Arbeitsmarkt. Man solle „eng mit den Sozialpartnern“ klären, ob Menschen schon während des laufenden Asylverfahrens in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft würden Arbeitskräfte fehlen, die Babyboomer-Generation gehe in Pension.
„Unbestrittene Herausforderung“
Die über 90.000 Asylanträge dieses Jahr sehe er noch nicht als eine Krise, aber als „unbestrittene Herausforderung“. Wien nehme jedenfalls mehr Menschen auf als es der mit dem Bund vereinbarten Quote entspricht, betonte Ludwig. Sanktionen für die anderen Bundesländer wünscht sich der Wiener Bürgermeister aber nicht, auch keine Wiedereinführung des Durchgriffsrechts des Bundes, stattdessen eine andere Gesprächskultur.
„Parallelwelt“
ÖVP und FPÖ ließen kein gutes Haar an den Ausführungen Ludwigs. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker empfahl Ludwig, in die Führungsdebatte in der SPÖ einzugreifen und für Stabilität zu sorgen. Für den Wiener Landesparteiobmann Karl Mahrer und seinen Rathaus-Klubobmann Markus Wölbitsch lebt Ludwig in einer „völligen Parallelwelt“.
FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz fand den Auftritt des Bürgermeisters „nur noch peinlich“. Und sein Landesparteichef Dominik Nepp meinte, Ludwig schiebe sein eigenes Versagen immer auf andere ab.
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