SPÖ: Anerkennung von Palästina ist jetzt Parteilinie
Für gewöhnlich sind Vorstands- und Präsidiumssitzungen der SPÖ keine große Sache. Meist wird die Öffentlichkeit über die Beschlüsse maximal im Nachhinein informiert, die Treffen sind Routine, Partei-Alltag eben.
Am Freitag war die Sache etwas anders.
Denn lange bevor zu Mittag der Vorstand und das Präsidium, also die nach dem Bundesparteitag höchsten Gremien, zusammentraten, wurde in der Partei bereits hektisch telefoniert und beraten. Und nicht nur in der SPÖ.
Der Grund war ein „Positionspapier“, das – so berichten Präsidiumsmitglieder – am Abend und ausgerechnet am Tag der Entscheidung, dass Israel am ESC teilnehmen darf, verschickt worden war.
Und die Inhalte "motivierten" selbst Landesparteien und Teilorganisationen, die für gewöhnlich nicht besonders diszipliniert an Sitzungen teilnehmen, an diesem Freitag nach Wien zu kommen.
Worum geht es?
Die Überschrift des Vierseiters ist noch vergleichsweise unverdächtig: Für nachhaltigen Frieden und Sicherheit auf der Grundlage einer Zweistaatenlösung.
In der Folge werden dem Bundesparteivorstand acht Punkte zum Beschluss vorgelegt, die Teile der Partei vor den Kopf stoßen.
So soll es demnach Parteilinie werden, dass sich die "SPÖ für die völkerrechtliche Anerkennung des Staates Palästina einsetzt" - immer unter der Voraussetzung einer Entwaffnung und Entmachtung der Hamas.
Zudem soll sich die SPÖ "im Rahmen der EU für mehr restriktive Maßnahmen gegen gewalttätige Siedlerinnen und Siedler einsetzen" und "nationale Einreiseverbote für rechtsextreme Politiker und gewalttätige Siedlerinnen und Siedler" verhängen.
Die Anerkennung des Staates Palästina ist in der SPÖ offenkundig derart umstritten, dass das Positionspapier schon koalitionsintern und sogar in Oppositionsparteien vorab diskutiert worden ist.
Am frühen Nachmittag wurde das Papier einstimmig angenommen.
In der Partei heißt es, "die Entscheidung ist sorgfältig abgewogen und folgt der Positionierung von 157 Staaten für eine Zweistaatenlösung und der Anerkennung Palästinas nach kanadischem Vorbild – also nur unter der Voraussetzung der Entwaffnung und Entmachtung der Hamas." Die SPÖ bekenne sich klar zur Zweistaatenlösung als einzigen realistischen Weg zu einem dauerhaften Frieden zwischen Israel und Palästina. Denn für die SPÖ ist klar: Frieden und Sicherheit braucht zwei Staaten. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim betont nach dem Bundesparteivorstand: „Österreichs Position im Nahostkonflikt ist überholt und unterstützt den Status quo. Die Anerkennung Palästinas durch die SPÖ ist ein wichtiges politisches Signal, um die Zweistaatenlösung am Leben zu erhalten.“
Bei der inhaltlichen Diskussion haben sich, so eine Sprecherin, unter anderem Ex-Bundespräsident Heinz Fischer und Ex-Botschafterin Eva Nowotny eingebracht.
Koalitionspartner reagieren kühl
Vom Koalitionspartner ÖVP kam bereits binnen Minuten eine klare Zurückweisung der SPÖ-Position: "„Die ÖVP setzt sich weiterhin für eine verhandelte Zweistaatenlösung auf Basis des Völkerrechts ein, damit Israelis und Palästinenser in Frieden und Sicherheit leben können. Das umfasst natürlich auch einen lebensfähigen, selbstbestimmten palästinensischen Staat. Davon sind wir derzeit aber noch meilenweit entfernt", so Generalsekretär Nico Marchetti. "Die Anerkennung Palästinas muss am Ende eines politischen Prozesses erfolgen und ganz bestimmt nicht zu Beginn. Denn mit einer symbolischen Anerkennung zum jetzigen Zeitpunkt ist den Palästinensern überhaupt nicht geholfen. Vielmehr braucht es eine nachhaltige politische Lösung, um endlich aus der Spirale von Gewalt, Hass und Leid auszubrechen.“
Ähnlich auch die Neos: „Die Anerkennung eines palästinensischen Staates kann nur im Rahmen eines Friedensprozesses erfolgen. Das ist auch klar die Linie der Bundesregierung“, sagt Nikolaus Scherak, außenpolitischer Sprecher. „Österreich setzt sich daher für eine verhandelte Zwei-Staaten-Lösung ein. Zum jetzigen Zeitpunkt müssen die Grundlagen für einen solchen Prozess und für einen lebensfähigen palästinensischen Staat geschaffen werden. Dies erfordert als ersten Schritt eine geeinte Palästinensische Behörde, die bereit ist, gemeinsam mit Israel zu leben. Österreich wird dazu auch weiterhin einen Beitrag leisten.“
Israel verstimmt
Scharfe Kritik kommt von der israelischen Botschaft: "Die Forderung nach der Anerkennung eines palästinensischen Staates nach den Gräueltaten vom 7. Oktober ist ein zutiefst fehlgeleiteter und schädlicher Schritt. Sie sendet ein falsches Signal in einem Moment, in dem Israel und seine Partner daran arbeiten, die Hamas gemäß dem Waffenstillstandsabkommen aus dem Gazastreifen zu entfernen und die Voraussetzungen für echte Fortschritte auf dem Weg zum Frieden zu schaffen", heißt es in der Stellungnahme. Die Entscheidung schwäche "echte diplomatische Bemühungen, verwischt die Forderungen an die Palästinenser und könnte gewalttätige extremistische Akteure ermutigen, anstatt sie zu isolieren".
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