Spitäler: Wie die Künstliche Intelligenz zum Lebensretter wird

Es ist ein Problem, das selbst bei besten Hygienestandards nicht gänzlich in den Griff zu bekommen ist: Bis zu vier Prozent aller Patienten in den heimischen Krankenhäusern erleiden pro Jahr eine Spitalsinfektion, die gerade für schwache, chronisch kranke Betroffene sehr gefährlich werden können.
Im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Ried (OÖ) setzt man auf einen neuartigen Helfer im Kampf gegen diese Bedrohung. Sein Name: HAIDI – ein KI-System, das automatisch einmal täglich alle relevanten Patientendaten durchforstet: Laborbefunde, Fieberkurven, Aufnahme- und Entlassungsbriefe. Auf deren Basis kann die KI Auffälligkeiten aufspüren, die frühzeitig auf einen Infektionscluster hinweisen. Das Spitalsteam kann eingreifen, noch ehe eine größere Zahl an Patienten betroffen ist.
„Bisher erfolgte die Früherkennung durch händische Analyse, wodurch wir viel Zeit verloren haben“, sagt Michael Heinisch, Geschäftsführer der Vinzenz Gruppe, zu der das Spital gehört. Mit dem Einsatz von HAIDI änderte sich das schlagartig: „Die Infektionsrate sank von 2,2 auf 0,9 Prozent“, rechnet Heinisch dem KURIER vor. Jetzt wird HAIDI über die gesamte Vinzenz Gruppe ausgerollt.

Michael Heinisch, Vinzenz Gruppe
Nur einer von vielen Bereichen, in denen KI bereits heute erfolgreich im Gesundheitssystem eingesetzt wird. Die Künstliche Intelligenz kann den Arzt bei komplexen minimalinvasiven Tumor-Behandlung genauso unterstützen wie das Personal bei der zeitraubenden Erstellung von Dienstplänen entlasten.
Zeit gewinnen
So lässt sich im Idealfall mehr Zeit gewinnen, damit sich die Mitarbeiter intensiver auf ihre eigentliche Aufgabe – die unmittelbare Betreuung der Patienten – konzentrieren können. Denn dies ist angesichts der im Gesundheitssystem angespannten Personalsituation immer schwieriger.
Heinisch ortet aber noch ganz andere Potenziale, die dank KI gehoben werden können: „Aktuell stehen wir im Gesundheitswesen vor ganz neuen Möglichkeiten. Noch nie zuvor haben wir über eine derart große Anzahl strukturierter digitaler Daten verfügt. Begonnen bei der Elektronischen Gesundheitsakte ELGA bis hin zu jenen, die über die Smartwatch am Handgelenk aufgezeichnet werden.“
Und mit der KI stehe nun ein Werkzeug zur Verfügung, mit dem sich diese Unmengen von Daten rasch analysieren lassen. Damit eine Vision endlich Wirklichkeit werden kann: Eine personalisierte Medizin mit maßgeschneiderten, zielgerichteten Behandlungsoptionen für den einzelnen Patienten.
Dies werde vor allem die Prävention revolutionieren, ist Heinisch überzeugt. Auf Basis der Analyse der individuellen Risikofaktoren lasse sich für jeden Einzelnen ein Programm erstellen, wie er möglichst lange gesund bleibt. Ein Programm, das ungleich effizienter ist, als die allgemeine Empfehlung, mehr Sport zu betreiben und sich gesünder zu ernähren.
Der Mensch entscheidet
Doch es ist vor allem der KI-Einsatz im Rahmen der Diagnose und Therapie, der bei vielen Menschen ein mulmiges Gefühl hinterlässt. Nicht zuletzt aufgrund der Fehleranfälligkeit, die jeder KI-Nutzer aus der Praxis kennt.
„Ein extrem wichtiges Grundprinzip für den Einsatz von KI im Gesundheitswesen ist: Es kann nie die KI bestimmen, welche Maßnahme etwa in der Behandlung von Patienten umgesetzt wird. Sie ist nur ein Assistenzsystem, eine Art digitales Teammitglied, das Vorarbeiten leistet, bestimmte Muster erkennt und Hinweise liefert“, betont der Spitalsmanager.
Wie damit umgegangen wird, müsse dann der Mensch mit seiner Erfahrung, Fachkenntnis und Intuition entscheiden. Ein technisches System könne nie dasselbe wahrnehmen wie ein Mensch, der einem Patienten gegenübersitzt. „Denn man ist nicht zwangsläufig krank, nur weil die Parameter sagen, man sei krank“, so Heinisch.
Leitplanken
Umso wichtiger sind klare Regeln. „Deshalb erarbeiten wir innerhalb der Vinzenz Gruppe gerade Richtlinien für den Umgang mit der KI“, sagt der Geschäftsführer.
Als zentrale Eckpunkte enthält sie neben dem unbedingten Primat des menschlichen Mitarbeiters in der Patientenversorgung, verpflichtende Schulungen für alle, die mit KI arbeiten, eine lückenlose Dokumentation aller Einsätze der KI sowie ein interdisziplinäres Board, das die KI und die darin enthaltenen Daten auf Herz und Nieren prüft. Heinisch: „Diese Technologie kann so viel, birgt aber auch so viele Risiken. Deshalb braucht sie einfach Leitplanken.“
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