Spindis Steuer-Deal für Kritiker "fatales Signal"

Werner Muhm: "private Haushalte werden saftig zu Kasse gebeten"
Gratis-Zahnspangen: Nicht allen in den koalitionären Reihen gefällt das Tauschgeschäft.

Zugeständnisse an die ÖVP-Wirtschaftsvertreter in Sachen GmbH light und Gewinnfreibetrag, eben solche an die SPÖ. Die von ihr begehrten Gratiszahnspangen für Kinder wird es ab Mitte 2015 geben (siehe weiter unten). Mit diesem Deal hat sich Finanzminister und ÖVP-Chef Michael Spindelegger den Sanktus des ÖVP-Wirtschaftsbunds zum rot-schwarzen Steuerpaket gesichert. Am Donnerstag wurde das im parlamentarischen Finanzausschuss mit Regierungsmehrheit gutgeheißen. Ende Februar wird im Nationalrat darüber abgestimmt.

Nicht allen in den koalitionären Reihen gefällt das Tauschgeschäft. "Es ist ein kurzfristiger Pyrrhussieg des Wirtschaftsbundes, wenn nach 50 Stunden Regierungsverhandlungen und einstimmigen Beschlüssen im ÖVP-Bundesparteivorstand das Steuerpakt aufschnürt wird", befindet Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm im KURIER-Gespräch. Mit dem jetzigen Ergebnis könne die AK "zwar gerade noch leben. Das Signal ist aber fatal." Von einer "Sickerwirkung, die gefährliche Konsequenzen haben kann", spricht Muhm. "Künftig werden alle, die zu einem Kompromiss stehen müssen, genau überlegen, ob es nicht klüger wäre, laut aufzuschreien. Anscheinend ist es jetzt so: Wer schreit, dem gibt man."

Wankelmütige ÖVP

Josef Muchitsch, Gewerkschafter und SPÖ-Mandatar, missfällt das ebenfalls: "Ich bin davon ausgegangen, dass wir einen stabilen Partner haben, keinen wankelmütigen, der sich fürchtet, wenn einer mit der Kette rasselt." Es gehe nicht an, "dass eine Gruppe – einmal die schwarzen Steirer, dann die Salzburger, dann der Wirtschaftsbund – droht, nicht mitzustimmen, weil es an interner Abstimmung im ÖVP-Klub fehlt. Wenn das der neue Stil ist, dann gute Nacht!" Auch ihm gefielen Entscheidungen mitunter nicht, sagt Muchitsch. "Wenn es aber nicht gelingt, die anderen von der eigenen Ansicht zu überzeugen, muss man die Mehrheitsentscheidung mittragen."

Muhm wird gegen das Steuerpaket ebenfalls nicht opponieren: "Wir wollen eine handlungsfähige Regierung. Unser Ziel kann nicht sein, ihr zusätzliche Probleme zu machen."

Der Abtausch mit den Roten behagt aber auch ÖVPlern nicht. Neue Sozialleistungen seien angesichts der Budgetsituation "purer Wahnsinn", heißt es inoffiziell. Der steirische ÖVP-Klubchef Christopher Drexler steht zu seinen Bedenken – dahingehend, dass das Wirtschaftsbund-Verhalten Schule machen könnte: "Das wäre ein Symptom des Autoritätsverlustes der ÖVP-Spitze." Ob der Kosten ätzt er via KURIER: "Budgetkonsolidierung à la Große Koalition heißt: Gratis-Zahnspangen und höhere Familienbeihilfe."

Insgesamt dürften die nachträglich verhandelten Erleichterungen das Budget bis 2018 mit zumindest 450 Millionen Euro belasten.

Ab Juli 2015 soll es Gratis-Zahnspangen für Kinder und Jugendliche geben. Gesundheitsminister Alois Stöger will das Wahlkampf-Versprechen mit 80 Millionen Euro Budget einhalten, rund 28.000 Kinder und Jugendliche sollen jährlich davon profitieren. Die Zahnärztekammer spricht von "gewürfelten Zahlen". Sprecher Claudius Ratschew kritisiert: "Das ist eine Fantasiezahl von Patienten mit einer Fantasiezahl von Geld - so geht das nicht. Das muss von Fachleuten diskutiert und berechnet werden."

So bemängelt er, die Zahnärztekammer hätte von den Plänen aus den Medien erfahren. "Man muss zuerst diskutieren, welche Fehlstellungen und Missbildungen unterstützt werden sollten, dann kann man daraus berechnen, wie viele Fälle es geben wird und erst dann kann man die Kosten abschätzen." Zu sagen, wir stellen 80 Millionen Euro zur Verfügung und dann schaut, was sich ausgeht, sei nicht die richtige Vorgangsweise.

Folgeschäden

Aus dem Ministerium heißt es, man wolle nach der internationalen IOTN-Klassifizierung auf der fünfteiligen Skala die Stufen 4 und 5 finanzieren. Das umfasse jene Fälle, bei denen eine Fehlstellung wie ein Kreuzbiss, Überbiss oder Unterkiefer-Vorbiss zu späteren medizinischen Folgeschäden führen könnten, also etwa zu Kauproblemen oder rascherer und einseitiger Abnützung der Kiefergelenke. Für leichte Fehlstellungen wie große Zahnlücken oder einen leichten Vorbiss soll es wie bisher nur einen Zuschuss geben. Den Schätzungen des Ministeriums zufolge würde rund ein Drittel eines Jahrgangs von der neuen Gratis-Zahnspange profitieren - das wären jährlich rund 28.000 Kinder.

Für die Verhandlungen müssen sich der Hauptverband der Sozialversicherungsträger und die Zahnärztekammer einig werden. Letztere betont, der Hauptverband hätte die Verhandlungen zuletzt vor drei Jahren einseitig abgebrochen und eine Neuaufnahme seither verweigert. Der bestehende Grundvertrag stammt noch aus dem Jahr 1957. Doch Stöger betont: "Ausreden lasse ich nicht mehr gelten. Wünsch dir was ist vorbei."

Nicht warten

Zahnärzte-Sprecher Ratschew rät Eltern inzwischen, auf keinen Fall mit nötigen Behandlungen zu warten. "Im Gegensatz zu Korrekturen bei Erwachsenen beeinflusst man mit einer Zahnspange das natürliche Wachstum - das geht nur in einer gewissen Zeitspanne." Es sei wichtig, dass dafür der richtige Zeitpunkt gewählt und nicht hinausgeschoben wird. Ratschew rät, mit dem Kieferorthopäden des Vertrauens abzusprechen, ob eine Behandlung noch bis zur Umsetzung der Gratis-Zahnspange möglich ist. "Sie sollten aber auf keinen Fall auf gut Glück warten."

Kommentare