Spannung in jüdischer Gemeinde
Der Wahlkampf vor den Wahlen – am 1., 6. und 11. November – des neuen Vorstandes für die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) von Wien war intensiv: Diesmal treten zehn Listen an, wobei den neuen davon – "Chaj" mit Martin Engelberg an der Spitze und der von Patricia Kahane ausgehenden "Initiative Repekt!" – von manchen gute Chancen eingeräumt werden, gut abzuschneiden.
Die Einschätzungen über einen dadurch möglichen Wechsel an der Spitze sind aber geteilt: Manche halten ihn für möglich, andere sehen auch 2013 den amtierenden Präsidenten Oskar Deutsch weiter an der Spitze. Seit 1998 wird die IKG von der Liste des früheren Präsidenten Ariel Muzicant, "Atid", dominiert. Bei der Wahl 2007 erreichte "Atid" zehn der 24 Mandate im Kultusvorstand und traf in Koalition mit fünf Mandataren einer weiteren Liste wichtige Entscheidungen.
Muzicant hat das Präsidentenamt schon im Februar an seinen Vize Oskar Deutsch (49) übergeben. Wahlziel von Präsident Deutsch ist es: "Wir wollen stark bleiben, sodass wir die Gemeinde mit anderen Gruppen weiter so gut führen können wie bisher." Zudem gehe es ihm um die weitere Öffnung. "Wir wollen das Judentum auch in Veranstaltungen für die gesamte Öffentlichkeit nach außen tragen."
Reformen
Für eine weitere Öffnung der Gemeinde treten auch "Chaj" und die "Initiative Respekt!" ein. Doch bei den Vorstellungen, wie die Arbeit in der Gemeinde fortgesetzt werden soll, verlangen beide Reformen. Hauptkritik: Die IKG habe sich in den vergangenen Jahre zu sehr auf die Errichtung von Infrastruktur konzentriert – etwa das Pflegezentrum Maimonides und das Schulzentrum ZPC.
Das sei zwar sehr wichtig gewesen, aber die Arbeit für die Mitglieder sei dabei ein wenig zu kurz gekommen. Martin Engelberg: "Oberste Priorität haben die Mitglieder. Die Gemeinde hat eine wichtige soziale, gesellschaftliche und religiöse Rolle. Sie wurde aber leider zu einem Bürokratie- und Immobilienkonzern entwickelt."
Ähnlich sieht das Amos Davidovits, der für die "Initiative Respekt!" kandidiert. Er hält in Zeiten knapper Kassen Transparenz von Entscheidungen für nötig und plädiert für eine Reorganisation der IKG, weil es "zu wenige Fachexperten" in den wichtigen Entscheidungsgremien gebe. Davidovits: "Wir müssen alles hinterfragen, um gegenüber zukünftigen Herausforderungen bestehen zu können."
So klein die IKG mit ihren 7600 Mitgliedern auch ist: Nach dem Befund des Zeithistorikers Betrand Perz ist sie sehr hoch zu schätzen, zumal sie nach der NS-Zeit und dem Massenmord an den Juden "nicht mehr existiert hat" und die Wiedererrichtung unter "extrem schwierigen Bedingungen verlaufen ist". Ihre politische Rolle, sich gegen Antisemitismus und Rassismus einzusetzen, "erlegt der IKG eine Verantwortung auf, die sie fast nicht tragen kann. Vor Rechtsextremismus zu warnen, ist eigentlich Aufgabe der Mehrheitsgesellschaft". In den vergangenen Jahren habe sich die Gemeinde "sehr lebendig entwickelt". Heute "ist sie ein Teil der multikulturellen Gesellschaft Österreichs".
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