Sozialhilfereform: Warum die ÖVP drängt und Schumann schweigt

MINISTERRAT - PRESSEFOYER: SCHUMANN
Weshalb die Verhandlungen zur Neuregelung stocken und am Mittwoch keine Details präsentiert wurden.

Sie dürfte sich als größtes Streitthema der Regierung im Herbst entpuppen: die geplante Reform der Sozialhilfe. Eine zeitnahe Lösung war ohnehin nicht absehbar, auch wenn Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) das im ORF-„Sommergespräch“ angedeutet hatte – zur damaligen Irritation der zuständigen Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ).

Was die Koalition in Erwägung zog: Dass Schumann beim Doorstep vor dem Ministerrat am Mittwoch den Startschuss für die Verhandlungen bekannt geben könnte. Dieser Termin entfiel – nach angeblich emotionalen Gesprächen am Dienstag.

Die Ministerin sei sauer gewesen, dass die ÖVP im Vorfeld medial den 10. September als Termin für erste Details zur „Sozialhilfe neu“ genannt hatte, heißt es aus Regierungskreisen.

Was hätte der Auftritt ohne inhaltliche Neuigkeiten überhaupt bringen sollen? „Richtig ist, dass die ÖVP das Thema vehement auf der Tagesordnung haben wollte“, sagt ein Regierungsinsider.

Angespannte Situation

Derzeit soll bei ÖVP und SPÖ prinzipiell eine gewisse Grundnervosität herrschen. Erstens wegen der angekündigten Anpassung der Pensionen unter der Inflationsrate und der Neuverhandlung der Beamtengehälter. Beides geschieht auf Bestreben der Neos – und gegen den Widerstand von Seniorenvertretern und Gewerkschaften. Heißt: in einer für ÖVP und SPÖ heiklen Gemengelage.

Der ÖVP liegt zudem die geplante Mietpreisbremse im nicht-regulierten Bereich schwer im Magen – der SPÖ wiederum das Kopftuchverbot und die Debatten rund um die Sozialhilferegelung.

Bei Zweiterer sind die Fronten bekannt: Die ÖVP will bundesweit gestaffelte Beiträge für kinderreiche Familie, die SPÖ eine Herausnahme der Kinder aus der Sozialhilfe – und eine neue Kindergrundsicherung.

Während die Verhandlungen laufen, wurden die Eckpunkte des Prestigeprojektes von Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) bereits im Frühsommer präsentiert: die Einführung einer „Integrationsphase“. Asylberechtigte sollen erst nach drei Jahren vollen Zugang zur Sozialhilfe erhalten. Besuchen sie Deutsch- oder Wertekurse nicht, drohen zudem Strafzahlungen. Dieses Paket sollte mit der „Sozialhilfe neu“ verschränkt werden.

Länder gehen voran

Dass Schumann am Mittwoch zur allgemeinen Überraschung verkündete, die Integrationsphase solle auch für Österreicher gelten, wurde von ÖVP und Neos postwendend dementiert – und als Revanchefoul aufgefasst. Die SPÖ-Ministerin verwies bei ihrer Argumentation darauf, dass alle Anwärter auf die Sozialhilfe gleich behandelt werden müssten.

Indes beschließt ein Bundesland nach dem anderen eine eigene Neuregelung der Sozialhilfe, die derzeit in den Zuständigkeitsbereich der Länder fällt. Nach Oberösterreich, Steiermark und Wien, hat nun auch Tirol eine Verschärfung angekündigt. Das dürfte den Druck auf Schumann zumindest nicht verringern. Im Regierungsprogramm ist eine bundeseinheitliche Regelung vorgesehen – und kein neuer Fleckerlteppich.

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