Ex-SPÖ-Politikerin Wehsely: "Das ist ein typisches Klein-Klein-Österreichthema"

Ex-SPÖ-Politikerin Wehsely: "Das ist ein typisches Klein-Klein-Österreichthema"
Managerin und Ex-Politikerin: Sonja Wehsely ist für Siemens Healthineers international viel unterwegs und erzählt über die Zukunft der Medizin, die schon da ist.

Dieselbe Begeisterung wie einst für die Politik habe sie nun für die Wirtschaft, sagt die frühere Stadträtin. Beide Welten könnten voneinander lernen.

KURIER: Sie waren von Jugendtagen an in der Politik, wurden zwischenzeitlich als Ministerin und Bürgermeisterin gehandelt. Welche Spuren hinterlässt das im Leben?

Sonja Wehsely: Die Vielfalt, die dieses Leben ausgemacht hat, macht auch mich aus. Manches in Wirtschaft und Politik ist ähnlich. Am Ende geht es um Menschen. Und das ist es auch, was mich antreibt: Dinge zu tun, die die Welt verbessern.

Was ist der größte Unterschied zwischen einem Top-Job in der Wirtschaft und einem in der Politik?

Dass man in der Wirtschaft mehr Zeit hat und weniger unter Beobachtung steht. Sich mehr Zeit zu nehmen, um Dinge durchzudiskutieren, würde auch der Politik guttun. Als Politikerin bei einem Interview zu sagen: „Das muss ich mir erst überlegen, weil das eine schwierige Frage ist“, ist keine Antwort, die angenommen wird. Voneinander zu lernen und  beide Welten zu kennen, tut beiden Welten gut.

Frauen werden in der Politik hart angefasst, vor allem auf Social Media. Haben Sie darunter gelitten?

Es war schon sehr stark merkbar, dass dasselbe Verhalten bei Frauen und Männern zu sehr unterschiedlichen Zuschreibungen führt. „Männer sind durchsetzungsstark und wissen, was sie wollen.“ „Frauen sind karrieregeil und haben Haare auf den Zähnen.“ Das sind gesellschaftliche Fragen, die sich auch in der Industrie widerspiegeln. Wenn ich jedoch in meinem jetzigen Verantwortungsbereich in die osteuropäischen Länder schaue, dann gibt es dort eine andere Selbstverständlichkeit von Frauen in Führungspositionen als in Österreich oder Deutschland. Aber es ist überall Luft nach oben und überall müssen Frauen härter arbeiten, um dasselbe zu erreichen wie Männer.

Ist Politik nicht ein Virus, der einen nie mehr loslässt?

Ich werde mein ganzes Leben ein politischer Mensch bleiben und habe  es mit großer Begeisterung über mehr als 20 Jahre gemacht.  Die Leidenschaft, die ich jetzt verspüre, ist aber eigentlich dieselbe wie früher. Das kann ich jetzt nach acht Jahren sagen – am Beginn war ich da nicht so sicher.

Salon Salomon: Zum ausführlichen Gespräch mit Sonja Wehsely

Sie sind bei Siemens Healthineers für Diversity und Inklusion engagiert. Welche Themen gibt es da?

Es stellen sich global nach wie vor zu wenig Frauen für Führungsaufgaben an. Wir wissen aber, dass vielfältige Teams bessere Ergebnisse bringen: alt, jung, Frau, Mann, verschiedene Nationalitäten.  Man muss sich in der Politik wie in der Wirtschaft der eigenen blinden Flecken bewusst sein. Vielfalt ist besser als Einfalt!

Sie waren Gesundheitspolitikerin und sind jetzt im Bereich Medizintechnik tätig. Welche globalen Innovationen erwarten Sie ?

Die Präzisionsdiagnostik verändert das Gesundheitswesen. Zum Beispiel erkennt  der photonenzählende Computertomograf – eine Weltneuheit – ganz frühe Stadien von Krebs. Das erhöht die Chance, Krebs zu einer chronischen Erkrankung zu machen  mit deutlich geringerer Sterblichkeit.  Oder: Bis vor Kurzem haben MRT-Scanner 1000 Liter Helium gebraucht – ein Kosten- und Umweltfaktor. Die neue Generation braucht 0,75 Liter – also wie eine Mineralwasserflasche. Dadurch können solche Geräte in Teilen der Welt eingesetzt werden, wo das bisher nicht möglich ist. Dazu kommt das Thema Künstliche Intelligenz: Wie kann sie den Arzt, die Ärztin unterstützen in der Beurteilung von Ergebnissen? Diese Revolution ist bereits im Laufen.

Wie sehr wird der Mensch durch die Maschine ersetzt?

Er wird nicht ersetzt, aber  durch die richtige Anwendung kann der Mensch fundiertere Entscheidungen treffen. Und man kann  Diagnosen in Teilen der Welt stellen, wo keine Fachärzte vorhanden sind.

Plus Operieren aus der Entfernung.

Genau, mit Robotics. Das schafft Zugang zu medizinischer Versorgung für Menschen, die das jetzt nicht haben. Diese  industrielle Gesundheitswirtschaft passt sehr gut zu Europa: mit den Werten, die sie vertritt.

Wie gut ist die Medizin in Österreich? Ist der hohe Standard gefährdet?

Der medizinische Standard in Österreich ist extrem hoch, eigentlich sogar unschlagbar, was den Akutbereich betrifft. Sicherlich könnte man das eine oder andere besser organisieren.  Aber da wird in der Kritik übertrieben. Es hilft, über die Grenzen zu schauen.

Sonja Wehsely

Sie sind viel unterwegs. Wer sind die „Rising Stars“ unter den Ländern, in die Sie beruflich reisen?

Im Bereich der Digitalisierung sicher die baltischen Staaten. Wobei man sagen muss, dass Österreich mit E-Health und mit ELGA sehr weit vorangeschritten ist. Die Deutschen wären froh über  dieses Niveau! Die skandinavischen Länder sind gut im Gesundheitssystem, allen voran Dänemark. Dort ist aber auch die Kultur eine andere .

Mehr Selbstverantwortung?

Ja, aber auch noch viel stärkeres Vertrauen in die Wissenschaft. Bei den osteuropäischen Ländern entwickelt sich Polen im medizinischen Bereich gut. Generell haben die osteuropäischen Staaten derzeit eine bessere Wirtschaftswachstumsprognose als Westeuropa.

Was sehen Sie, wenn Sie durch Asien reisen?

Eine ganz andere Welt! Meine Zuständigkeit ist Zentralasien – das sind keine politischen Systeme, die ich für Österreich haben wollte. Wir können stolz sein auf unseren Lebensstandard  und sollten alles tun, damit er erhalten bleibt.

Welche asiatischen Länder sind „Rising Stars“?

Außerhalb meiner geschäftlichen Zuständigkeit ist das natürlich China  im technologischen Innovationsleadership. Allerdings darf man nicht vergessen, dass China ein autoritärer Staat ist – mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben.

Sie reagieren sehr emotional, wenn man Sie darauf anspricht, dass Siemens für das Österreich-Geschäft eine Zeit lang gerne Sozialdemokraten verpflichtet hat. Warum ärgert Sie das so?

Ich habe meine Karriere bei Siemens Healthineers in Deutschland begonnen – nicht bei Siemens und nicht in Österreich. Es ist ein typisches Klein-Klein-Österreichthema ohne faktische Grundlage. Könnte man nicht annehmen, dass ein börsennotierter Weltkonzern einfach kompetente Menschen aussucht?

Sie tragen eine auffällige Brosche von „Be accepted“, das ist eine Initiative zur Verbesserung der Kommunikation bei der Diagnose von Brustkrebs. Warum?

Das ist eine ganz tolle Initiative von Caroline Justich, die selbst eine Brustkrebsdiagnose hatte  und meint, man muss Radiologen und Radiologinnen dabei unterstützen, Patientinnen noch besser durch diese Phase der Diagnose zu begleiten. Der Oktopus, ein sehr intelligentes und starkes Tier, ist das Zeichen dafür. Es gibt eine interaktive Homepage für Patientinnen und auch ein Magazin in zwölf verschiedenen Sprachen, weil man zum Zeitpunkt der Diagnose so geschockt ist, dass man nichts aufnehmen kann. Jede achte Frau erkrankt an Brustkrebs. Ich freue mich sehr, diesem Thema eine Stimme zu geben, und es als Siemens Healthineers zu unterstützen. Es geht um die Enttabuisierung von Krebs. Früherkennung ist ganz besonders wichtig, und ich weiß, wovon ich spreche.

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