Sonja Hammerschmid: "Programmieren spielerisch lernen"

„Kinder müssen Lernen lernen, weil sich Technologien weiter verändern werden.“
Bildungsministerin Hammerschmid setzt auf die Autonomie zur Modernisierung der Schulen.

Frau Bundesministerin, gestern war großer Internetgipfel. Kanzler und Vizekanzler waren angekündigt, haben aber abgesagt. Statt über die Zukunft haben sie wieder über Ideologien von gestern gestritten. Kein gutes Zeichen.

Sonja Hammerschmid: Das müssen Sie die beiden Herren fragen. Wir arbeiten an der Zukunft, an der Digitalisierung der Schulen.

Wann wird endlich jedes Kind in die Schule kommen und dort, so wie Sie und ich, seinen Computer anstellen?

Ich habe vor drei Tagen die Digitalisierungsstrategie für unsere Schulen präsentiert. Aktuell haben wir 560 Expert-Schulen, die schon auf Digitalisierung im Unterricht setzen, mit digitalen, interaktiven Lernmaterialien.

560? Also gerade 10 Prozent der Schulen. 90 Prozent leben noch in der Vergangenheit?

Diese Expert-Schulen sollen ihre Erfahrungen weitergeben. Wir wollen auch die Schulerhalter motivieren, dass sie in Breitband und WLAN expandieren, und verhandeln mit den Telekom-Anbietern.

Aber nur für die Bundesschulen? Sie können nicht einmal für alle Schulen verhandeln, damit sie billigeres WLAN bekommen, das ist auch Föderalismus.

Faktum...

...Wahnsinn

Faktum...

Nein, das ist Wahnsinn und völlig absurd.

Mit Providern können wir sogar verhandeln, für die Schulausstattung nicht. Und wir arbeiten auch an einer Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer. Da gibt es auch viel Bereitschaft dazu. Ich rechne aber auch mit viel Eigeninitiative, in der Schule in der Wiener Koppstraße hat ein Lehrer angefangen und damit alle anderen Lehrer angesteckt.

Wann soll die digitale Kompetenz beginnen?

Schon in der Volksschule. Und wir wollen mit dem Mobile-Learning-Projekt weitermachen, das sind Tablet-Koffer, die wir an die Schulen bringen, wo Experten damit arbeiten. In der Sekundarstufe soll an den Schulen im Zuge der Autonomie entschieden werden, wie das digitale Lernen eingebaut wird. In der Koppstraße ist das schon Unterrichtsprinzip.

Heute 15-Jährige lernen etwas, ohne dass irgend jemand weiß, welche Fertigkeiten in 10 oder 15 Jahren gebraucht werden.

Das ist die große Herausforderung, die Kinder müssen Lernen lernen, weil die Technologien sich natürlich weiter verändern werden.

Lernt man an unseren Schulen Flexibilität?

Genau das erwarte ich mir durch die Autonomie. Da gibt es schon gute Beispiele, wie Schulen sich organisieren. Gestern war ich im 11. Bezirk, da ist der "Flipped Classroom" schon angekommen. Da macht die Lehrerin Videos, schickt diese an alle Schüler, die Kinder müssen sich das zu Hause am Tablet anschauen und im Unterricht findet dann die Vertiefung statt. Da kann die Lehrerin viel besser auf die Bedürfnisse der Schüler eingehen und kann die talentierten auch viel besser fördern.

Viele Berufe werden durch die Digitalisierung wegfallen.

Eine Studie des ZEW (Zentrum für Europäische Wissenschaft) spricht von acht bis zwölf Prozent der Jobs, deshalb müssen die Menschen lernfähig bleiben.

Brauchen wir nicht in den Schulen zusätzlich zu den Lehrern Technologieexperten, die unterrichten?

Mit dem Autonomiekonzept wird das funktionieren. Wir wollen künftig mehr Fort- und Weiterbildung, die auf das Kollegium der jeweiligen Schule abgestellt ist. Und da brauchen wir auch externe Experten.

Da sind die Lehrer dafür?

Denken Sie nur an "Teach- for – Austria", da kommen Menschen aus unterschiedlichen Berufsfeldern und gehen für zwei Jahre an eine Schule. Dafür gibt es überall Begeisterung, das werden wir weiterhin ausbauen. Pädagoginnen haben mir erzählt, dass gerade in Phasen der Veränderungen Kollegen von außen sehr hilfreich sind. Weil die sagen eher, probieren wir es halt einmal. Das löst neue Dynamiken aus, das ist schön.

Wie lernen Kinder und Jugendliche, mit den vielen Daten im Internet verantwortungsvoll umzugehen?

Das ist Ziel der Ausbildungsmodule für Pädagoginnen, aber es ist ja jetzt schon Unterrichtsprinzip, dass wir mündige Bürger erziehen wollen.

Das findet, mmmh, auch sicher in jeder Schule statt, oder?

Das muss natürlich Teil des Unterrichts sein. Gerade wegen Cybermobbing und Hasspostings in den neuen Medien müssen das die Kinder lernen. Darauf muss auch die Weiterbildung der Pädagogen abgestellt werden.

Müssen Kinder programmieren lernen?

Mir ist das technologische Grundverständnis wichtig. Das Programmieren, digitale Codes schreiben kann man spielerisch schon in der Volksschule lernen. Da gibt es etwa Spielzeug von Lego, wo die Kinder spielerisch lernen, Algorithmen zu verstehen.

Sollen Kinder trotzdem auch noch lernen, mit der Hand zu schreiben?

Ja, natürlich. Das ist kein Entweder Oder. Digitalisierung wird in absehbarer Zeit das Schulbuch nicht ersetzen. Es ist ein dringend notwendiges Anreichern des Unterrichts.

Die Bildungsreform ist in der finalen Phase. Wie Verhandler beider Parteien berichten, gibt es viel Grund für Optimismus, fertig verhandelt ist die Reform aber noch lange nicht. Auch ein Scheitern kann nicht ausgeschlossen werden. Der KURIER zeigt die wichtigsten Reformpunkte – und die größten Knackpunkte der Verhandlungen.

Schulautonomie:
Die Gängelung der Schulen und Lehrer durch unzählige Verordnungen von Bund und Ländern soll bald Geschichte sein. Geplant ist, die Schulen in die Autonomie zu entlassen, und sie damit für die Ausbildung der Schüler verantwortlich zu machen. Dafür bekommt jeder Standort weitgehend Autonomie, in personeller, pädagogischer, finanzieller und organisatorischer Form. Soll heißen: Wie der Schulalltag gestaltet wird, wann die Schule öffnet und schließt, wann und wie lange unterrichtet wird, sogar in welchen Klassen- oder Gruppengrößen, wird den Schulleitern überlassen. Dass es kein Limit bei der Klassengröße geben soll, und Schulen auch ohne Mitbestimmung der Lehrer in ganztägige Formen umgewandelt werden können, ist mancherorts heftig umstritten, ebenso, dass Direktoren künftig bei der Lehrerauswahl mitbestimmen können.

Schulaufsicht:
So viel Freiheit braucht entsprechend mehr Kontrolle. Das soll eine neue Schulaufsicht bewerkstelligen, die eng an das Ministerium gebunden sein wird. Die vorhandenen Bildungstests (Bildungsstandards der vierten und achten Schulstufe, Zentralmatura) sollen dafür weiterentwickelt und massiv ausgebaut werden. Direktoren als auch Lehrer, die die Erwartungen nicht erfüllen, sollen zur Weiterbildung verpflichtet werden, notfalls auch abgezogen werden können. Die Länder würden also einmal mehr an Einfluss verlieren.

Cluster:
Darüber hinaus sollen sich (bis zu acht) Schulen zu "Clustern" zusammenschließen können, um die vorhandenen Ressourcen (Pädagogen und Infrastruktur) auch gemeinsam nutzen zu können.

Direktorenbestellung:
Was derzeit in den Landesschulräten von politischen besetzen Gremien entschieden wird, soll künftig ein schlankes Fünfer-Team (je einer/eine aus Bund, Land, Gewerkschaft, Schulvertretung und ein "externer" Experte, der die Kandidaten evaluiert) entscheiden. Auch hier: Länder verlieren an Macht.

Brennpunktschulen:
Standorte, mit besonders vielen Migranten oder Eltern mit nur Pflichtschulabschluss sollen mehr Ressourcen für mehr Förderlehrer bekommen.

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