Sind Wahlärzte noch das Mittel der Wahl?

In Österreich gibt es keine flächendeckende Versorgung mit Kassenärzten. Es gibt etwa Bezirke ohne Kassen-Frauenärzte. Den Patientinnen bleibt dann oft nur eine Option: der Besuch eines Wahlarztes, also eines niedergelassenen Privatarztes, der einen Teil seiner Leistungen nach den Tarifen der Krankenkassen richtet.
Dort bekommt der Patient nicht 100, sondern maximal 80 Prozent des Kassentarifs rückerstattet. Rund ein Drittel der Österreicher hat auch deshalb eine private Zusatzversicherung. Die Ursachen, warum es nicht genügend Kassenärzte gibt: überbordende Bürokratie, zu viele Patienten, schwankende Bezahlung, keine offenen Kassenplätze an attraktiven Standorten, dafür viele offene im Waldviertel.
"Wahlärzte abschaffen"
Andreas Huss, Vize-Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) hat folgende Lösung: Wahlärzte abschaffen. Nach deutschem Vorbild soll es nur noch Kassen- oder Privatärzte geben – für Besuche beim Privatarzt werden dann keine Kosten rückerstattet. „Für die Kassen wird es zwar teurer, wenn sie den jetzigen Wahlärzten nicht mehr 80, sondern 100 Prozent rückerstatten müssen“, sagt Huss zum KURIER. Gleichzeitig würden aber auch Kosten gespart: Der Abrechnungsaufwand sei bei Wahlärzten teurer, in diesem Verwaltungsbereich könnten die Kassen 50 Prozent des Personals einsparen.
Von den 10.000 Wahlärzten in Österreich arbeitet die Hälfte Vollzeit in Spitälern, betreibt nebenbei Privatpraxen. 5.000 sind nur Wahlärzte, von denen viele nur wenige Wochenstunden arbeiten. „Wenn wir 1.000 zusätzliche Kassenstellen, gerne auch Teilzeit, hätten, bräuchten wir keine Wahlärzte mehr, die ohnehin nur 5,5 % der Kassenleistungen erbringen“, sagt Huss.
Ist sein Vorschlag politisch mehrheitsfähig? Die Ärztekammer lehnt ihn kategorisch ab. Auch keine Parlamentspartei, nicht einmal die SPÖ, unterstützt den roten Gewerkschafter Huss vollinhaltlich.
Gegenvorschläge
Huss liefere eine viel zu einfache Antwort auf eine komplexe Frage, kritisiert Ralph Schallmeiner, Grünen-Gesundheitssprecher. Er fordert leistungsbezogene Verträge für Kassenärzte, mit Sockelbeträgen. Dann müssten Kassenärzte nicht mehr zu viele Patienten abarbeiten, um ihr Einkommen zu steigern, so Schallmeiner.
ÖVP, SPÖ und FPÖ fordern eine Attraktivierung von Kassenarztstellen – mit unterschiedlichen Modellen. Die Grünen und die ÖVP sind für einen Ausbau von Primärversorgungszentren.
Anderer Vorschlag: Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker fordert eine Versicherungspflicht nach Schweizer Vorbild. Heißt: Es gibt nur noch private Krankenkassen. Diese müssen einen Mindestversicherungsschutz garantieren, etwa für Basisleistungen wie Krankenhausaufenthalte. „Der Patient kann dann aus verschiedenen Modellen wählen, welche Leistungen er garantiert haben möchte, die darüber hinausgehen“, sagt Loacker. Dann würden alle Ärzte in einem System arbeiten.
Gaby Schwarz
Die ÖVP-Gesundheitssprecherin ist gegen ein Ende der Wahlärzte. Es brauche „flexiblere und kreativere Modelle“, um Kassenarztstellen attraktiver zu machen – etwa Primärversorgungszentren und Gruppenpraxen.
Philip Kucher
Kassenstellen müssten „offensiv ausgebaut und attraktiviert, die Ausbildungsplätze für Mediziner endlich verdoppelt werden“, sagt SPÖ-Sprecher Kucher. Dann würde die Zahl der Wahlärzte nicht mehr explodieren.
Gerhard Kaniak
Die FPÖ forderte zuletzt prinzipiell eine Attraktivierung des Berufsbildes „Arzt“. Heißt: leichterer Zugang zum Studium, freierer Zugang zu Kassenverträgen, Lehrpraxen und ausreichende Ausbildungsplätze.
Ralph Schallmeiner
Die Grünen plädieren für leistungsbezogene Verträge für Kassenärzte: Der Patient bindet sich für gewisse Zeit an den Arzt, dieser bekommt dafür einen Sockelbetrag. Zudem brau-
che es mehr Primärversorgungszentren.
Gerald Loacker
Die Forderung der Neos: Wenn Kassen ihren Patienten keine öffentliche Versorgung anbieten können, sollten sie die Wahlarzt-Kosten zur Gänze ersetzen. Zudem gehörten Wahlärzte an die Gesundheitsakte ELGA angebunden.
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