Sepp Schellhorn: "Ich habe einen breiten Rücken“

Neos-Staatssekretär Sepp Schellhorn zur Entbürokratisierung: „Wir werden jetzt liefern.“
Sepp Schellhorn hatte 2021 die Politik verlassen und war vor der Nationalratswahl 2024 in das Parlament zurückgekehrt. Seit März versucht er nun als Neos-Staatssekretär, die überbordende Bürokratie in den Griff zu bekommen. Erste Ergebnisse will er im Herbst liefern.
KURIER: Herr Schellhorn, die Wirtschaft erwartet von Ihnen, dass sie von Ihnen als Staatssekretär für Deregulierung von zu viel Bürokratie befreit wird. Was ist da bisher schon passiert?
Sepp Schellhorn: Als ehemaliger Unternehmer weiß ich natürlich, was einen zwickt bzw. belastet. Diese Bundesregierung ist auch angetreten, um Entlastung zu bieten, vor allem auf bürokratischer Ebene. Ich weiß, dass ich liefern muss. Aber zuerst habe ich einsammeln müssen. Wir haben deswegen wahnsinnig viele Begegnungen mit Bürgerinnen und Bürgern gehabt, Firmen besucht, aber auch Institutionen. Wir haben mit Bezirkshauptleuten gesprochen, um zu erfahren, wo die Probleme liegen. Das hat gedauert, aber jetzt werden wir liefern. Im Herbst kommt noch ein eigener Ministerratsantrag mit dem Herrn Bundeskanzler – im Rahmen dessen werden wir Streichungen vornehmen. Und zwar in Hülle und Fülle.
Was ist da das Ziel?
Ziel ist es, in dieser Legislaturperiode eine massive Senkung der Berichtspflichten und der bürokratischen Auflagen zu erzielen. Mein persönliches Ziel ist es, dass wir nach fünf Jahren sagen können, für jedes neue Gesetz müssen zwei alte raus.
Momentan hat man noch den gegenteiligen Eindruck. Sozialministerin Korinna Schumann will eine Quotenregelung für über 60-Jährige einführen. Da hat es aus der Wirtschaft sofort den Aufschrei gegeben, dass das noch mehr Bürokratie bedeutet.
Die Frau Sozialministerin hat das gesagt – das war ihr Gedanke – aber das war nicht abgesprochen. Mir geht es darum, bei jedem Ministerratsantrag auch Entbürokratisierungsmaßnahmen einschleifen zu lassen.
Sie waren selbst Unternehmer im Tourismusbereich. Was hat Sie damals bezogen auf die Bürokratie am meisten gestört?
Da gibt es drei Themen. Erstens die Berichtspflichten. Ich hatte einen eigenen Mitarbeiter – man muss vorausschicken, für fünf verschiedene Unternehmen –, der 72 Tage allein damit verbracht hat, alles in Akten abzulegen. Zweitens die unsichere Rechtslage. Mein letzter Betrieb, den ich geöffnet hatte, war ein Wirtshaus. Für drei Stufen braucht man zwei Handläufe. Und du stehst in der Mitte, links der Arbeitsmediziner und rechts jemand fürs Gewerberecht. Für den einen müssen die Fliesen glatt sein, der andere will sie rau. Und beides gilt. Und drittens – das ist eines der wichtigsten Themen – ist die Lohnsteuergesetzgebung viel zu undurchsichtig.

Schellhorn im Studio: „Man muss nicht immer gleicher Meinung sein.“
Sie haben gesagt, Sie waren in ganz Österreich unterwegs. Welche Stimmung haben Sie da in der Wirtschaft wahrgenommen?
Sagen wir es ganz ehrlich: Die Unternehmer sind an die Wand gedrückt, und das belastet mich, weil ich selber Unternehmer bin. Das Unternehmerische, nämlich auch Gewinne zu erzielen, um wieder investieren zu können, ist im Moment kaum möglich. Da ist unser Wirtschaftsstandort massiv in Rückstand geraten. Für die Bundesregierung ist es maßgebend, hier wieder Spielräume zu schaffen, damit wir am Ende der Legislaturperiode auch steuerlich entlasten können.
Momentan sind auch die Rahmenbedingungen schwierig, weil sich diese nicht nur in Österreich, sondern auch europaweit und in Bezug auf Amerika verschlechtert haben. Das deutsche Konjunkturpaket etwa springt noch nicht so an.
Das hat schon ein bisschen einen Verzögerungswert. Es ist schon richtig, dass wir an der deutschen Industrie hängen. Es sind aber nicht nur die Autozulieferer betroffen. Wichtig ist, dass wir im Rahmen des „Rearm Europe“-Plans auch an den Investitionen in Verteidigung und Nachrüstung mitpartizipieren. Dazu müssen wir aber auch unsere Hausaufgaben machen, etwa im Kriegsmaterialgesetz. Ich war den ganzen Sommer zwischen Innenministerium, Wirtschaftsministerium und Außenministerium unterwegs. Entscheidend ist, dass wir das Gesetz so handhaben, dass rasch und klar über Exportmöglichkeiten entschieden werden kann.
Da besteht Handlungsbedarf?
Wenn wir den Anschluss an das Wachstum der Industrie nicht verlieren wollen, gehört die Umsetzung des Gesetzes an die Notwendigkeiten unserer Zeit angepasst. Ein Beispiel: Ich habe mich mit einem Unternehmer aus Deutschland unterhalten. Der benötigt aus Österreich Plastikteile, die für Entminungs- und Suchgeräte gebraucht werden. Solange wir diese Frage nicht praktikabel handhaben, kann er nicht beliefert werden. Im Extremfall bedeutet das, die Produktion muss von Österreich nach Deutschland verlagert werden.
Um das Budget zu sanieren, werden mit den Bundesländern ein Stabilitätspakt und Strukturreformen verhandelt. Als gelernter Österreich weiß man, dass bei solchen Bund-Länder-Gesprächen meist nur sehr wenig herauskommt. Glauben Sie, dass diesmal etwas gelingen kann?
Instinktiv hätte ich jetzt gesagt, glauben allein hilft nichts, wir müssen es tun. Ich kann nur sagen, die Neos sind die Reformkraft. Wir wollen reformieren. Und den beiden anderen Parteien ist bewusst, dass wir nur gemeinsam reformieren können, um neue Spielräume zu schaffen. Es ist mein ganz besonderes Ziel, hier zu liefern, weil sonst fahren wir an die Wand.
Zuletzt haben Sie den Eingriff bei Mieten mitverhandelt und auch mitverkündet. Wie geht es Ihnen da als Liberaler, wenn jetzt in den Markt eingegriffen wird?
Das war bereits bei den Regierungsverhandlungen ein harter und intensiver Diskussionspunkt. Wir haben da schon noch Erleichterungen erzielt, aber es ist eben ein Kompromiss. Es wäre natürlich viel schöner, aber eben unrealistisch, wenn wir die absolute Mehrheit hätten. Wir mussten Kompromisse schließen, alle drei Parteien haben das Beste daraus gemacht.
Zum KURIER TV-Interview mit Sepp Schellhorn
Sepp Schellhorn (58): Der ehemalige Unternehmer und Touristiker Sepp Schellhorn aus dem Salzburger Pongau war von 2014 bis 2021 und von 2024 bis 2025 Nationalratsabgeordneter der Neos. Seit 3. März ist er Staatssekretär für Deregulierung im Außenministerium. Seit Mai ist er auch Landessprecher der Salzburger Neos.
In der Regierung haben Sie eigentlich den schwersten Start gehabt. Sie wurden vom Boulevard teilweise wegen Ihres Dienstautos oder wegen Postings zerrissen. Haben Sie sich da nicht gedacht, warum habe ich mir das angetan?
Ich habe einen breiten Rücken. Ich bin Unternehmer, ich kenne Höhen und Tiefen. Ich kenne das auch aus meinen früheren Aktivitäten in den sozialen Medien mit dem Kochkanal „Sepp, was machst du?“ Jede Sonnenseite hat auch eine Schattenseite, das war mir bewusst. Aber das ist hinter mir, jetzt werde ich liefern und einen Beitrag dazu leisten, dass die Wirtschaft wieder Licht am Ende des Tunnels sieht.
Sie sind in Ihrem Ressort auch für die Kultur im Ausland zuständig. Da haben Sie zuletzt für Aufsehen gesorgt, indem Sie einen möglichen Boykott des Song Contests wegen der Teilnahme von Israel als sinnlose Aktion bezeichnet haben.
Ich muss jetzt leider korrigieren. Ich habe nicht für Aufsehen gesorgt, sondern einen klaren Standpunkt vertreten: Kunst und Kultur dürfen nicht zum Politikum werden. Kunst und Kultur müssen frei bleiben. Hier geht es um den Eurovision Song Contest – den zu boykottieren steht jedem und jeder frei. Österreich und der ORF dürfen sich allerdings nicht erpressen lassen.
Ihrer Meinung nach soll der ORF bei seiner Linie bleiben, dass Israel teilnimmt. Es gibt ja auch in Österreich dazu kritische Stimmen.
Es hat nicht nur meine Unterstützung. Ich glaube, dass es uns etwas wert sein muss, für die Freiheit von Kunst und Kultur zu kämpfen. Wenn wir da jetzt in die Knie gehen, dann geht uns der Song Contest verloren. Ich wollte da klare Kante zeigen. Ein Boykott ist dumm und sinnlos.
Noch eine persönliche Frage. Einer der härtesten Kritiker der Dreier-Bundesregierung ist Ihr Bruder Franz Schellhorn von der Agenda Austria. Wie fechten Sie das mit ihm aus?
Das Gute ist, dass wir wieder miteinander reden, seit ich in der Regierung bin. Wir diskutieren, wir sind ja zwei Wirtshausbuben. Wir sind an einem Stammtisch groß geworden. Diese Stammtisch-Metapher ist auch sehr wichtig, dort kann man sich’s ausreden, dort ist diese analoge Welt noch vorhanden im Gegensatz zum digitalen Debattenmüll. Auch wenn wir unterschiedliche Standpunkte haben, ist es wichtig, einen Konsens zu finden. Beide haben wir das Ansinnen, die Welt ein Stück besser zu machen. Da muss man nicht immer gleicher Meinung sein.
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