Seniorenbund-Präsidentin Korosec: "Ich bin keine Freundin von Quoten"

Ingrid Korosec
Ingrid Korosec, die Bundesvorsitzende des Seniorenbundes, über die Vorgabe der Sozialministerin für ältere Arbeitnehmer, die geringere Erhöhung bei den Pensionen und die Lage der ÖVP.

Zusammenfassung

  • Korosec fordert stärkere Einbindung der Seniorenvertretung bei Pensionsanpassungen und kritisiert die aktuelle Vorgehensweise der Regierung.
  • Sie lehnt Quotenregelungen für ältere Arbeitnehmer ab und plädiert stattdessen für Anreize, um längere Beschäftigung zu fördern.
  • Korosec betont die Notwendigkeit einer einheitlichen Finanzierung im Gesundheitswesen und sieht Reformdruck bei Bund und Ländern.

Ingrid Korosec wurde am Freitag als Präsidentin des Seniorenbundes (mit 93,4 Prozent) und der ÖVP-Senioren (mit 100 Prozent) wiedergewählt. Sie verlangt mehr Gehör, wenn es um die Erhöhung der Pensionen geht.

KURIER: Frau Korosec, Sie haben einige turbulente Tage hinter sich, weil die Regierung die Pensionen nicht in dem Maß erhöhen wird, wie es vorgesehen wäre. Sie haben heftig protestiert. Haben Sie sich in diesem Punkt mit Ihrer ÖVP schon wieder ausgesöhnt?

Ingrid Korosec: Schauen Sie, wir sind Profis. Der Bundeskanzler ist schon lange in der Politik, und ich bin schon lange in der Politik. Da kann man damit umgehen. Natürlich waren wir sehr verärgert, weil wir nicht eingebunden waren. Das war einfach unfair, weil wir als Seniorenrat ja auch Sozialpartner sind. Und da müssten wir eigentlich eingeladen werden.

Wenn man die Seniorenvertreter eingebunden hätte, wäre es vielleicht schwieriger gewesen, die Einsparpläne bei den Pensionen durchzubekommen.

Möglicherweise, weil man weiß, dass ich eine sehr harte Verhandlerin bin. Aber vielleicht wäre es dann auch ein Miteinander gewesen. Dass wir nicht eingebunden waren, hat auf jeden Fall zu Irritationen geführt. Wir haben dann verhandelt und eine Lösung getroffen, dass 71 Prozent der Pensionisten die gewohnte Anpassung bekommen, aber der Rest nicht. Das freut mich natürlich nicht, weil das dem Versicherungsprinzip widerspricht. Ich glaube aber, dass man für die Zukunft erkannt hat, dass es so nicht geht. Wir müssen eingebunden sein.

Haben Sie seither eine Aussprache mit Bundeskanzler Christian Stocker gehabt?

Natürlich, wir haben laufend Gespräche. Ich bin für rund 2,5 Millionen Seniorinnen und Senioren zuständig. Das ist das, wofür ich mich einsetze. Vor allem geht es mir auch um Gerechtigkeit, ich bin eine Gerechtigkeitsfanatikerin.

Seniorenbund-Präsidentin Korosec: "Ich bin keine Freundin von Quoten"

Wo genau geht es da um das Thema Gerechtigkeit?

Gerecht ist, dass alle Gruppen eingebunden werden müssen. Wir müssen schauen, dass Österreich wieder aus dem wirtschaftlichen Tief herauskommt. Alle müssen ihren Anteil leisten. Gerade die Senioren haben da schon etwas beigetragen, weil bei ihnen ja bereits mit 1. Juni die Krankenversicherungsbeiträge von 5,1 auf 6 Prozent erhöht worden sind. Bis zum Ende der Legislaturperiode sind das insgesamt rund drei Milliarden Euro.

Bezogen auf die Pensionisten sind bereits Änderungen bei der Korridorpension beschlossen worden. Gleichzeitig hat es den Vorschlag gegeben, das Pensionsantrittsalter zu erhöhen. Wie sehen Sie diese Diskussion?

Ich bin jemand, der über den Tellerrand denkt. Natürlich brauchen wir Reformen. Aber ich halte es für völlig falsch, jetzt zu sagen, wir sollten zwei Jahre länger arbeiten. Meiner Meinung nach ist nicht das Geburtsdatum wichtig, sondern die Erwerbsdauer. Jetzt fängt jemand mit 15 eine Lehre an, warum sollte der bis 67 Jahre arbeiten? Auf der anderen Seite absolvieren junge Leute oft zwei bis drei Studien, ehe sie ins Berufsleben einsteigen. Das ist eine völlig andere Situation. Wollen wir die gleich behandeln?

Man sollte also mehr auf die jeweilige Branche oder den jeweiligen Beruf sehen?

Man sollte viel flexibler sein und nicht auf diesen starren 67 Jahren beharren. Wir haben heute das Problem, dass in Österreich im Alter zwischen 55 und 64 Jahren rund 40 Prozent nicht arbeiten, weil sie krank, arbeitslos oder auf die Sozialhilfe angewiesen sind. Wenn wir jetzt von 65 auf 67 erhöhen, dann sind die eben zwei Jahre länger arbeitslos oder im Krankenstand.

Die Unternehmer sollten also mehr darauf schauen, ältere Menschen im Job zu behalten?

Wir wollen, dass das faktische Pensionsalter an das gesetzliche herangeführt wird. Davon sind wir derzeit weit entfernt. Seit Jahren sagt man, es wird das und jenes dafür getan. Im Grund genommen ist in Österreich die Kultur, ältere Menschen länger zu beschäftigen, nicht sehr ausgeprägt. Im Gegensatz zu den nordischen Ländern.

Was sagen Sie da zu dem Vorschlag der Sozialministerin, eine Quotenregelung für ältere Arbeitskräfte ab 60 Jahren einzuführen?

Ich bin keine Freundin von Quoten, weil das immer eine gewisse Stigmatisierung ist. Man muss Anreize schaffen, dass die älteren Menschen die Chance haben, im Berufsleben zu bleiben.

Dass Menschen auch im Pensionsalter weiterarbeiten, ist derzeit bezogen auf die Steuern und die Sozialversicherung nicht sehr lohnend. Wann wird da die versprochene Änderung kommen?

Seit mindestens zehn Jahren habe ich mich um eine Vereinfachung bemüht. So wie es ausschaut, kann ich mir vorstellen, dass wir mit 1. Jänner 2026 die Flat Tax für Pensionisten bekommen. Wenn derzeit ein Pensionist 1.000 Euro im Monat bekommt, dann ist die Abrechnung sehr kompliziert. In Zukunft ist dann klar, dass man 25 Prozent an Abgaben bezahlt. 750 Euro bleiben damit in der Tasche, unabhängig davon, welche Pension man bekommt.

Zum ausführlichen Interview mit Ingrid Korosec

ZUR PERSON

Ingrid Korosec (84)
Die gebürtige Niederösterreicherin begann ihre Polit-Karriere 1983 im Wiener Gemeinderat. Sie saß für die ÖVP im Nationalrat und war Generalsekretärin. 2016 übernahm sie den Seniorenbund. 

Sie glauben, dass das noch im Herbst beschlossen werden kann, obwohl in der Regierung drei Parteien zustimmen müssen?

Ich bin eine Optimistin und glaube auch, dass das ungemein wichtig ist. Wir wissen, dass jetzt sehr viele Babyboomer in Pension gehen. Die waren alle in ihrem Leben sehr aktiv und hatten interessante Berufe. Die wollen weiter arbeiten, es melden sich diesbezüglich auch sehr viele bei mir.

Ein wichtiges Thema für Senioren ist auch die Gesundheitsversorgung. Da weiß die Regierung, dass vieles geändert bzw. verbessert werden muss. Da geht es auch um die Finanzierung.

In der Gesundheitspolitik brauchen wir die Finanzierung aus einer Hand. Ich sage nicht, das muss der Bund oder das muss das Land machen, aber es muss eine Hand sein.

Das ist eine sehr gewagte Ansage, weil gerade in Österreich sehr viele Player auf diesem Spielfeld sind. Bund, Bundesländer, ÖGK, Ärztekammer etc.

Ich kann Ihnen sagen, es versickert sehr viel Geld in den Strukturen und kommt nicht bei den Patienten an. Wir wollen aber, dass die Patienten bevorzugt werden und nicht die Strukturen. Wenn uns die Finanzierung aus einer Hand nicht innerhalb der nächsten zwei Perioden gelingt, dann werden wir mit der Gesundheitspolitik an die Wand fahren.

Es gibt die Hoffnung, dass bei den Debatten über die Strukturreformen zwischen Bund und Ländern der Gesundheitsbereich neu geregelt wird. 
Ich glaube, dass der Finanzdruck da schon sehr stark ist. Vor 10 bis 15 Jahren war ich da noch eine Ruferin in der Wüste, aber jetzt ist der Druck weit stärker.

Reden wir auch ein wenig über Ihre Partei, die ÖVP. Sie waren einmal Parteimanagerin. Wie hätten Sie reagiert, wenn die Umfragen nicht wirklich besser werden? 
Für die neue Regierung ist die Zeit noch zu kurz, um Erfolge zu sehen. Aber wenn ich daran denke, wie viele Gesetze in den vergangenen Monaten verabschiedet worden sind, dann ist das unglaublich. Die Bürger merken noch nichts davon. Im Gegenteil, sie werden fast täglich mit Betriebsschließungen konfrontiert und verunsichert. Es müssen jetzt Erfolge kommen, die sichtbar sind. Dann kehrt auch die Zuversicht zurück. 

Und wie sieht es mit der Wiener ÖVP aus, die vor wenigen Tagen Markus Figl zum neuen Obmann gewählt hat? 
Markus Figl ist kein Effekthascher, er ist sehr grundsatztreu. Er weiß aber, was er will. Und ich habe diesbezüglich ein sehr gutes Gefühl. Ich setze große Erwartungen in ihn. Natürlich wird es einer allein nicht schaffen, aber er hat ein gutes Team um sich. Es muss auch funktionieren, weil die Städte für die ÖVP ungemein wichtig sind.

Figl hat in Wien aber mit mehreren Strömungen zu kämpfen.

Das gibt es oft in den Parteien. Das ist aber beigelegt, der Parteitag war sehr harmonisch. Ich habe den Eindruck, es sind alle zufrieden von dort weggegangen.

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