Selenskij-Rede geschwänzt: Wie die SPÖ das erklärt
Sie würde für Aufregung sorgen, das war gewiss: die Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij, der am Donnerstag dem Nationalrat per Video zugeschaltet wurde. Die Ansprache fand vor der offiziellen Sitzung statt.
Die FPÖ hatte im Vorhinein angekündigt, dagegen zu protestieren. Geht es nach den Freiheitlichen, ist der Auftritt Selenskijs „ein Anschlag“ auf Österreichs Neutralität. Es blieb dann bei einem stillen Protest: Die blauen Abgeordneten verließen zu Beginn der Rede den Saal und platzierten Kärtchen auf ihren Bänken – abwechselnd mit „Platz für Frieden“ oder „Platz für Neutralität“ beschriftet.
Den viel größeren Aufschrei brachte aber die SPÖ zustande. Sie hatte vorab keinen Protest angekündigt, dennoch schafften es nur 19 von 40 roten Mandataren zur Ansprache. Warum? Die Erklärungen fielen auf KURIER-Nachfrage anfangs zu diffus und unterschiedlich aus, um der SPÖ koordiniertes Vorgehen unterstellen zu können.
SPÖ gibt Sobotka die Schuld
Am Nachmittag setzte sich dann folgende Erzählung durch: Die Abgeordneten seien ferngeblieben, da Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) Selenskij zu diesem außerparlamentarischen Online-Auftritt eingeladen habe. Und die SPÖ wäre nur geschlossen hinter einer „einstimmigen“ Einladung gestanden. Genau dieser Konflikt hatte zuvor einen Selenskij-Auftritt verhindert – da die FPÖ partout dagegen war. Das hat dafür gesorgt, dass Selenskij neben Österreich bisher nur zu zwei anderen Abgeordnetenhäusern in der EU nicht gesprochen hat: Bulgarien und Ungarn.
„Als Parlamentspartei wurden wir nicht genug in den Prozess von Präsident Sobotka eingebunden“, sagt SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer, der ebenfalls zu den roten Abwesenden zählte, später zum KURIER. Es sei ihm weniger um Selenskijs Ansprache, sondern um den innenpolitischen Charakter der Veranstaltung gegangen: „Ich stehe nicht zur Verfügung für den Missbrauch parteipolitischer Zwecke in unserem Land“, betont Laimer. Die Neos hätten eine Stricherlliste geführt, die FPÖ sei ferngeblieben – beide würden versuchen, eine weitere Polarisierung zu provozieren. Sein Herz, so Laimer, schlage in erster Linie für die notleidende ukrainische Bevölkerung.
Ebenso abwesend: SPÖ-Parteichefin und außenpolitische Sprecherin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ). Sie war gesundheitlich verhindert – was ihr Team jedoch erst kommunizierte, nachdem Rendi-Wagners Absenz für heftige Kritik gesorgt hatte.
Regierung auf Reisen
Doch auch die Regierungsbank blieb während der Selenskij-Rede auffällig verwaist. Neben Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) waren lediglich vier Minister und ein Staatssekretär (Florian Tursky, ÖVP) bei der Rede vor Ort. Auf KURIER-Anfrage haben die meisten Minister zumindest ein Alibi – sie nehmen großteils „schon seit langem geplante“ Termine im Aus- oder Inland wahr. Das optische Gesamtbild während der Selenskij-Rede – halb leere Abgeordneten- und Regierungsbänke – geriet jedenfalls nicht zu einem deutlichen Signal der Solidarität mit der Ukraine.
Was haben die Abwesenden versäumt?
Selenskij sprach von einem „totalen Krieg Russlands“ gegen die Ukrainer. Wenn die Ukraine um Hilfe bitte, bitte sie um Unterstützung dafür, Leben retten zu können, so der ukrainische Präsident. Selenskij bedankte sich für Österreichs Unterstützung und das Angebot weiterer humanitärer Hilfe. Er lud Sobotka und andere Parlamentsvertreter ein, die Ukraine zu besuchen und mit eigenen Augen zu sehen, was die russische Konfrontation für das Land bedeute. Dann könne man auch verstehen, wie wichtig es sei, moralisch nicht neutral gegenüber dem Bösen zu sein, sagte Selenskij.
Er sei überzeugt, dass die Ukraine in diesem Krieg siegen werde, betonte der Präsident und beendete seine Rede mit: „Danke Österreich! Ehre der Ukraine!“
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