Vor dem Abgang von Kardinal Schönborn: Wer als Nachfolger in Frage kommt

Nun ist es so gut wie fix: Die Amtszeit von Kardinal Christoph Schönborn als Wiener Erzbischof wird im kommenden Jänner zu Ende gehen. Damit war schon seit Längerem allgemein gerechnet worden. Bereits im November 2019, im Rahmen der damals stattfindenden Amazonien-Bischofssynode in Rom, übergab Schönborn dem Papst persönlich das Schreiben, in dem er seinen Rücktritt anbot. Im Jänner 2020 vollendete Schönborn sein 75. Lebensjahr – das ist das Alter, in dem Bischöfe dem Bischof von Rom ihren Rücktritt anbieten müssen.
Vom Papst geschätzt
Papst Franziskus nahm indes den Rücktritt nicht an, sondern beließ den von ihm sehr geschätzten Kirchenmann weiter im Amt. Nachdem Franziskus 2021 die Kirche in einen globalen synodalen Prozess schickte, der in zwei Synoden gipfelte – die zweite wird gerade in Rom noch bis Ende Oktober abgehalten (siehe unten) – zeichnete sich ab, dass Schönborn erst nach Abschluss dieses Projekts sich zurückziehen würde; genauer gesagt: dass sein Rücktrittsangebot vom Papst angenommen würde.
Denn Schönborn ist als Mitglied des Synodenrats auch Teilnehmer der Synode. Was zwar nicht an die Funktion des Erzbischofs gebunden ist, aber es spricht viel dafür, dass der Papst als Zeichen der Wertschätzung Schönborn eben noch in Amt und Würden bei der Synode dabeihaben wollte. Schönborn selbst hatte bereits vor einiger Zeit berichtet, der Papst habe ihm mitgeteilt, dass er seinen 80. Geburtstag – am 22. Jänner 2025 – noch an der Spitze der Erzdiözese feiern möge.
Antritt in schwieriger Zeit
So war es nicht weiter überraschend, dass gestern, Freitag, die Erzdiözese Wien via Aussendung mitteilte: „Abschiedsfeier für Erzbischof Christoph Schönborn am 18. 1. 2025 im Stephansdom“. An diesem Samstag, um 14 Uhr wird zu einem Gottesdienst in den Stephansdom geladen, „um am Ende eines fast 30-jährigen gemeinsamen Wegs zu feiern und zu danken“. Der Gottesdienst steht grundsätzlich allen offen – über die Website www.erzbischof.wien kann man sich ab Ende November anmelden (auch ORF 2 wird den Gottesdienst übertragen). Schon jetzt kann man auf derselben Website eine Erinnerung oder ein Gebet mit Bezug zu Schönborn teilen bzw. für ein dem Kardinal besonders am Herzen liegendes Hilfsprojekt spenden.
Mit Anfang nächsten Jahres geht damit eine Ära nicht nur der Wiener, sondern der österreichischen Kirche zu Ende. Schönborn hatte die Erzdiözese Wien 1995 in schwieriger Zeit übernommen – die Missbrauchscausa seines Vorgängers Hans Hermann Groër hatte für massive Verwerfungen gesorgt. Und niemand konnte ahnen, dass dieses Thema ab 2010 in globalem Maßstab und mit voller Wucht aufbrechen sollte.
Der weltläufige und polyglotte Dominikaner aus altem böhmischem Adel erwies sich in den fast drei Jahrzehnten seiner Amtsführung als ausgleichender Moderator, oft sanft im Ton, aber hart in der Sache – zuletzt auch in der Sache konzilianter, gemessen an allgemein gesellschaftlichen Maßstäben. Dabei war er oft den einen noch immer zu „konservativ“, den anderen doch zu sehr bemüht, dem „Zeitgeist“ entgegenzukommen. Allseits anerkannt und geschätzt wird sein spirituelles wie intellektuelles Format, seine Gesprächs- und Dialogfähigkeit.
Zur Frage, die nun alle am meisten interessiert, heißt es am Ende der erzdiözesanen Aussendung am Ende nur lapidar: „Welchen Nachfolger Papst Franziskus für Kardinal Schönborn als Erzbischof von Wien ernennen wird, ist noch nicht bekannt.“ Auch das ist freilich nicht überraschend, steht doch das Recht für Ernennungen von Bischöfen alleinig dem Papst zu (wenngleich es – aber nicht für Wien – in einigen Diözesen Sonderregelungen gibt, die ein gewisses Maß an Mitbestimmung der Diözese vorsehen). Hinsichtlich der Nachfolge von Schönborn kursieren seit Jahren die immer gleichen Namen, mit teils wechselnder Konjunktur.
Franz Lackner (68), Erzbischof von Salzburg
Spätberufener Franziskaner, Weihbischof von Graz, sportaffin (Sturm-Graz-Fan), theologisch hochgebildet, in der Sache konservativ, aber kein Mann der scharfen Worte.
Wilhelm Krautwaschl (61), Bischof von Graz
Als Nachfolger des intellektuellen und kunstsinnigen Egon Kapellari eher auf den Spuren seines Vorvorgängers, des volkstümlichen und umgänglichen Johann Weber.
Hermann Glettler (59), Bischof von Innsbruck
In Fragen des Sozialen oder der Migration auf „linkskatholischer“ Linie, innerkirchlich-theologisch moderat konservativ, große Affinität zu moderner Kunst.
Ein Steirer für Wien?
Allgemein spricht vieles dafür, dass für Wien – neben Salzburg die zweite Erzdiözese des Landes und einer der wichtigsten Bischofssitze im deutschen Sprachraum – nur jemand in Frage kommt, der bereits die Bischofswürde besitzt. Dass also ein Priester „aus dem Stand“ gleich Erzbischof von Wien wird, ist eher nicht anzunehmen. Das spräche gegen immer wieder als episkopabel gehandelte Kandidaten wie den Heiligenkreuzer Pater Karl Wallner, Direktor der Päpstlichen Missionswerke, oder den Rektor des Österreichischen Hospizes von Jerusalem, Markus Stephan Bugnyár.
Als Favoriten unter den österreichischen Bischöfen gelten derzeit der Salzburger Erzbischof Franz Lackner (er ist Schönborn 2020 als Vorsitzender der Bischofskonferenz nachgefolgt), der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl sowie der Innsbrucker Oberhirte Hermann Glettler – alle drei übrigens Steirer.
In einem von Papst Franziskus ausgerufenen weltweiten Prozess beschäftigt sich die katholische Kirche seit 2021 eingehend mit der Frage, wie sie ihre Entscheidungen finden und welche Formen von Mitbestimmung es dabei geben soll. Die Weltsynode steht unter dem Leitmotiv „Eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe, Sendung“ und findet als Konsultations- und Beratungsprozess in mehreren Phasen auf Ebene der Diözesen und Ortskirchen, der Kontinente und der Weltkirche statt.
Vom 2. bis 27. Oktober tagt im Vatikan die zweite und abschließende Vollversammlung der laufenden Weltsynode. Im Juli hatte Papst Franziskus das dazugehörige Arbeitspapier, das sogenannte Instrumentum laboris, veröffentlicht. Es trägt den Titel „Wie wir eine missionarisch-synodale Kirche sein können“. An der Synodenversammlung nehmen 368 Männer und Frauen aus allen Kontinenten als stimmberechtigte Mitglieder teil. 96 von ihnen, also rund ein Viertel, sind keine Bischöfe, sondern Priester, Diakone, Ordensleute oder Laien; etwa ein Siebentel sind Frauen, davon ca. die Hälfte Ordensfrauen. Aus Österreich sind Kardinal Christoph Schönborn und der Bischofskonferenz-Vorsitzende Erzbischof Franz Lackner Mitglieder. Klara-Antonia Csiszar, Pastoraltheologin und Dekanin der theologischen Fakultät der Katholischen Privat-Universität (KU) Linz, gehört dem Kreis der rund 70 nicht-stimmberechtigten Expertinnen und Experten an.
Brisante Streitfragen wie die verpflichtende Ehelosigkeit der Priester (Zölibat) oder die Stellung der Frauen in der Kirchenhierarchie hat Papst Franziskus bereits im Vorfeld an Expertengruppen verwiesen, die bis 2025 Vorschläge vorlegen sollen. Dieses Vorgehen hat für Kritik gesorgt – nunmehr sollen aber diese Expertengruppen doch näher an die Synode herangeführt werden, für 18. Oktober ist ein Austausch vorgesehen.
Bindend sind die Beschlüsse der Synode indes nicht – die Letztentscheidung liegt beim Papst. Üblicherweise gibt es von ihm ein abschließendes sogenanntes Nachsynodales Schreiben.
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