Schlechtes Deutsch kostet bares Geld

Schlechtes Deutsch kostet bares Geld
Studie der Agenda Austria: Expertin für massive Sprachförderung vom Kindergarten an

Die ungerechte Lohnschere zwischen Frauen und Männern, die mehr als 20 Prozent ausmacht, gereicht regelmäßig zum Aufreger-Thema. Aktuell kämpfen die Proponentinnen des Frauenvolksbegehrens einmal mehr für gleichen Lohn für gleiche Arbeit.

Weniger bewusst beziehungsweise öffentlich thematisiert sind die Lohnunterschiede zwischen Migranten und Menschen ohne Migrationshintergrund. Auch sie sind beachtlich und liegen über alle Berufe gesehen bei 350 Euro im Monat (bei Vollzeitbeschäftigung) oder rund 17 Prozent.

Das zeigt eine neue Studie der wirtschaftsliberalen Denkfabrik  Agenda Austria, die dem KURIER vorliegt. Die Studienautoren zielen dabei vor allem auf die schlechteren Sprachkenntnisse von  Migranten ab, die neben dem konkreten Beruf den zweitgrößten Anteil an den Lohnunterschieden haben.

Konkret heißt das: Allein aufgrund der fehlenden oder mangelhaften Lesekompetenzen, die in der Studie als Indiz für die Sprachkenntnisse verwendet werden, verdienen Betroffene rund 100 Euro weniger im Monat. Die restlichen 250 Euro im Monat beruhen demnach auf den Faktoren: Berufserfahrung, Ausbildung und die konkrete berufliche Tätigkeit.

Auf den durchschnittlichen Bruttostundenlohn heruntergebrochen zeigt sich: Statistisch gesehen verdient ein Migrant erster Generation trotz gleicher Erfahrung, gleichem Beruf und gleicher Bildung nur aufgrund schwächerer Lesekompetenzen um 64 Cent (das sind rund 4,5 Prozent) weniger als sein Kollege ohne Migrationshintergrund.

Agenda-Studienautorin Monika Köppl-Turyna zieht daraus den Schluss, dass rigoros bei der Sprachförderung schon von Kindern angesetzt werden muss, um später einmal Chancengleichheit herzustellen: „Das Konzept der Bundesregierung – standardisierte Tests vor Schuleintritt, Deutschförderklassen oder Verbesserung der Deutschkompetenz vor Übertritt in den Regelunterricht – geht in die richtige Richtung, ist aber nur ein erster Schritt. Das Ziel aller Reformbestrebungen muss sein, dass Kinder bereits vor dem Eintritt in die erste Schulstufe die deutsche Sprache ausreichend beherrschen, um dem Unterricht folgen zu können.“

Außerdem zeigt sich, dass auch Migranten der zweiten Generation, also bereits in Österreich Geborene, bei den sprachlichen Kompetenzen  deutlich schlechter abschneiden als Menschen ohne Migrationshintergrund – und daher auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen haben. Während nur drei von 100 Personen ohne Migrationshintergrund einen „Beruf für Ungelernte“ ausüben, sind es bei den Migranten der zweiten Generation 11 von 100, also fast viermal soviel.

Für die Studienautoren ist deshalb klar: „Offensichtlich gelingt es dem heimischen Bildungssystem nicht, Kinder mit Migrationshintergrund und einer anderen Umgangssprache als Deutsch so zu unterstützen, dass sie sprachlich mit ihren Klassenkameraden gleichziehen.“

Daher fordert die Agenda Austria unter anderem:
Fördermaßnahmen Eine Sprachstandsfeststellung im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchung nach spätestens 36 Monaten – mit spezifischen Deutsch-Fördermaßnahmen für die Kinder  und verpflichtenden Beratungsgesprächen mit den Eltern
Ausbildung Aufwertung der Ausbildung der Elementarpädagogen, um die frühe Förderung der Sprachkompetenzen von Kindern mit Migrationshintergrund und/oder aus bildungsfernen Familien gewährleisten zu können.
Weiterbildung An Kindergarten-Standorten mit mehr als 30 Prozent mehrsprachigen Kindern verpflichtende Weiterbildung für alle Elementarpädagogen zur besseren Förderung der Sprachkompetenzen der Kinder.

Durch die Umstrukturierung der Bildungsausgaben könnte das nötige Geld für die Maßnahmen aufgebracht werden, ist Köppl-Turnya überzeugt. Gemessen an den jährlichen Ausgaben pro Kind liegt Österreich im OECD-Durchschnitt.  Aber: „Länder wie Dänemark, Schweden oder Finnland wenden in der frühkindlichen Bildungsphase zwischen 20 und 60 Prozent mehr auf. Das ist ökonomisch richtig: Jeder ausgegebene Euro im Kindergarten bringt für die betroffene Person und die Gesellschaft einen viel höheren Wert als im Sekundärbereich.“

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