"Schaden wird bleiben“: Warum ein US-Forscher nach Wien gezogen ist

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Warum der US-amerikanische Spitzenforscher Wali Malik wegen der wissenschaftsfeindlichen Trump-Regierung das Forschungszentrum rund um Boston verlassen hat und mit Familie nach Wien gezogen ist.

Dutzende vollautonome KI-Roboter surren durch die Gänge, sie entnehmen Proben in einem Labor, bringen sie in einen anderen Stock des Gebäudes, platzieren sie in hochpräzisen Scannern, lesen Messergebnisse aus und füttern damit Datenbanken. Und das nicht nur wochentags von 9 bis 17 Uhr, sondern rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr.

Wali Malik will genau das in fünf Jahren verwirklichen. Und nicht in einem der Hotspots der Biotechnologie-Forschung wie Boston (USA), Rehovot (Israel) oder Suzhou (China), sondern in einer heute noch weitgehend leeren Forschungseinrichtung in der Helmut-Qualtinger-Gasse im dritten Wiener Bezirk.

Malik ist kein Träumer. Er hat an der prestigeträchtigen Johns Hopkins University in den USA einen Masterabschluss in „Molekulare Krankheitsziele und Wirkstoffsuche mit Hochdurchsatzmethoden“ erworben, zuvor studierte er Zellbiologie und Genetik. Seit 17 Jahren arbeitet er in der Biotechnologie- und Pharmaindustrie. Dort hat er Labore mit Robotern ausgestattet, Verfahren für Massentests von Wirkstoffen entwickelt und digitale Big-Data-Lösungen aufgebaut. Er gilt als ausgewiesener Experte darin, solche völlig neuen Forschungsprozesse aufzubauen, zu beschleunigen und in großem Maßstab nutzbar zu machen.

In Wien gelandet

Vor zwei Wochen ist Malik mit seiner Frau und seinen drei Töchtern in Wien gelandet. Die Entscheidung, die USA und seine Eltern und Freunde zu verlassen, fiel ihm nicht leicht, erzählt er. Ausschlaggebend waren letztlich drei Gründe: Donald Trump – dazu mehr später –, die hohe Lebensqualität in Wien, die sich bis Boston herumgesprochen hat. Und die Möglichkeit, als neuer Leiter des Robotik-Labors im AITHYRA-Institut der Akademie der Wissenschaften bahnbrechende Fortschritte in der KI-gestützten Biomedizin zu erzielen.

Der Fokus seiner Forschung liegt auf Krebs und neurodegenerative Erkrankungen wie ALS, Alzheimer oder Parkinson. Und es geht um die Kreation von Enzymen und das Ein- und Ausschalten von Genen. Dafür braucht es nicht nur sehr viel Hirnschmalz, sondern eben auch die Analyse von sehr großen Datenmengen. Hier kann die Künstliche Intelligenz ihre Stärken ausspielen, und viel angewandte Laborforschung – und da kommen Maliks Roboter zum Zug.

So richtig spannend wird es, wenn man den Ansatz des AITHYRA-Instituts für „closed loop science“ versteht. Malik erklärt das so: Normalerweise – man könnte auch sagen: bisher – läuft Forschung so ab: Ein Wissenschafter denkt sich einen Versuch aus. Andere Forscher führen ihn im Labor durch. Wieder andere werten die Daten am Computer aus. Dann werden die Ergebnisse studiert und der nächste Versuch wird überlegt.

Selbstlernende Systeme

Das brauche viel Zeit, sagt der Forscher, weil viele Schritte getrennt seien und zwischendurch Daten hin- und hergeschoben werden müssen. „Unsere Closed-Loop Science bedeutet: Dieser Kreislauf wird geschlossen und automatisiert, indem eine Künstliche Intelligenz den Versuch entwirft, Roboter diesen im Labor sofort ausführen, die Daten automatisch gesammelt und ausgewertet werden und die KI sofort den nächsten Schritt vorschlägt.“

So entstehe eine Art Endlosschleife, die sich immer schneller wiederholt – ohne Unterbrechungen durch manuelle Arbeit. Im Ergebnis läuft Forschung wie ein permanentes, selbstlernendes System, das viel schneller Erkenntnisse liefert. Malik beruhigt sofort: Nein, sagt er, das heiße nicht, dass geplant ist, dass Roboter und KI künftig die Forschung übernehmen: „Die KI ist vielmehr unser Co-Pilot. Und weil KI auch Fehler machen kann, wird die Arbeit und die Experimente von einer zweiten KI gegengecheckt. Auch dazu gibt es schon viele Studien, die zeigen, dass die Fehlerrate so enorm reduziert wird.“

Und das heiße auch nicht, dass künftig weniger Wissenschafter benötigt werden: „Ganz im Gegenteil, wir erlösen die Forscher von zeitaufwendiger, repetitiver Arbeit, damit sie mehr Zeit haben, nachzudenken, um sich den großen Fragen zu widmen und ihre Kreativität einsetzen zu können.“

USA unter Trump

Im großen Forschungsland USA sei das alles immer schwieriger möglich, erzählt Malik. Es ist das erste Mal in diesem Gespräch, dass er nicht mehr nüchtern, präzise und mit viel Enthusiasmus erzählt, sondern deutlich geknickt wirkt. „Die neue Administration unter Donald Trump hat es geschafft, dass Wissenschaft delegitimiert wird. Plötzlich heißt es etwa: mRNA-Forschung ist gefährlich – und ganze Forschungsfelder werden gestrichen. Die Wissenschaft ist politisiert worden, die Politik bestimmt nun, welche Forschung gemacht wird.“ Schuld daran seinen auch die völlig polarisierten US-Medien: „Weil dort jede Meinung inzwischen gleichwertig behandelt wird, selbst wenn sie offensichtlich unsinnig ist.“

Die Kürzung von rund 50 Milliarden Dollar (42, 6 Mrd. Euro) an staatlicher Förderung durch DOGE („Department of Government Efficiency“) für die Wissenschaft habe dazu geführt, dass viele seiner Kollegen plötzlich keinen Job mehr hatten. Malik ist sich sicher, dass dieser Schaden die USA noch Jahrzehnte belasten wird: „Wir haben jahrzehntelang die klügsten Köpfe aus aller Welt angezogen. Jetzt ist klar: Junge Forscher sollten überall hingehen – nur nicht in die USA.“

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