Sätze, die wir nicht mehr hören können

2008: Verlierer Werner Faymann und Wilhelm Molterer, Gewinner Heinz-Christian Strache
Nicht zum ersten Mal wird nach einer Wahlniederlage ein neuer Regierungsstil versprochen.

Die ÖVP akzeptiert das Vorziehen der Steuerreform. Die SPÖ verzichtet auf die lange geforderte Vermögenszuwachssteuer. Außerdem vereinbaren beide Parteien ein Konjunkturpaket sowie einen ambitionierten Konsolidierungspfad: Aus einer Verwaltungs- und Staatsreform sollen Einsparungen von mehr als drei Milliarden Euro lukriert werden.

Das ist noch nicht das nächste Regierungsprogramm von Rot-Schwarz. Das waren die Eckpunkte, auf die sich Werner Faymann und Josef Pröll im November 2008 verständigten.

Wer fünf Jahre später Ähnlichkeiten zum möglichen Faymann-Spindelegger-Programm vorausahnt, dürfte so falsch nicht liegen. Die Geschichte der Großen Koalition ist eine der Wiederholungen.

Zwischenhoch

Der rote Faden verläuft entlang der Wahlergebnisse: 1986 kamen SPÖ und ÖVP zusammen auf die bequeme Zwei-Drittel-Mehrheit von 157 der 183 Mandate im Nationalrat. 2006 gab es mit 134 Mandaten ein einmaliges Zwischenhoch. Alfred Gusenbauer war die Wende von der Wende geglückt. Danach ging es weiter steil bergab. Heute haben Rot –Schwarz zusammen nur mehr 99 Sitze im Parlament.

Aber die Mehrheit geht sich eben immer noch aus. Aller Wahrscheinlichkeit nach reicht es zwischen Faymann und Spindelegger auch 2013 noch einmal – für eine Große Koalition „neuen Stils“. Die Schwüre auf den neuen Regierungsstil haben Tradition.

Rückblende ins Jahr 2006: Es wurde gewählt, Gusenbauer und Schüssel-Nachfolger Wilhelm Molterer schmiedeten nach sieben Jahren Eiszeit zwischen Rot und Schwarz wieder eine Große Koalition. Sie startete für den fünften SPÖ-Kanzler der Zweiten Republik unter keinem guten Stern. „Der erste Kutscher, der sich selbst vor den Karren spannen lässt“, ätzte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. „Das ist ja eine ÖVP-Regierung mit einem SPÖ-Kanzler darunter“, ärgerte sich Hannes Androsch.

Molterer wollte SP-Krise ausnutzen

Trotz aller Schlüsselressorts „reichte es“ Molterer schon eineinhalb Jahre später. Mit dem Satz: „Eine außergewöhnliche Situation erfordert außergewöhnliche Schritte“, erklärte er die Neuwahlen. Molterer glaubte die Führungskrise in der SPÖ ausnutzen zu können und Nummer eins zu werden.

Aber es reichte nicht. Strache war 2008 der große Wahlsieger, Molterer wurde von Josef Pröll beerbt, Gusenbauer von Werner Faymann. Die Neuen schmiedeten recht flott eine „neue“ große Koalition „neuen Stils“. Doch nicht überall kam der neue „Teamgeist“ gleich gut an. Autor Robert Menasse beschied: „Mit dieser Regierungsbildung hat Werner Faymann bewiesen, dass er doch kein Populist ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Regierung für irgendjemanden populär ist.“

Doch sie hielt fünf Jahre durch. Auch die Krise schweißte zusammen. Das Resultat ist bekannt: Am vergangenen Sonntag fuhren SPÖ und ÖVP neuerlich die jeweils schlechtesten Ergebnisse ihrer Parteigeschichte ein. Was bleibt: Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Als erster wusste am Wahlabend ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf, was die fast unausweichliche Folge der Stimmenverluste ist: „Eine Zweierkoalition ist im Prinzip immer das idealere, alles andere machts noch schwieriger. Das Wahlergebnis ist kein Auftrag, so weiter zu machen wie bisher.“ Stil und Inhalt müssten sich ändern. Schon bei Josef Pröll im September 2008 klang das vertraut. Er sprach sich gegen eine Neuauflage der „großen Koalition alten Stils“ aus: „Der Wähler hat sich sicher nicht geirrt. Er hat den alten Stil abgewählt.“

Erwin Pröll warb für Große Koalition

Zwei Monate später gab Pröll Faymann bereits sein „Ja“-Wort. Zuvor hatte vor allem Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll für die Große Koalition geworben: „Ich plädiere dafür, sehr rasch, innerhalb einiger Wochen eine neue Regierungskonstellation auf die Beine zu stellen, die dann hart und effizient und in gegenseitigem Respekt arbeitet und das aus dem Gedächtnis streicht, was sich in den letzten eineinhalb Jahren abgespielt hat.“ Heute denkt Erwin Pröll dasselbe. Und sagte es noch unmissverständlich am Wahlabend.

Der ÖVP-Parteichef will sich auch eine Woche danach nicht auf die SPÖ festlegen lassen - wohl um den Preis für den Eintritt in eine neue Koalition wieder in die Höhe zu treiben. Michael Spindelegger nach dem Parteivorstand am vergangenen Montag: „Ich werde gerne mit allen Parteien Gespräche führen. Es gibt keine Festlegung auf irgendeine Koalition.“

Worte, die genau so schon von seinen Vorgängern gelassen ausgesprochen wurden. Auch Josef Pröll ließ sich seinerzeit als neuer starker Mann in der ÖVP demonstrativ „alle Möglichkeiten“ offen. „Aus diesem schlechten Ergebnis kann man keinen eindeutigen Regierungsauftrag ablesen.“

Und selbst wenn es eindeutig in die eine Richtung geht, sind „Koalitionsverhandlungen kein Adventkalender, wo man jeden Tag ein Fensterl aufmacht und am 24. das große Fest ist.“ Das sagte VP-Außenministerin Ursula Plassnik 2006.

Erinnerungen an alle Spielarten von Verhandlungsrunden, Sondierungsgesprächen, Abbrüchen, Wiederaufnahmen, Schein-, Geheim- und Hintertürverhandlungen kommen jetzt wieder auf.

Wahrscheinlich gleichen sich die Geschichten, damals wie heute, deshalb so stark, weil sich auch das nahe und weitere Umfeld der Großkoalitionäre gleicht.

Häupls Warnungen

Wiens Bürgermeister Michael Häupl warnt wie schon 2008 auch heute vor einer rechts-rechten Koalition. Ingrid Thurnher moderierte schon 2006 und 2008 die Konfrontationen der Spitzenkandidaten im ORF. Wifo-Chef Karl Aiginger tritt neuerlich für einen „breiten Zukunftsdialog“ unter Einbindung von Experten und Sozialpartnern ein. Dieses Mal will er, dass die Regierung eine „Reformpartnerschaft“ mit Experten und Sozialpartnern als „dritter Kraft“ bildet.

Bei soviel Ausdauer könnte Faymanns alte Rechnung vielleicht doch noch aufgehen: „Wenn zwei Parteien sich in allen Fragen diesen gemeinsamen Nenner zum Ziel machen, dann ist ihre Kraft nicht nur mit zwei, sondern mit vier zu multiplizieren.“

„Wir müssen uns alle Möglichkeiten offen halten. Aus diesem schlechten Ergebnis kann man keinen eindeutigen Regierungsauftrag ablesen.“ : Josef Pröll 2008

„Die Menschen erwarten sich eine Regierung, die ihre Arbeit erledigt, nicht einen andauernden, ermüdenden und ziellosen Politstreit.“ : Werner Faymann 2008

„Wenn die Folgen für Österreich nicht so fatal wären, könnte man die Einigung von SPÖ und ÖVP beinahe amüsant finden.“ : Heinz-Christian Strache 2007

„Es geht darum, einen Vertrauens-gewinn für die nächsten fünf Jahre zu erreichen.“: Werner Faymann 2013


„Wir brauchen die besten Schulen mit dem besten Angebot für unsere Kinder.“ : Claudia Schmied 2009

„Die Regierung soll nach außen hin geeint auftreten, sich zuerst zusammensetzen und mit den fertigen Konzepten in die Öffentlichkeit gehen.“ : Norbert Darabos 2008

„... unter der Voraussetzung, dass es eine andere Form der Koalition gibt: Eine Koalition der Blockierer, der Trickser, die ist vorbei, die wurde abgewählt.“ Hans Niessl 2008

„... eine große Steuerreform mit einer spürbaren Entlastung der Steuerzahler und der Wirtschaft.“: Alfred Gusenbauer 2007

„More of the same wird es sicher nicht geben, sonst heißt der übernächste Kanzler Strache.“: Michael Häupl 2008

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