Rendi-Wagner und die ungewisse Zukunft der SPÖ

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner muss der Partei eine neue Orientierung geben.
Digitalisierung, Globalisierung – hier lauert die neue soziale Frage. Aber soll die SPÖ weiterhin nur auf Benachteiligte setzen?

Sieben der zehn wertvollsten Unternehmen der Welt sind Internet-Giganten. Die fünf führenden – Apple, Google/Alphabet, Microsoft, Amazon und Facebook – kommen aus den USA – dicht gefolgt von den chinesischen Tech-Riesen Alibaba, Tencent und Baidu.

Und Europa? Längst weit abgehängt.

Das erste europäische Unternehmen kommt mit Royal Dutch Shell auf Platz 17, das erste Tech-Unternehmen ist SAP aus Deutschland auf Platz 62. „All diese IT-Firmen gab es vor 25 Jahren noch nicht“, schildert Hannes Androsch.

Suche nach neuem Kurs

Der frühere Vizekanzler und Finanzminister unter Bruno Kreisky und spätere Industrielle kennt als Großinvestor in China den digitalen Wandel aus nächster Nähe. Und er weiß um die schwierige Suche seiner Partei und der Sozialdemokratie insgesamt nach einem neuen Kurs.

Androsch: „Man ist dabei oder bleibt zurück. Es geht um Leistung, Aufstieg, Sicherheit in einer globalisierten und digitalisierten Welt. Das ist die neue soziale Frage. Das ist nicht mehr links oder rechts, sondern zukunftsorientiert und fortschrittlich oder nur beharrend und bewahrend.“

Neues Wohlstandsversprechen

Auch im Inneren sind die Herausforderungen nicht weniger gewaltig. Allein die Alterung der Gesellschaft schreit nach neuen Antworten bei Pensionen, Pflege, Gesundheit bis hin zur nötigen, geordneten Zuwanderung.

Viele potenzielle Wähler glauben nicht mehr, dass die SPÖ ihr klassisches Wohlstandsversprechen auch in Zukunft einlösen kann. Fast egal ob in Regierungsverantwortung oder auf der harten Oppositionsbank. Die im neuen Grundsatzprogramm abgegebene „Garantie auf eine sichere Pension“ oder der neue Slogan „Integration vor Zuzug“ greifen da womöglich – viel – zu kurz.

Umdenken, völlig Neudenken ist angesagt. Aber in welche Richtung?

Setzt der eine Duftmarken bei der Ökologie, bei der erneuerbaren Energie und beim Kampf gegen den Klimawandel, gilt er dem anderen sofort als zu links und zu grün. Ein Fundi muss das sein.

Setzt der andere in Richtung FPÖ ein freundliches Lächeln auf oder schüttelt gar die freiheitliche Hand, ist er dem anderen zu rechts und zu blau, also ganz pfui.

Suche nach der Zielgruppe

Wie kann sie also aussehen, die rote Mitte, die Zielgruppe von Morgen?

Sind es noch immer die Modernisierungs- und Globalisierungsverlierer? Sind es jene mit den Abstiegsängsten, deren Sorgen man zu lange zu wenig Beachtung geschenkt hat? Sind es noch immer die Arbeiter, obwohl die erste Arbeiterpartei längst die FPÖ ist?

Mit Modernisierungsgewinnern

Politologe und SPÖ-Kenner Anton Pelinka hat eine Idee: „Die Sozialdemokratie könnte sich an der Demokratischen Partei der USA orientieren – die ist zur Partei der Modernisierungsgewinner geworden, eine Allianz aus besser Gebildeten, Frauen, Jungen und – natürlich nur für die USA so wichtig – ethnischen Minderheiten.“

"Interessante Führungsperson"

Für eine solche Strategie wäre die erste Vorsitzende in der bald 130-jährigen Parteigeschichte eine „durchaus interessante Führungsperson“, sagt Pelinka. Aber wird die SPÖ-Garde aus alten Männern Pamela Rendi-Wagner lassen? Pelinka: „Das hängt natürlich von den ersten Befunden ab – von Umfrage- und Landtagswahlergebnissen.“

Und dann? Wie geht es weiter? Das ist die sicherlich schwierigste Frage.

Meinungsforscher und OGM-Chef Wolfgang Bachmayer ist der Überzeugung, dass sich die SPÖ „zu lange auf die Ausgrenzung der Freiheitlichen verlassen hat. Das hat die inhaltliche Arbeit gelähmt. Jörg Haider würde sich freuen, wenn er das neue, relativ mutlose SPÖ-Grundsatzprogramm lesen würde.“

Bachmayer glaubt, dass nur eine neue wirtschaftliche oder soziale Krise der Sozialdemokratie wieder auf die Sprünge helfen könnte. „Sie könnte die alten Klassenkampfthemen neu aufgreifen.“

"Hoffen auf Krise ist gefährlich"

Pelinka widerspricht: „Das Hoffen auf die Krise ist gefährlich: Eine solche hat um 1930 nicht der Linken, sondern der extremen Rechten geholfen. Die Partei soll auf Modernisierungsgewinner setzen – Modernisierungsverlierer sind Objekt einer abfedernden Sozialpolitik und nicht Träger zukünftiger Erfolge.“

 

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