Nach und nach sind immer mehr Unterstützungen für die Gastronomie von der Regierung entwickelt worden. Sie selbst waren mit der Initiative „Rettet die Gastronomie“ bei Kanzler Sebastian Kurz. Reichen die Maßnahmen aus?
Birgit Reitbauer: Die Krise wird jedem etwas wegnehmen. Im internationalen Vergleich sind gute Maßnahmen gesetzt worden, die der Gastronomie und Hotellerie helfen.
Heinz Reitbauer: Wir waren acht Leute aus unterschiedlichen Bereichen beim Bundeskanzler. Im Vorfeld hatten wir einen Maßnahmenkatalog übermittelt. Ich kann nur sagen, es waren zwei sehr konstruktive Gespräche, und es wurde auch einiges wie der Fixkostenzuschuss umgesetzt. Aber eine Mehrwertsteuersenkung hilft nur Unternehmen, die auch Kunden haben. Wenn 90 Prozent meiner Gäste nicht da sind, weil der Tourismus zusammengebrochen ist, bringt mir die Steuersenkung gar nichts.
Sie haben entschieden, Ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken. Viele Gastronomen machten es ähnlich. Nun sagen einige, hätten sie gewusst, wie lange der Lockdown dauert, hätten sie die Mitarbeiter gekündigt. Wie lange haben Sie auf das Geld für die Kurzarbeit gewartet?
Birgit Reitbauer: Gegen 15. April sind die ersten Gelder geflossen. Es war ein großer bürokratischer Aufwand und ein komplexer Rechnungsvorgang. Eines ist auch klar: Eine Kündigung hinterlässt emotional eine Narbe, auch wenn die Kündigung wegen einer Krise passiert.
Man hätte ja auch eine Wiedereinstellungsgarantie geben können … Heinz Reitbauer: Wir haben lange nachgedacht, was ist der richtige Weg. Die einzige Chance nach der Krise so weiterzumachen wie davor war, unsere eingespielten Mitarbeiter zu erhalten. Alle zu entlassen, wäre ein höheres Risiko gewesen.
Birgit Reitbauer: Wir haben viele ehemalige Mitarbeiter, die sich erst in den vergangenen Jahren selbstständig gemacht haben. Für ihre Unternehmen war die Kurzarbeit keine Option. Wir haben mit einigen geredet, die fast weinend gesagt haben, wir können uns Kurzarbeit nicht leisten.
Wie haben Sie den Lockdown erlebt?
Heinz Reitbauer: Zuerst wurde ja am Freitag noch verkündet, dass ab Montag die Lokale nur mehr bis 15.00 Uhr geöffnet haben dürfen. Am Samstag sind wir im Kreis gegangen und haben überlegt, wie können wir mit dem Steirereck weitermachen. Und wie können wir auch unseren Produzenten weiterhin Produkte abnehmen. Zuerst hatten wir die Idee, aus der Meierei eine Art Verkaufsladen zu machen. Für Sonntag, 9.00 Uhr habe ich meine wichtigsten Mitarbeiter ins Steirereck zu einer Besprechung geladen. Um 10.00 Uhr kam dann die Meldung: Es ist aus! Alle Lokale ab Montag geschlossen. Daraufhin habe ich mir den zweiten Kaffee genommen und zu meinen Mitarbeitern gesagt: Wir gehen hier nicht auseinander, bis wir entschieden haben, wie es weitergeht. Unser Motto war: Wir tun etwas, egal was. Dann kam die Idee, für die Einsatzkräfte unentgeltlich zu kochen. Denn unser Lager war bummvoll.
Wie lange hat der Vorrat gereicht?
Birgit Reitbauer: Zirka zehn Tage. Dann haben wir bei Kollegen nachgefragt, ob sie noch Warenstände in ihren Lagern haben.
Heinz Reitbauer: Das Hotel Sacher hat dann gleich zwei LKW geschickt. Wir haben Hunderte Sachertorten verteilt. Erich Stekovics hat 1.000 Kilo Paradeiser zum Verarbeiten geschickt. Bis zum Muttertag haben wir das Projekt durchgezogen. Das neun Wochen durchzuhalten war schon heftig, denn jede Portion wurde extra abgefüllt.
Im Herbst steht die Wien-Wahl vor der Tür. Die Hotellerie liegt bei einer Auslastung zwischen neun und 19 Prozent. Was machen andere Metropolen gegen diese Krise?
Heinz Reitbauer: Wir brauchen die Vielfalt. Hochkultur und eine junge Szene. Aber man muss die Bürokratie minimieren. Es gibt den Vorschlag, dass man die Schanigärten nicht wegräumen muss oder dass man die Straßen öffnet, damit mehr Lebensfreude in die Stadt kommt. Das darf nicht nur am Rathausplatz stattfinden, sondern muss flächendeckend sein. Der Tourismus in diesem Land kann nur langfristig funktionieren, wenn er in die Bevölkerung eingebettet ist. Alles andere macht keinen Sinn. Passiert das nicht, fühlen sich die Menschen nicht wohl, ziehen weg, und wir werden touristisch überladene Plätze haben. Davon gibt es international genügend Negativbeispiele.
Wäre die autofreie Innenstadt so eine Innovation?
Birgit Reitbauer: Wenn man in innovative Städte fährt, tritt das Auto in den Hintergrund. Das Auto ist nicht mehr Synonym für eine funktionierende Stadt. Ob dafür gleich die ganze Innenstadt lahm gelegt werden muss, kann ich nicht beantworten. Aber viel mehr braucht es jetzt mehr Freiheiten für Unternehmensgründer. Im Moment brauchst du einen akademischen Kurs, um ein Unternehmen zu gründen. Wenn man in ein Kaffee in Kopenhagen geht, gibt es nicht drei Toiletten, sondern genau eine. Bei der Bürokratie braucht es dringend eine Entschlackung. Nur so kann die Wirtschaft wieder anspringen.
Heinz Reitbauer: Das ist auch die Chance, dass der Kaffee preislich nicht ins Endlose wächst. Drei Toiletten muss am Ende jemand zahlen. Es zahlt der Konsument bei seinem Kaffee und seinem Schnitzel.
50 Jahre Steirereck. Was ist die Vision für die nächsten zehn Jahren?
Heinz Reitbauer: Arbeiten (lacht).
Um den Umsatzverlust aufzuholen?
Birgit Reitbauer: Der Umsatz ist weg. Das tut natürlich weh. Aber ich kann nicht zwei auf einen Sessel setzen.
Heinz Reitbauer: Diesen Verlust kann man nicht aufholen. Die letzten zwei Wochen vor dem Lockdown liefen geschäftlich schon schlechter. Im Prinzip waren es fast drei Monate. Das sind 20 Prozent des Jahresumsatzes.
Es besteht zwar keine Pflicht, aber tragen Ihre Mitarbeiter Masken?
Birgit Reitbauer: Seit zwei Wochen tragen unsere Mitarbeiter wieder einen Mund-Nasen-Schutz. Wir können es uns nicht leisten, dass hier ein Cluster entsteht. Das wäre Wahnsinn.
Wie hat sich das Familienleben in den Lockdown-Monaten verändert?
Birgit Reitbauer: Ich war zwei Monaten jeden Abend zu Hause. Das kannte die Kinder bis jetzt nicht.
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