Faymann: "Österreich ist stark genug"

Die Flüchtlingskrise sei nur "menschlich zu bewältigen", sagt der Kanzler. Er und Vizekanzler Mitterlehner (re.) setzen auf die Durchsetzungskraft des neuen Flüchtlingskoordinators Christian Konrad (Mitte).
Regierungsklausur: Im Oktober soll kein Flüchtling mehr im Zelt schlafen, Bundesheer übernimmt Generallogistik.

Mit scharfen und kritischen Worten sprach Bundeskanzler Werner Faymann am Freitag zur Öffentlichkeit. "Dienst nach Vorschrift" sei nicht angebracht, alle Ressourcen müssen in dieser Krise aktiviert werden. Aus Ungarn würden Informationen fehlen, manchmal würden Tausende Flüchtlinge in Nickelsdorf ohne Ankündigung des Nachbarn ankommen. Mit Deutschland würde die Zusammenarbeit deutlich besser funktionieren, so Faymann. "Wir müssen vorbereitet sein, dass niemand im Freien übernachtet. Wir müssen alles tun."

Maßnahmen

Die komplette Minister- und Staatssekretärsirege sowie die Klubchefs von SPÖ und ÖVP haben am Freitag mit Flüchtlingskoordinator Christian Konrad über konkrete Maßnahmen verhandelt und sie anschließend der Öffentlichkeit präsentiert. Die Flüchtlingskrise sei nur "menschlich zu bewältigen", sagt der Kanzler. Er bedankte sich bei allen Helfern, bei der Polizei und NGOs. Um mit der schwierigen Transportsituation angesichts der Tausenden täglich nach Österreich kommenden Flüchtlinge besser fertig zu werden, übernimmt das Bundesheer unter Leitung von Generalstabschef Othmar Commenda die Koordination.

„Bis Mitte Oktober muss keiner mehr in einem Zelt schlafen“

2300 Menschen sind derzeit in Grundversorgung in Zelten. Konrad werde alles unternehmen, dass bis Mitte Oktober keiner im Zelt schlafen muss, der in die Grundversorgung gehört. Nur für überraschend Ankommende solle es Zelte geben. Zudem würden 75 Millionen für Integration bereitgestellt werden. Investitionen sind notwendig um Ordnung und Menschlichkeit zu beweisen, betont der Kanzler. Auch Reinhold Mitterlehner betonte: "Wir haben eine Notsituation, die alle Ressourcen benötigt."

Im Focus standen angesichts der für heuer 80.000 erwarteten Flüchtlinge, die in Österreich um Asyl ansuchen: die Quartiersuche sowie die Ausbildungs- und Arbeitsmarktchancen für Asylwerber. Zeitgleich zur Klausur machte sich Bundespräsident Heinz Fischer selbst ein Bild der Flüchtlingskrise am Westbahnhof.

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Die Bundesregierung hat am Freitag bei ihrer Klausur ein Bündel von Maßnahmen präsentiert. Hervorgehoben wurde dabei unter anderem der Topf für Integration, der mit 75 Mio. Euro dotiert ist. Im Folgenden die Inhalte der Unterlage:

INTEGRATION:

Im Finanzministerium wird ein "Topf für Integration" eingerichtet, aus dem Projekte aller Ressorts finanziert werden können. Beispielhaft nennt die Regierung mehrere Maßnahmen, wie etwa den Ausbau der Deutschkursplätze, eine Abstimmung zwischen Kursanbietern sowie Deutschkurse für Personen in der Grundversorgung. In Schulen sollen Sprachstartkurse stattfinden für neue Schüler, deren Kenntnisse in Deutsch nicht ausreichen, um dem Unterricht zu folgen. Dies sei als "Ergänzung" zum Unterricht in der Stammklasse gedacht. Im Schulbereich soll es mehrsprachige mobile Einsatzteams geben, die die Arbeit mit den Eltern unterstützen. Ausgebaut werden soll das Jugendcoaching.

Derzeit werden rund 100 Asylwerber in Lehrberufen mit Lehrlingsmangel ausgebildet. Diese Maßnahme soll nun auf sämtliche Lehrberufe in Branchen mit Fachkräftemangel ausgedehnt werden. So soll etwa eine Lehre als Koch ermöglicht werden, hieß es. Die Lehrangebote sollen niederschwellig sein, ein Schwerpunkt wird etwa auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelegt.

Um die österreichischen Werte zu vermitteln, werde der Österreichische Integrationsfonds Orientierungskurse "Zusammenleben in Österreich" anbieten. Das Außen- und Integrationsministerium werde auch 2016 bundesweit Integrationsprojekte fördern, um Menschen mit Migrationshintergrund bei der Integration zu unterstützen.

Zur Betreuung von Flüchtlingen sollen vermehrt Zivildiener eingesetzt werden. Der Bedarf an Zivildienern sei aufgrund der aktuellen Situation "enorm".

ARBEITSMARKT:

Für Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik sind bereits 70 Mio. Euro budgetiert. Im Ausland erworbene Ausbildungen und Qualifikationen sollen künftig besser und rascher anerkannt werden. Zur beruflichen Integrationen sollen in einem Kompetenzencheck Fähigkeiten erhoben werden - dieses Pilotprojekt durch das AMS Wien soll bundesweit umgesetzt werden. Dabei wird auch die Möglichkeit in Richtung Selbstständigkeit erhoben. Erste entsprechende Pilotprojekte seien ebenfalls in Wien bereits in Ausarbeitung.

Die Integrationsbeihilfe wird als Beihilfenart im System der Qualifizierungsförderung für Beschäftigte verankert und bestehende Arbeitsmarktprogramme werden intensiviert.

Um Asylberechtigten mit Mindestsicherungsbezug und Schwierigkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Beschäftigungsperspektive zu bieten, wird ihnen sowie subsidiär Schutzbedürftigen, die seit maximal zwei Jahren diesen Status haben, ein Integrationsjahr angeboten. Dabei handle es sich um kein Arbeitsverhältnis, sondern eine Maßnahme von sechs bis zwölf Monaten, vergleichbar mit dem Freiwilligen Sozialjahr. Neben gemeinnütziger Tätigkeit sind zusätzliche Integrationsmaßnahmen geplant. Die Träger können ein geringes Taschengeld zahlen.

UNTERSTÜTZUNG DER LÄNDER UND GEMEINDEN:

Im Rahmen des Stabilitätspakts wird das Finanzministerium mit den Ländern und Gemeinden Flexibilisierungsmaßnahmen von bis zu 0,1 Prozent des BIP verhandeln. Dies sind bis zu 345 Mio. Euro, hieß es aus der Regierung.

WOHNBAU:

Es seien von allen Seiten Anstrengungen "zu forcieren", um den zusätzlichen Bedarf am Wohnungsmarkt abdecken zu können, heißt es in der Unterlage.

UNTERKÜNFTE:

Bis Mitte Oktober gelte es, winterfeste Unterkünfte zu schaffen. Bis dahin soll es für die Asylwerber in der Grundversorgung keine Zelte mehr brauchen.

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