"Aufbruchstimmung" in der Wirtschaft: Regierung will bis Jahresende Plan vorlegen

"Aufbruchstimmung" in der Wirtschaft: Regierung will bis Jahresende Plan vorlegen
Bei der ersten Arbeitsklausur der Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und Neos standen Energiepreise, Wirtschaft, Industrie und Standort im Fokus. Konkrete Strategien wurden vorerst nur angekündigt.

ÖVP, SPÖ und Neos trafen einander heute im Kanzleramt zu ihrer ersten Arbeitsklausur. Die Regierung sei nach den ersten Ministerratssitzungen schon ins Tun gekommen. Heute wolle man sich der wirtschaftlichen Entwicklung, des Wettbewerbs und des Standorts sowie des Energiemarktes widmen, sagte Kanzler Christian Stocker (ÖVP) vorab bei einem Doorstep. 

Nach vier Stunden gab es dann bei einer Pressekonferenz dann einige Ankündigungen, aber keine konkreten Pläne oder Strategien. Stocker sprach auf Nachfrage einer Journalistin von "Bekenntnissen, dass wir uns ganz intensiv diesen Themen widmen wollen". Spätestens bis Jahresende wolle man einen Plan vorlegen. Alleine die Ankündigung sei schon ein "wichtiges Signal" für die Wirtschaft. 

Und so sehen die "Bekenntnisse" aus

Die vergangenen Jahre seien geprägt gewesen von "multiplen Geschehnissen", die nicht zum Vorteil des Landes gewesen seien, sagte Stocker einleitend. "Wir haben einen Angriffskrieg in Europa, daraufhin eine Energiekrise und damit eine Teuerungskrise erlebt." Diese beschäftigen nicht nur die vergangene, sondern auch die aktuelle Regierung. Die Maßnahmen hätten ihre Spuren hinterlassen, der "budgetäre Ausnahmezustand darf nicht zum Normalzustand werden", erklärte der Kanzler weiter. 

Laut kürzlich veröffentlichten Daten der Statistik Austria schrumpfte die Wirtschaft im vergangen Jahr um rund 1,2 Prozent - das weist auf die anhaltenden globalen wirtschaftlichen Veränderungen hin. 

Vor diesem Hintergrund bekennt sich die Regierung zu einer "nachhaltigen Stärkung des österreichischen Standorts durch konkrete Konjunkturanreize" und einer "grundsätzliche Neuausrichtung der Wirtschafts- und Industriepolitik". Es gehe darum, Investitionen zu stimulieren und den Konsum anzukurbeln. Der dritte Bereich sei der Arbeitsmarkt, damit die Wirtschaft auch qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung hat, so Stocker. 

Im morgigen Ministerrat werden nun folgende Schritte in die Wege geleitet: 

  • Umfassende Industrie- und Standortstrategie: 
    Arbeitsplätze sollen geschaffen, der "Konjunkturmotor" angekurbelt und die Wertschöpfung in Österreich langfristig abgesichert werden. Es werde auch darum gehen, Schlüsseltechnologien zu fördern und Anreize zu schaffen. Nicht zuletzt, so Stocker, gehe es auch um Bürokratie-Abbau, weil dies ein wesentliches Hindernis für Investitionen sei. 
     
  • Grundsatzreform des nationalen Energiesystems: 
    Faire und leistbare Energiepreise sollen sichergestellt werden, um für mehr Preisstabilität für mehr finanzielle Planbarkeit für Unternehmen und Privatpersonen zu sorgen. Zum einen müssten die Netzkosten reduziert werden, um eine nachhaltige Senkung der Strompreise zu erreichen. Geplant ist auch ein Beitrag der Energiewirtschaft. 
     
  • Maßnahmen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels: 
    Dazu gehören eine Qualifizierungsoffensive, Stärkung der Lehre und eine Verstärkung des qualifizierten Zuzugs durch die Rot-Weiß-Rot-Karte. Maßnahmen soll es auch zur Stärkung des Arbeitsmarktes und der heimischen Forschungs- und Innovationsbranche ausgearbeitet werden. 
     
  • Stärkung der Baukonjunktur: 
    Der klare Fokus soll auf leistbarem Wohnraum sowie der wirtschaftlichen Bedeutung eines funktionierenden Bau- und Immobiliensektors liegen - auch zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Um die Baukonjunktur zu stärken, hat sich die Bundesregierung auf ein Maßnahmenbündel verständigt, das unter anderem Vereinfachungen und Beschleunigungen im Bauverfahren und Anpassungen bei der Wohnbaufinanzierung vorsieht. 

"Aktive Arbeitsmarktpolitik"

Eingeladen waren auch zwei Experten: Holger Bonin, Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS), und Wifo-Chef Gabriel Felbermayr

Auf diese Experten und deren klare Ansage, dass die Wirtschaftslage weiter sehr angespannt bleibe, berief sich Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ). In Österreich würden Unternehmer mit unterschiedlichen Herausforderungen kämpfen - unter anderem den hohen Energiekosten, die die Wettbewerbsfähigkeit erheblich schwächen würden. 

"Wir müssen dagegenhalten, um die Wirtschaft, den Standort und damit den Wohlstand zu sichern." Dazu gehöre auch eine aktive Arbeitsmarktpolitik, sagte der SPÖ-Chef. Und: Gerade in herausfordernden Zeiten dürfe man nicht auf das Gesundheits- und Sozialsystem vergessen. "Wir wollen Menschen mit allen ihren Potenzialen im Arbeitsmarkt fördern und halten."

In seiner Ressortzuständigkeit werde er sich auf das Thema Inflationsbekämpfung im Bereich Wohnen konzentrieren. Ein funktionierender Bausektor leiste auch einen Beitrag für eine florierende Wirtschaft. Zudem würden sich international die Belege mehren, dass hohe Wohnkosten die Wirtschaft hemmen - etwa, wenn es um lange Wege zum Arbeitsplatz geht. Babler spricht von einem "Teufelskreis".

Er versprach im Namen der gesamten Regierung: "Wir erkennen die Signale nicht nur, wir setzen auch Maßnahmen." Es liege auch in der Verantwortung der Regierung, eine Aufbruchstimmung auszulösen, die für Aufschwung sorgt. 

Probleme nicht einfach "mit Geld bewerfen" 

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger betonte noch einmal, dass es für diese Regierung darum gehe, "das Richtige zu tun", um aus dieser schwierigen wirtschaftlichen Situation herauszukommen. Es sei "sehr schön" gewesen, zu sehen, wie schon nach zwei Wochen die Vorhaben aus den Ressorts sprudeln, bemerkte sie anerkennend. 

Es sei wichtig, strukturelle Antworten zu geben, anstatt "Probleme einfach mit Geld zu bewerfen". Ein zentraler Anker sei die geplante umfassende Strategie für Wirtschaft und Industrie - auch, um eine Antwort zu finden auf den neuen Protektionismus der USA, die derzeit die Weltwirtschaft belasten. Die Industrie sei "ganz wesentlich", um den Wohlstand in Österreich zu bewahren. 

Ziel seien Entlastungen, dafür sei jetzt aber noch nicht der budgetäre Spielraum da. Deshalb gehe es jetzt um den Abbau der Bürokratie - "das geht auch, ohne Geld in die Hand zu nehmen", sagt Meinl-Reisinger. 

Der beste Rohstoff Österreichs seien qualifizierte Fachkräfte - investieren will die Regierung daher in Bildung und Ausbildung. Für morgen, Mittwoch, sind im Ministerrat unter anderem das Handyverbot in Schulen und die Orientierungsklassen für Migrantenkinder, die noch nie in einer Schule waren. Diese Orientierungsklassen seien eine "Möglichkeit", keine Pflicht, betont Meinl-Reisinger. Schulen können autonom entscheiden, oft sei das ja auch eine Ressourcenfrage. 

"Es weht ein neuer Wind"

Beim Doorstep vorab betonte Babler (SPÖ), dass Österreich neben der Sanierung des Budgets vor großen Herausforderungen steht, um Wohlstand und den Arbeitsmarkt zu sichern. Diesen wolle man sich heute gezielt widmen. 

Außenministerin Meinl-Reisinger sprach an, dass die wirtschaftliche Lage weltweit angespannt sei - nicht zuletzt wegen der Zollstreitigkeiten mit den USA. "Es weht leider ein neuer Wind, der möglicherweise zu einer Lose-Lose-Situation in Europa führt." Es sei wichtig, dass sich Europa auf die eigene Stärke besinnt, um "selbstbewusster Akteur zu sein". 

In Österreich müsse Schluss sein mit "koste es, was es wolle" - das Budget müsse ambitioniert saniert werden. "Das sind wir den Steuerzahlern und auch den nachfolgenden Generationen schuldig", so Meinl-Reisinger. Österreich müsse aber auch seine Hausaufgaben machen, was die eigene Wettbewerbsfähigkeit betrifft. 

Als zentralen Punkt nannte sie den Abbau von "bürokratischen Hürden", um die Betriebe zu entlasten. Was heute nicht im Mittelpunkt steht, laut der Neos-Chefin aber auch diskutiert werden solle, ist eine "Strategie, um neue Märkte und neue Chancen zu erschließen. Wir haben tolle Betriebe, auf die können wir stolz sein, und jetzt gilt es, den Aufschwung zu schaffen." 

Stocker erklärte, dass es in der angespannten Lage auch gute Nachrichten gebe: In Wien soll ein 60 Milliarden schwerer Konzern angesiedelt werden (Stocker meint den Petrochemie-Riesen Borouge Group International). "Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer." 

Strategie für die Industrie

Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) sagte bereits im Vorfeld der Klausur, dass er mit der Erstellung einer Industriestrategie beauftragt wird. Diese solle in Zusammenarbeit mit Ökonominnen und Ökonomen noch heuer fertig werden, um diese in die weitere Budgetplanung der Dreierkoalition einfließen zu lassen. 

Bei der Industriestrategie gehe es um ein Bekenntnis zur Produktion in Österreich und Europa, hier solle die Alpenrepublik auch Vorreiter am Kontinent werden. Der Politiker bekräftigte auch, dass das Erneuerbaren-Ausbau- sowie das Elektrizitätswirtschaftsgesetz vor dem Sommer beschlossen werden sollen. Es gehe etwa darum, wie die Netzkosten neu und flexibler sowie stärker nach dem Verursacherprinzip gestaltet werden können.

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