Rechtsanwälte: Grund- und Freiheitsrechte in Österreich gefährdet
"Die Gefährdung der Grund- und Freiheitsrechte liegt in der Luft", betonte ÖRAK-Präsident Rupert Wolff am Montag bei der Präsentation der Studie "Fieberkurve des Rechtsstaates" der Österreichischen Rechtsanwaltskammer (ÖRAK). Es gebe durchaus Anlass zur Sorge.
Trübe beurteilen die Rechtsanwälte den gegenwärtigen Umgang mit den Grund- und Freiheitsrechten, wobei fast die Hälfte der Anwälte davon ausgeht, dass dieser sich in den kommenden zehn Jahren weiter verschlechtern wird. "Wir brauchen in Österreich mehr Respekt vor den Grund- und Freiheitsrechten und eine Rücknahme von Grundrechtseingriffen, insbesondere von Überwachungsmaßnahmen", stellte Wolff fest. Auch ein sensiblerer Umgang mit der Pressefreiheit und der anwaltlichen Verschwiegenheit sei vonnöten. Dass die Frist zur Anmeldung für Versammlungen von 24 auf 48 Stunden ausgeweitet wurde, kritisierte Wolff ausdrücklich.
"Hohen Verbesserungsbedarf" ortete der Präsident der Rechtsanwälte hinsichtlich der Rechtssicherheit juristischer Personen, was für den Wirtschaftsstandort Österreich von Bedeutung ist. Er verlangte einfachere und rechtssichere Unternehmensgründungen unter verstärkter Einbindung der Anwaltschaft und eine Senkung der Gerichtsgebühren - vor allem bei hohen Streitwerten.
"Auf gutem Weg"
In Bezug auf Ordnung und Sicherheit sieht Wolff dagegen keinen Grund, die Polizeibefugnisse und die Überwachungsmaßnahmen weiter auszubauen. Bei der Korruptionsbekämpfung befinde man sich "auf einem guten Weg".
Die Strafgerichtsbarkeit wurde schon 2016 trist bewertet. Daran hat sich nicht viel geändert, wobei über 90 Prozent der Anwälte davon ausgehen, dass es dabei in den kommenden Jahren bleiben oder sich die Situation sogar weiter verschlechtern wird. "Die Staatsanwaltschaften sind massiv überlastet", sagte Woff. Dessen ungeachtet gebe es bei den Anklagebehörden hohe Erledigungsquoten: "Das legt den Schluss nahe, dass zu rasch, zu schnell, vielleicht zu oberflächlich gearbeitet wird." Wolff verlangte eine bessere Ausstattung der Behörden und - ein Mal mehr - eine Reform des Haupt- und Rechtsmittelverfahrens. Es müsse möglich sein, ein im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenes Gutachten von einem zweiten Sachverständigen überprüfen zu lassen. Im Rechtsmittelverfahren wollen die Anwälte wiederum die gerichtliche Überprüfung von erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen zulassen. Das gilt insbesondere für die Urteile von Geschworenengerichten, wo der Wahrspruch der acht Laienrichter - die Feststellung, ob ein Angeklagter schuldig oder nicht schuldig ist - sich aus gesetzlichen Gründen nach wie vor inhaltlich nicht überprüfen lässt.
2016 als schlechte Basis
In Kooperation mit dem Forschungsinstitut für Rechtsentwicklung der Universität Wien und einer Unternehmensberatung wurde vom ÖRAK eine 170 Seiten umfassende Studie erstellt. Dieser wurden renommierte Quellen wie Transparency International, Eurostat oder das World Justice Project sowie die Angaben von mehr als 400 eigens dafür befragten heimischen Rechtsanwälten zugrunde gelegt. In einigen Bereichen hat es seit 2016, als sich der ÖRAK zuletzt diesem Thema gewidmet hatte, Verbesserungen gegeben, so etwa bei der Qualität und Stabilität staatlicher Strukturen, der Verwaltungs- und Zivilgerichtsbarkeit sowie der Qualität der Gesetzgebung, wobei Wolff diesbezüglich eine deutliche Einschränkung vornahm: "Da war man 2016 auf einer schlechten Basis. Es gibt noch immer Verbesserungsbedarf und Luft nach oben." Konkret forderte der ÖRAK-Präsident verbindliche Standards im Gesetzgebungsverfahren wie eine Mindest-Begutachtungsfrist von sechs Wochen, die man zuletzt in 75 Prozent der Fälle unterschritten habe.
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