Gleichstellung: "Ehe für alle" als Geheimrezept?

Same-sex couple Cynthia Wides (L) and Elizabeth Carey embrace each other as they turn in their marriage license at City Hall in San Francisco, June 29, 2013. Same-sex couples rushed to San Francisco's City Hall on Saturday to be legally married after the U.S. Ninth Circuit Court of Appeals officially ended California's ban on gay marriage following a landmark ruling at the Supreme Court this week. REUTERS/Stephen Lam (UNITED STATES - Tags: SOCIETY POLITICS TPX IMAGES OF THE DAY)
Im Wahlkampf ist da und dort von der "Ehe für alle" die Rede, und sonst? Der KURIER hat sich umgehört.

Mit der Stiefkindadoption waren die Rechte von Homosexuellen in Österreich zuletzt Thema in Medien und Politik. Dabei sind viele europäische Länder schon weiter: In Frankreich sind Ehe und Adoption seit kurzem möglich, in Spanien beides sogar schon seit 2005. Um die österreichische Gesetzgebung bei den Stiefkindern in Bewegung zu setzen, hat es – wie so oft – ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gebraucht. Fragt sich, was als nächstes ansteht.

"Ehe für alle"

Anvisiert wird die „Ehe für alle“. Das fordern zumindest die Grünen andersrum und deren Sprecher Marco Schreuder gegenüber dem KURIER - gefragt nach den wichtigsten politischen Zielen:

„Die Ehe für alle öffnen, und somit auch gleichgeschlechtlichen Paaren den Zugang ermöglichen und zeitgleich die Eingetragene Partnerschaft in ein modernes Rechtsinstitut auch für heterosexuelle Paare umwandeln."

Auch Peter Traschkowitsch, Vorsitzender der SoHo, der sozialdemokratischen Homosexuellenorganisation nennt die Öffnung der Ehe als erstes Ziel.

Bei den anderen Parteien wird es still, wenn es um die Rechte von Homosexuellen geht.

Gleichstellung: "Ehe für alle" als Geheimrezept?
Marty Huber, Sprecherin der IG Kultur und Aktivistin in der Schwulen und Lesben Community hat sich mit der politischen Auseinandersetzung über die Parteigrenzen hinweg beschäftigt:„Wenn man sich die Sichtbarkeit von Lesben-, Schwulen- und Transpolitik bei den Parteien anschaut, dann sind die Grünen natürlich die, die das am ehesten noch in einem allgemein politischen Profil sichtbar haben. Bei der SPÖ ist es in den letzten Jahren ein bisschen besser geworden, auch aufgrund der Intensität der Auseinandersetzung um die Eingetragene PartnerInnenschaft und um Fortpflanzungsrechte. Aber eigentlich ist es sehr wenig gewesen, oft nur bei Wahlkämpfen."

Für die Zurückhaltung der SPÖ zeichnet die ÖVP mitverantwortlich, so Huber. „Die ÖVP hatte nur einen ganz kurzen Anflug einer Liberalisierung unter Josef Pröll. Weshalb es – glaube ich – auch ein Gesetz zur Eingetragenen PartnerInnenschaft überhaupt gibt.“ Huber glaubt, dass diese Gesetzesinitiative unter ihrem derzeitigen Parteichef Michael Spindelegger nicht möglich gewesen wäre. Die ÖVP bewege sich nur, wenn ein Gerichtsurteil sie dazu zwinge.

Angesprochen auf die Möglichkeit der Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare betont August Wöginger, Sozialsprecher der ÖVP im Parlamentsclub: „Aus Sicht der ÖVP sind die maßgebenden rechtlichen Eckpfeiler für ein funktionierendes und rechtlich abgesichertes Zusammenleben und das wechselseitige Übernehmen von Verantwortung im Rahmen einer eingetragenen Partnerschaft gegeben.“

Laut Aktivistin Marty Huber spiele sich die Diskriminierung neben der gesetzlichen vor allem auf einer symbolischen Ebene ab. So gab es bei der Eingetragenen Partnerschaft ein Bindestrichverbot bei Doppelnamen. Der Verfassungsgerichtshof kippte das Verbot 2011.

Die Krux mit der Ehe

Gleiche Ehegesetze würden niemanden bedrohen: „Es passiert nichts außer, dass Leute heiraten können und sich gegenseitig absichern. Das ist insbesondere aus Sicht von konservativen Parteien unverständlich, dass sie ein konservatives Projekt wie die Ehe nicht auch für möglichst alle offen halten wollen und es ist auch ein wenig absurd, dass sich dann nicht-konservative Parteien wie die Grünen die „Ehe für alle“ als eines der wenigen politischen Ziele anheften,“ urteilt Huber.

Huber kritisiert auch das Ehegesetz an sich: "Grundsätzlich ist es eigentlich ein sehr konservatives Ansinnen, auch im Sinne von Vorstellungen von Paarbeziehungen." Die darin enthaltenen Vorschreibungen seien "uninteressant". Man müsse das Gesetz grundsätzlich modernisieren, so Huber. Damit wäre die Ehe gesamtgesellschaftlich interessant.

Rechtliches

Der Anwalt Dominik Konlechner gibt Huber recht: Das österreichische Ehegesetz sei sehr stark mit Wertvorstellungen aufgeladen. Aber: „Die Judikatur entwickelt sich weiter und so zeigt sich auch darin der gesellschaftliche Wandel.“ Allerdings bleibt der Wortlaut gleich – das Gesetz gilt (derzeit) nur für Mann und Frau.

Im Gesetz wird vor allem definiert, was bei einer Scheidung passiert. So gibt es in Österreich das Verschuldungsprinzip. In Deutschland werde das verlacht, so Konlechner. Bei einer Scheidung wird in Österreich nach dem Schuldigen gesucht. In dem Gesetz wird definiert, dass eine Ehe eine Lebensgemeinschaft, eine Wirtschaftsgemeinschaft und eine Geschlechtsgemeinschaft beinhalten sollte – keiner dieser Punkte müsse jedoch zwingend vorliegen, so Konlechner.

Es sei in der Tat eine „Ironie“, dass Homosexuelle diese „kleinbürgerliche“ Institution für sich öffnen wollen, so Konlechner.

Es handelt sich dabei übrigens um das Ehegesetz des Dritten Reiches, das nach 1945 reformiert und übernommen wurde.

Was wird werden?

Trotzdem gibt es Licht am Ende des Tunnels. Gegen eine Liberalisierung werde sich Österreich nicht ewig wehren können, sagt Huber. Sie glaubt, dass das Ehegesetz eine Annäherung möglich machen könnte: „Die Ehe ist dafür wunderbar geeignet für konservative Parteien.“

Buchtipp: Queering Gay Pride. Zwischen Assimilation und Widerstand. Marty Huber. Wien 2013

Homosexuelle sind in Europa immer noch Opfer von Gewalt und Diskriminierung. Europa muss mehr tun, forderten Minister in Den Haag bei der ersten europäischen Konferenz zu Rechten von Homosexuellen am Internationalen Tag gegen Homophobie im Mai 2013. EU-Justizkommissarin Vivane Reding versicherte, die EU-Kommission werde sich auch weiterhin für sexuelle Minderheiten einsetzen. Eine von der Europäischen Grundrechteagentur (FRA) präsentierte Studie zeichnet allerdings ein pessimistisches Bild von der Lage sexueller Minderheiten in der EU.

Reding verurteilte Gewalt gegen sexuelle Minderheiten scharf. "Diskriminierung und Gewalt gegen Homosexuelle ist eine Verletzung der Menschenwürde und unvereinbar mit den europäischen Grundwerten", sagte Reding vor den rund 700 Teilnehmern der Konferenz, darunter Minister, Abgeordnete und Vertreter zahlreicher Menschenrechtsorganisationen.

Nach einer anlässlich des Internationalen Tages gegen Homophobie präsentierten Studie ist Diskriminierung von Homosexuellen in der EU immer noch weitverbreitet. Die EU-Grundrechte-Agentur (FRA) hat für die bisher größte Studie zu diesem Thema 93.000 Lesben, Schwulen, Bisexuelle und Transgender-Personen (LGBT) befragt.

Erschreckende Ergebnisse

Demnach wurde etwa die Hälfte der LGBT (47 Prozent) während der dem Befragungszeitpunkt vorangegangenen zwölf Monate Opfer von Diskriminierung. Österreich liegt hierbei mit 48 Prozent knapp über dem Durchschnittswert. Demgegenüber scheint das Klima für LGBT in den Niederlanden mit rund einem Drittel an Betroffenen insgesamt etwas freundlicher zu sein. Ungarn schnitt am schlechtesten ab: Rund zwei Drittel wurden Opfer von Diskriminierung.

Mehr als ein Drittel der Befragten wurde wegen ihrer sexuellen Orientierung bereits einmal tätlich angegriffen oder bedroht. Knapp ein weiteres Drittel machte diese Erfahrung bereits dreimal - und öfter. Diese Zahlen sollten die EU-Mitgliedsstaaten aufrütteln, sagte die EU-Kommissarin.

Grüne Kritik

Kritik an Reding kam wiederum von der Vizevorsitzenden der Grünen im Europaparlament, der Österreicherin Ulrike Lunacek. "Dass EU-Justizkommissarin (Viviane) Reding trotz elfmaliger Aufforderung in den vergangenen zwei Jahren aus dem Europaparlament keine Roadmap gegen Homophobie vorlegt, ist aufgrund dieser Datenlage absolut inakzeptabel", sagte Lunacek, die auch Vorsitzende der parlamentarischen Gruppe für die Rechte von LGBT ist.

Die Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien verwies in einer Aussendung darauf, dass die FRA basierend auf den Studienergebnissen auch konkrete Empfehlungen an die Politik abgibt. Eine dieser vorgeschlagenen Maßnahmen sei etwa die Vereinheitlichung beim Diskriminierungsschutz, damit die Diskriminierung Homosexueller mit jener aufgrund von Geschlecht oder Behinderung gleichgesetzt werde. Hier stehe die ÖVP jedoch entgegen anderslautender Empfehlungen des UNO-Menschenrechtsrates weiterhin auf der Bremse, kritisiert die HOSI.

Kommentare