Rauchen: ÖVP-Länder begehren auf
Was als freiheitliche Symbolforderung startete, wurde zum ersten großen Aufreger der künftigen Koalition: Dass ÖVP und FPÖ nun die Absage des für 2018 geplanten Rauchverbots in der Gastronomie vereinbarten, regt nicht nur die seit Wochen warnende Wissenschaft auf. Auch politisch bläst den Anzündern der heiklen Raucher-Debatte ein extrem scharfer Wind entgegen.
Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) kündigte bereits Widerstand gegen die geplante Gesetzesänderung an. Burgenlands Gesundheitslandesrat Norbert Darabos (SPÖ) spricht von "gesundheitspolitischem Nonsens", im ebenfalls SPÖ-geführten Kärnten ist im Umfeld des Landeshauptmannes Peter Kaiser von "einem Schildbürgerstreich erster Güte" und einer "Gefährdung der Gesundheit der Österreicher" die Rede.
Brisant: Auch in der ÖVP – in der echte Querschüsse seit Monaten absolute Mangelware sind – regt sich Widerstand, und zwar gleich aus mehreren schwarzen Bundesländern. So hält Christopher Drexler, steirischer Gesundheitslandesrat, die Einigung von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache auf ein Kippen des Rauchverbots für "bedauerlich". Zwar seien Verhandlungen immer von Kompromissen gekennzeichnet – "ich bedaure es aber außerordentlich, dass man diese gesundheitspolitisch falsche Entscheidung getroffen hat", sagt Drexler zum KURIER. "Man tut den Wirten nichts Gutes, man tut Österreichs Reputation nichts Gutes, man tut den Beschäftigten in der Gastronomie nichts Gutes und man tut letztlich den Rauchern nichts Gutes", richtet der Steirer seiner Parteispitze aus. Zynischer Nachsatz: "Die einzigen, die sich freuen, sind die Putzereien."
Drexler steht mit seiner Kritik in der ÖVP nicht alleine da. Auch Oberösterreichs Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander nennt die Einigung ein "gesundheitspolitisch völlig unbefriedigendes Ergebnis". Die Oberösterreicherin ortet einen "Rückschritt" in der Gesundheitspolitik – und bekommt Rückendeckung ihres Landeshauptmannes Thomas Stelzer: "Es wäre gut gewesen, wenn man sich an den beschlossenen Weg gehalten hätte", sagt er. Ganz und gar nicht begeistert zeigt sich auch Vorarlbergs Landeschef Markus Wallner: Der mächtige ÖVP-Mann findet es "schade, dass die FPÖ dies zur Koalitionsbedingung gemacht hat". Damit noch nicht genug, kommen auch aus den schwarzen Ländern Tirol und Salzburg kritische Töne. Die EU-Kommission kündigte indes an, "sich die Sache aufmerksam anzusehen".
Für Erwin Rasinger, den jüngst aus dem Nationalrat ausgeschiedenen Langzeit-Gesundheitssprecher der ÖVP, ist der Widerstand keine Überraschung: "Was da passiert, ist keine Gesundheitspolitik, sondern Wirtshauspolitik", sagte er zum KURIER. 2015 sei das Verbot noch von sämtlichen ÖVP-Abgeordneten beschlossen worden – "und jetzt", so Rasinger, "machen wir uns lächerlich".
Gegen das Rauchverbot, aber für mehr Mitbestimmung der Bürger: Das hat die FPÖ im Wahlkampf bekanntlich lautstark gefordert.
Jetzt, mit dem Einlösen des ersten Versprechens, könnte sich das zweite allerdings zu einem Eigentor für die Blauen entwickeln.
Wie das? Indem der von VP-FP geplante Automatismus bei Volksbegehren genützt wird, um eine Rücknahme der umstrittenen Raucher-Neuregelung zu erzwingen. Geht es nach den Verhandlern, sollen Volksbegehren ja automatisch in Abstimmungen münden, wenn sie genügend Unterstützer haben; das Ergebnis dieser Voten soll bindend sein, wenn genügend Menschen abgestimmt haben.
Volksbegehren
Beides ist im konkreten Fall durchaus wahrscheinlich. Am Dienstagnachmittag, nur einen Tag nach der Entscheidung, hatten schon gut 90.000 Menschen eine Petition der Krebshilfe unterzeichnet, um eine Rücknahme der Pläne zu erreichen.
Freilich hat das nur politisches Gewicht, keine formale Auswirkung. Doch die Krebshilfe will die Regelung auch offiziell bekämpfen: "Wenn wir 100.000 Unterstützer haben, werden wir das Ganze im Nationalrat einbringen", sagt Präsident Paul Sevelda. "Vielleicht schaffen wir es so, alles rückgängig zu machen."
"Ordentliche Welle"
Dass die Initiative so viel Unterstützung erfährt, freut Sevelda. "Es geht eine ordentliche Welle durchs Land", so der Krebsspezialist. Für seine Pläne hofft er auch auf Hilfe aus der Politik – selbst aus jenen Reihen, die die Entscheidung offiziell mittragen, aber damit keine Freude haben: Er vernetzt sich mit ÖVPlern, die sich gegen die Neuregelung stellen (siehe oben).
Nur auf einen, der sich vor einiger Zeit noch für die Krebshilfe-Kampagne "Don’t smoke" stark machte, kann er dabei nicht zählen: VP-Chef Sebastian Kurz. Dessen Plädoyer fürs Nichtrauchen ("Gesundheit ist das Wertvollste") ist jetzt auf derselben Homepage zu finden wie die Krebshilfe-Petition gegen die VP-FP-Pläne – und wirkt dort seltsam überholt.
Kommentare