Psychotherapie: Ärztekammer warnt vor gefährlichem "Sonderweg"
Heftige Kritik an der Neuregelung der Psychotherapie-Ausbildung kommt von der Ärztekammer. Mit der geplanten Novelle werde die Psychotherapie von der psychosomatischen Medizin und der Psychiatrie künstlich abgetrennt, so Präsident Johannes Steinhart bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.
Darüber hinaus wolle man offenbar Psychotherapeuten und Psychiater bei ihren Kompetenzen weitgehend gleichstellen - bei deutlich kürzerer Ausbildungszeit für Psychotherapie.
Derzeit findet die Psychotherapie-Ausbildung an privaten außeruniversitären Ausbildungseinrichtungen und Privatunis statt und besteht aus einem zweijährigen Propädeutikum und dem - je nach Fachrichtung - drei-bis sechsjährigen Fachspezifikum.
Dreigliedriges System
Der Entwurf für die Novelle zum Psychotherapiegesetz sieht künftig ein dreigliedriges System vor: An den öffentlichen Unis soll es ab 2026 ein zweijähriges Masterstudium für Psychotherapie geben, bis zu 500 Plätze pro Jahr sind geplant. Derzeit gibt es dort Psychotherapie-Ausbildungen nur fallweise in Form von kostenpflichtigen Uni-Lehrgängen.
Ähnlich wie beim derzeitigen Propädeutikum soll ein fachlich einschlägiges Bachelorstudium (etwa Medizin, Bildungswissenschaften) Zugangsvoraussetzung zum Masterstudium sein, auf Wunsch sollen die Unis aber auch selbst eigene Bachelorstudien anbieten können.
Bachelor- wie Masterstudium sollen außerdem weiter auch an Privatunis möglich sein.
Dritter Ausbildungsteil ist eine postgraduelle psychotherapeutische Fachausbildung bei Psychotherapeutischen Fachgesellschaften, während der man schon unter Supervision therapeutisch arbeiten kann.
Was die Ärztekammer stört
Die Kritik der Ärztekammer bezieht sich dabei auf diesen dritten Teil - mit den davorliegenden Schritten ist man weitgehend zufrieden. Während etwa eine Psychiaterin erst nach sechsjährigem Studium und sechsjähriger Facharzt-Ausbildung erstmals frei niedergelassen behandeln dürfe, stehe dies einem Psychotherapeuten in Ausbildung schon nach fünf Jahren unter Supervision offen - wobei es dafür keine klaren Vorgaben gebe, meinte Dietmar Bayer, stellvertretender Obmann der Bundeskurie niedergelassener Ärzte und Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutischer Medizin.
"Ein Turnusarzt kann ja auch nicht in einer Garagenpraxis eine Herzoperation machen und dabei seinen Ausbildungsarzt telefonisch um Rat fragen", argumentierte Bayer. Die Vorgabe, die praktische Ausbildung in einem "klinikähnlichen Setting" zu absolvieren, sei auch zu unscharf. "Ist das ein Hightechraum, ein krankenhausähnliches Konstrukt, eine psychiatrische Abteilung oder eine Garage mit Telefonverbindung?"
In vielen Fällen sei auch eine Psychotherapie erst nach vorhergehender Behandlung einer Krankheit wie Schizophrenie auf biologischer Ebene möglich, so Bayer. Diese Behandlung müsse aber durch einen Arzt erfolgen. Auch er vermisste wie Steinhart einen ganzheitlichen Ansatz.
"Allmachtsanspruch"
Berufsgruppen wie Ergotherapeut, Psychotherapeut und Psychiater seien eine große Familie - mit der geplanten Neuregelung greife man mit der Psychotherapiewissenschaft aber nun eine Gruppe heraus, die alles behandeln dürfe. "Das ist ein Allmachtsanspruch, der gefährlich ist." Jetzt sage dann eine Gruppe: "Gehen wir ein bisschen im Wald spazieren und dann werden alle gesund."
Der Kammer gehe es aber nicht darum, nicht-ärztliche Psychotherapeuten auszuschließen, betonte die designierte Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Alterspsychiatrie und Alterspsychotherapie, Christa Rados. Diese brauche man für das vernetzte Arbeiten. Allerdings wolle sie Patienten mit gutem Gewissen zuweisen können. "Uns geht es um jene Bereiche der Psychotherapie, wo es um Krankenbehandlung geht."
Bei Eheberatung und Coaching mische man sich nicht ein. Aber: "Wenn ich Schizophreniepatienten behandle, muss ich wissen, wie das geht. Ich muss Ahnung von psychosomatischer Medizin haben." Das Gesetz verpasse es etwa, eine verpflichtende praktische Ausbildung in psychiatrischen Facheinrichtungen vorzusehen.
Die Kammer verlangt außerdem, für die weitere Ausbildung ein abgeschlossenes Medizinstudium dem Masterabschluss der Psychotherapie gleichzustellen. Fachärzte für Psychiatrie und Kinderpsychiatrie sowie Ärzte mit entsprechender Spezialisierung beziehungsweise dem Kammer-Diplom für Psychotherapeutische Medizin müssten außerdem auf Antrag ohne Prüfung in die Berufsliste aufgenommen werden.
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