Prammer: "Mehr Zeit nehmen"

Prammer: "Mehr Zeit nehmen"
Eine Weiterentwicklung der Demokratie könne "nur auf Basis der Einbindung des Parlaments" passieren, sagt die Nationalratspräsidentin.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) hat am Montag betont, dass die Debatte um eine Reform der direkten Demokratie Zeit brauche. "Diese Zeit muss man sich nehmen", sagte sie bei der Eröffnung eines Symposiums der Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform mit dem Titel "Direkte Demokratie vs. Parlamentarismus". Sie würde das "versus" durch ein "und" ersetzen, so Pammer: "Dann sind wir am Punkt, wo es in Zukunft hingehen könnte."

Die Präsidentin betonte den Stellenwert der repräsentativen Demokratie: "Ich bin nach wie vor der Meinung, eine Weiterentwicklung der Demokratie in Richtung mehr Direkter Demokratie geht nur auf Basis der Einbindung des Parlaments." Reine Mehrheitsentscheidungen durch die Bevölkerung wären jedenfalls "nicht des Rätsels Lösung".

Zum Thema Mehrheitswahlrecht verwies Prammer auf die bereits gefallene Entscheidung der fünf Parlamentsfraktionen in der entsprechenden Arbeitsgruppe zur Wahl- und Parlamentsreform: Dort hatte man sich darauf geeinigt, dass man beim Verhältniswahlrecht bleiben will.

Korrektiv

Auch Verfassungsexperte Theo Öhlinger betonte den Stellenwert der repräsentativen Demokratie: Diese sei "keine defizitäre Variante der Demokratie", sondern eine "unverzichtbare Form der Volksherrschaft in einem Rechtsstaat", sagte er. Die direkte Demokratie alleine könne der gesellschaftlichen Vielfalt nicht wirklich gerecht werden; simple Ja/Nein-Entscheidungen würden keine Diskussionen über mögliche Kompromisse ermöglichen.

Gleichzeitig betonte er, dass es berechtigt sei, über gewisse Verbesserungen der direkt-demokratischen Instrumente zu diskutieren. Denn es gelte einer Entfremdung zwischen den Wählern und Gewählten entgegenzuwirken - und hier könnten direkt-demokratische Elemente "durchaus als Korrektiv wirken", so der Experte.

Als "große Schwäche" bezeichnete Öhlinger die bisher "geringe Bereitschaft des Nationalrates", auf Volksbegehren "in angemessener Form" zu reagieren - nämlich diese als Form der Gesetzesinitiative wahrzunehmen. Als Beispiel nannte er das Bildungsvolksbegehren. Allerdings sieht er auch die Initiatoren von Volksbegehren in der Pflicht: Diese sollten ihre Anliegen besser gleich in Gesetzesform bringen, dann wäre es leichter für die Parlamentarier, die Begehren auch in Gesetzestexte umzuwandeln. Bei der Komplexität und Umfang des Bildungsvolksbegehrens wäre es den Abgeordneten gar nicht möglich gewesen, hier Gesetze zu formulieren. Grund dafür sei auch die mangelnden Ausstattung (vor allem mit Personal) der Mandatare - ein Punkt, wo sich Öhlinger Verbesserungen wünscht.

Herrscher gegen Beherrschte

Auch der Politologe und Verfassungsrechtler Klaus Poier betonte, direkte und repräsentative Demokratie sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden, beides sei wichtig. Die direkte Demokratie sollte vor allem eine "ergänzende Korrektivfunktion ausüben", sagte er. Wichtig wäre, dass diese Instrumente nicht von den Herrschenden eingesetzt werden können (jenen, die im Parlament die Mehrheit haben), sondern von den "Beherrschten". Volksbegehren sollten nicht reinen Petitionscharakter haben, sondern höhere Wirksamkeit, so sein Wunsch. Bei Volksabstimmungen sollte auch ein "Vetoreferendum" (gegen ein Gesetz) "ernsthaft diskutiert werden", meinte der Experte.

Die Reformen müssten seiner Meinung nach aber auch die repräsentative Demokratie betreffen. So wünscht er sich etwa eine Wahlrechtsreform mit einer "ernsthaften Personalisierung". Wie Öhlinger plädierte Poier darüber hinaus auch für eine bessere Ausstattung der Mandatare - etwa mit mehr Personal.

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