Wehrpflicht für Frauen? „Vielleicht noch zu früh“
Erwin Hameseder ist im Zweitberuf begeisterter Milizoffizier.
KURIER: Am Nationalfeiertag strömen Massen zur Heeresleistungsschau. Aber wie steht’s um die Bereitschaft, das Land zu verteidigen?
Erwin Hameseder: Das Bundesheer steht aktuell im OGM-Vertrauensindex auf Platz eins. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat sich das sehr ins Positive verändert. Leider nicht so positiv ist, dass nur 27 Prozent der Bevölkerung bereit wären, die Republik mit der Waffe zu verteidigen.
Ist dieser Wert anderswo höher?
Je näher man sich an der Kriegsfrontlinie oder an Russland befindet, desto höher ist die Verteidigungsbereitschaft. Die Schulung der geistigen Landesverteidigung sollte bereits in früher Jugend ansetzen.
Die Tauglichkeit sinkt, Übergewicht, Unsportlichkeit, psychische Probleme spielen eine Rolle. Haben Sie ein Rezept dagegen?
Das müssen die Gesundheitsorganisationen entwickeln. Aber es ist erschütternd, dass rund 20 Prozent der einberufenen jungen Männer für untauglich erklärt werden.
Wäre der Wehrdienst nicht eine Gelegenheit, jungen Leuten Staatsbürgerkunde und Leitwerte mitzugeben? Nach dem Heer meinen manche, dass es verlorene Zeit war.
Das wird schon seit Jahren gemacht. Das Bundesheer ist auch eine der letzten Möglichkeiten, Menschen in unsere Kultur und Gesellschaft zu integrieren. Natürlich müssen die Wehrdiener fair behandelt, aber auch gefordert werden. Darüber reden wir unter anderem in der Wehrdienstkommission. Bis Jahresende kommen Vorschläge.
Was halten Sie von Wehr- bzw. Ersatzdienstpflicht für Frauen?
Auch das diskutiert die Kommission – in Dänemark wurde diese ja gerade eingeführt. Aber man muss hierzulande einen politischen Realitätscheck machen. Ich denke, dass das jetzt vielleicht noch zu früh ist.
Drohnen sind zu einem besonders wichtigen militärischen Gerät geworden. Da sind wir in Österreich aber nicht sehr gut gerüstet.
Wir brauchen unser Licht nicht unter den Scheffel stellen, da sind viele Beschaffungen im Gang. Der Ukraine-Krieg war ein Gamechanger. Gerade die Drohnentechnologie interessiert übrigens die Jungen sehr.
Vielleicht sind das dann genau die Nerds, die sonst vielleicht als untauglich erklärt werden würden?
Wir werden uns tatsächlich genauer überlegen müssen, welche Tauglichkeit man für welche Funktion braucht – und die Begeisterung für diese Waffengattung steigern.
Sind Robotersoldaten die Zukunft?
Es kommt auf das Einsatzgebiet an. Bei Einsätzen wie in den Hamas-Tunnels werden oftmals Roboter vorausgeschickt. Aber Roboter können im Krieg das menschliche strategische Handeln nicht ersetzen, da Intuition und Erfahrung fehlen.
Ist Österreich gut genug für den bereits tobenden Cyberwar gerüstet?
Österreich ist im Vergleich gut auf Cyberangriffe vorbereitet. Es gibt Strategien, spezialisierte Einheiten und wachsendes Bewusstsein für Cyber-Sicherheit. Es braucht aber noch mehr Ressourcen, regelmäßige Großübungen und eine möglichst vollständige Absicherung kritischer Infrastruktur. Davon profitiert auch die Wirtschaft.
Das Waffengeschäft boomt, Österreich könnte mehr profitieren.
Wir haben noch keine optimalen Rahmenbedingungen. Die von der Industriellenvereinigung eingesetzte und von mir geleitete Taskforce zur Sicherheits- und Verteidigungsindustrie hat Vorschläge gemacht. Manches muss neu interpretiert werden: das Neutralitätsgesetz, das Waffenexportgesetz. Unternehmen, die in diese Sparte verstärkt investieren wollen, erwarten sich auch Export- und Wachstumsmöglichkeiten.
Steyr Arms wollte Gewehre an die tunesische Polizei verkaufen. Die heimische Bürokratie hat so lange für die Genehmigung gebraucht, bis das Geschäft futsch war. Das ist ein No-Go. Unser Vorschlag ist: transparente Fristen. Wenn die Behörde diese ungenutzt verstreichen lässt, gilt das automatisch als Genehmigung. Es reicht, sich an EU-Recht anzupassen.
Zum ausführlichen Gespräch mit General Erwin Hameseder
Wir sind allerdings neutral.
Die Neutralität gibt bei entsprechender Interpretation viel mehr Möglichkeiten, als wir nutzen.
Sind Sie mit der Regierung eigentlich zufrieden?
Man spürt ein intensives Bemühen um eine konstruktive Zusammenarbeit. Diese Regierung hat ja riesige Felsbrocken aus dem Weg zu räumen. Beispielsweise beim Bürokratieabbau erwarten wir endlich Maßnahmen.
Und wie geht es den Banken in der Wirtschaftskrise?
Wir sehen, dass Investitionsfinanzierungen aktuell nicht boomen, freundlich ausgedrückt. Die Marktanteile der Banken sind hart umkämpft, auch durch neue digitale Player. Gewinne der letzten Jahre wurden klug vorrangig in die bessere Kapitalausstattung investiert. Die Banken sind dadurch deutlich widerstandsfähiger geworden.
Bankkunden müssen sich vieles selbst erledigen, wo ist da noch der Unterschied zu Digitalbanken?
Das Bankgeschäft ist bei individuellen Kundenbedürfnissen immer ein Geschäft von Angesicht zu Angesicht. Das haben wir vor allem in der Pandemie gesehen. Wo waren da die Digitalbanken? Raiffeisen bleibt daher beim dualen Weg.
Zur Person:
Erwin Hameseder ist als Raiffeisen-Generalanwalt oberster Repräsentant des Konzerns und einer der mächtigsten Manager des Landes. Er ist weiters Obmann der Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien und leitet mehrere Aufsichtsräte, u. a. jenen des KURIER. Der Jurist aus NÖ arbeitet seit 1987 für Raiffeisen. Der Milizoffizier im Rang des Generalmajors ist Milizbeauftragter des Verteidigungsministeriums und steht der heuer neu konstituierten Wehrdienstkommission vor. Außerdem leitet Hameseder die von der Industriellenvereinigung eingerichtete Taskforce zur Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, damit Waffenexporte nicht an bürokratischen Hürden scheitern.
Konzerne werden oft kritisch gesehen. Woher kommt das? Das weiß ich nicht und verstehe es auch nicht. Unser gesamtwirtschaftlicher Beitrag liegt ohne Minderheitsbeteiligungen bei 13 Milliarden Euro. Raiffeisen beschäftigt über 93.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zahlt 3,7 Milliarden Euro Steuern. Wir investieren jährlich 56 Millionen Euro in Sport-, Kultur- und Sozialprojekte. Das zeigt, dass es nicht um kurzfristige Gewinnmaximierung geht. Wir sollten stolz sein auf die österreichischen Konzerne. Sie sind wichtige Partner für kleine und mittelständische Unternehmen, die das Rückgrat der heimischen Wirtschaft sind.
Die RBI hat in Russland jahrelang gute Geschäfte gemacht und ist nun von den Sanktionen schwer betroffen. Wie geht es weiter?
Unsere Beteiligung zu verkaufen ist schwer, weil es der Genehmigung von Europa, der USA und der russischen Autorität bedarf. Das ist bisher trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen. Wir arbeiten weiter daran und bemühen uns, den Schaden zu minimieren. Trotz allem meine ich, dass es weiterhin diplomatische Gesprächskanäle mit Russland geben sollte, damit der Krieg endet. Täglich sterben an der Front mindestens 1.000 Menschen.
Sie sind Banker, Sie sind General – also alles, was Altachtundsechziger ablehnen. Mussten Sie sich manchmal auch selbst verteidigen?
Ganz selten, aber ich bin immer den auch von meiner Familie unterstützten Weg gegangen. Es ist eine Ehre, neben meinem Hauptberuf bei Raiffeisen im Zweitberuf Milizoffizier und Milizbeauftragter der Bundesministerin sein zu dürfen. Man lernt beim Bundesheer schon in ganz jungen Jahren, wie man Menschen führt, mit komplexen Situationen umgeht, Entschlüsse fasst und diese auch umsetzt.
Man sieht Sie immer wieder in Uniform. Ungewöhnlich für einen Manager. Was bedeutet Ihnen das?
Damit zeige ich mich als Bürger in Uniform, der Verantwortung in der Wirtschaft trägt und auch eine im Bundesheer. Das beweist, dass das Bundesheer mitten in unserer Gesellschaft verankert ist.
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