Photovoltaik hoch oben in den Alpen: Am Gipfel der Stromerzeugung
Hochalpine Photovoltaik. In der Schweiz ist das längst ein Riesenthema, in Österreich noch (fast) gar nicht. Dabei scheinen die Vorteile die Nachteile deutlich zu überwiegen
In der Schweiz herrscht seit Herbst 2022 Goldgräberstimmung rund um hochalpine Photovoltaik (PV). Also um Sonnenstrom-Anlagen oberhalb der Nebelgrenze weit über 1000 Meter.
Die Schweizer Politik hat die Errichtung solcher alpinen Photovoltaik-Felder (mangels freier Flächen in den Tälern und trotz Widerstand der Umwelt-NGOs) nicht nur erlaubt, sondern fördert die Errichtung massiv. Ziel sind 2 Terawattstunden bis 2027.
Nachteile der alpinen Photovoltaik sind zwar die deutlich höheren Errichtungskosten und die manchmal schwierige Netzanbindung, sofern keine großen Übertragungsleitungen in der Nähe sind. Doch der große Vorteil ist, dass die Anlagen im Gebirge deutlich mehr Strom erzeugen, vor allem in den Wintermonaten.
„Der hohe alpine Winterstromertrag ist im Wesentlichen auf wenige Nebeltage, eine hohe Solarstrahlung, Reflexion von Strahlung an der schneebedeckten Umgebung (Albedo-Effekt) sowie tiefe Umgebungstemperaturen zurückzuführen“, hat die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften herausgefunden.
Die Forscher verglichen PV-Anlagen auf 412 Meter Seehöhe im Tal mit einer Versuchsanlage auf 2500 Meter (siehe Grafik unten). Die Anlage hoch oben habe „mehr Strom in den Wintermonaten produziert als im Sommer“, und die Ausbeute am Berg sei generell deutlich höher als im Tal.
Der österreichische Ökoenergiepionier Heinz Kopetz kann die Schweizer Ergebnisse bestätigen. Er hat gemeinsam mit Freunden eigens konstruierte vertikale „PV-Pappeln“ auf 1780 Meter auf der Gerlitzen aufgestellt und die Stromproduktion mit gleich großen Anlagen im Tal verglichen: „Wir waren selber über den 12-fachen Ertrag am Berg überrascht“, sagt Kopetz.
Seither lobbyiert er für PV-Anlagen im Gebirge: „Wir haben einen Denkfehler beim EAG-Gesetz (Regelung für Ökostromausbau bis 2030, Anm.), denn es sieht eine Strom-Überproduktion im Sommer vor, im Winter müssen wir aber gut zehn Terawattstunden Strom importieren oder in Gaskraftwerken erzeugen. Damit ist das Ziel des Gesetzes zwar erfüllt, aber das Klimaziel verfehlt. Und es macht wenig Sinn, Wärmepumpen und E-Autos zu propagieren, wenn wir diese im Winter mit Strom aus Erdgas betreiben.“ In einem modernen Gaskraftwerk werden etwa 250 Kubikmeter Erdgas pro Megawattstunde Strom benötigt.
Naturschutz-Konflikt
Beim Dachverband PV Austria ist Geschäftsführerin Vera Immitzer vorsichtig: „Das Konzept alpiner PV-Freiflächenanlagen ist sicherlich überlegenswert. Ich sehe für Österreich jedoch aufgrund der strengen Naturschutzvorgaben kaum Möglichkeiten, diese Projekte im großen Stil umsetzen zu können“, sagt sie zum KURIER. „Jedenfalls Sinn, auch wirtschaftlich, macht es, wenn an bereits bestehenden Infrastrukturstandorten wie Skilifte oder Windkraftstandorte PV-Freiflächenanlagen umgesetzt werden.“ Was grundsätzlich fehle, seien ausreichend freigegebene Flächen.
Unüberhörbar ist in der Branche eine gewisse Furcht vor Umwelt-NGOs wie dem Alpenverein. Doch der hat sich noch gar nicht zu alpinen Großanlagen geäußert: „Derzeit befindet sich der Österreichische Alpenverein gemeinsam mit dem Umweltdachverband und unterschiedlichen Interessensgruppen zur Nutzung von Photovoltaik in Österreich, insbesondere im hochsensiblen alpinen Bereich im Erarbeitungsprozess eines Positionspapiers “, antwortet Jasmin Maringgele von der Abteilung „Raumplanung und Naturschutz“ beim Alpenverein auf KURIER-Nachfrage. Eine einheitliche Positionierung werde „frühestens Ende des Jahres erfolgen und kommuniziert“.
Leonore Gewesslers Energieministerium bremst die Erwartungen: „Die Nutzung von Photovoltaik-Anlagen macht überall dort Sinn, wo wir passende, bereits versiegelte Flächen haben“, heißt es auf KURIER-Anfrage. Der Ausbau der PV laufe „in Rekordgeschwindigkeit“, man sei aktuell über dem Ausbauziel, zudem würde die Windkraft speziell im Winter deutlich mehr Strom liefern und so die PV gut ergänzen, und die Windkraft sei in Österreich – anders als in der Schweiz – gut ausgebaut. Dass es in Zukunft PV-Anlagen auch in den Bergen geben könnte, will man aber nicht grundsätzlich ausschließen.
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